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#498449 - 09.02.09 03:11 Marokko 2008, von Agadir in den Süden
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Beiträge: 1.235
Dauer:22 Tage
Zeitraum:11.11.2008 bis 2.12.2008
Entfernung:1000 Kilometer
Bereiste Länder:maMarokko

Von Ait Melloul in den Süden Marokkos

und über Amtoudi

zurück nach Ait Melloul



Meine zweite Radreise durch Marokko. Ich hatte zwar einige Strecken in meinem Navigationsgerät abgespeichert, aber eine konkrete Route war nicht geplant.
Es sollte in den Süden gehen, vielleicht sogar in die Westsahara.


Bei strahlendem Sonnenschein und 25° landen wir pünktlich in Agadir. Es dauert zwar seine Zeit, bis der Einreisestempel im Pass ist, dafür kann ich auf einen Blick sowohl mein Rad als auch mein Gepäck erkennen. Kurz vor dem Ausgang kommt Monsieur „Wichtig“ und ist überzeugt, dass mein Rad nicht von 2005, sondern ganz neu ist. Auch die Kopie der Rechnung kann ihn nicht überzeugen, also muss ich in sein Büro. Nach einigen Minuten und dem Eintrag
„bicyclete“ im Reisepass darf ich gehen.

Nehme den erstbesten Taxifahrer und los geht’s nach Ait Melloul. Dieser Ort ist in meinem Reiseführer nicht erwähnt und alles, was ich im Internet finden kann, ist, dass es eine hässliche Industriestadt sein soll. War mir aber egal, es sollte ein Ort sein auf direktem Weg nach Tiznit.
Meine Vorgabe an den Taxifahrer „keine Auberge und kein Palast“ wurde mit dem Hotel Joubir zu 100 % umgesetzt. Das Hotel ist sauber, das Personal aufmerksam und die 210 Dirham (DH), also knapp 18€ für die Nacht sind voll in Ordnung.

Mit der Anreise und dem Hotel bin ich also zufrieden, aber jetzt geht es in diese geschäftige, hässliche Industriestadt. Wow, die setzte dem Anreisetag die Krone auf. Mitten im hektischen Treiben fühlte ich mich als „Nicht-Stadtmensch“ schon wohl. Im Bereich der Moschee drängen sich unzählige Menschen durch die Gassen und obwohl ich Menschenansammlungen nicht mag, hier empfinde ich es angenehm. Es ist ein Mix aus Großstadtatmosphäre und Dorfidylle. Die Waren werden teilweise auf Eselkarren feilgeboten, es wird geschrien und gelacht und ich habe Urlaub pur vom ersten Moment an. Entgegen meiner ersten Marokkoreise habe ich das Marokkogefühl schon vor dem Start der Tour.


Bilder zur Tour



12.11.2008
Ait Melloul, 08:15h, fast wolkenlos 14°


Nach einem Frühstück à la marocaine, mit Café Nous-Nous (halb Kaffee, halb Milch), frisch gepressten Orangensaft und einem Pfannkuchen mit Honig, dies alles begleitet von den lauten Fernsehnachrichten, starte ich.

Eine breite Straße führt aus der Stadt nach Süden in Richtung Tiznit. Nach einigen Kilometern biege ich von der Hauptstraße Richtung Atlantik ab. Habe mir aus dem Internet eine Route, unmittelbar am Atlantik entlang, auf mein Navigationsgerät geladen. Kaum am Atlantik angekommen, schwant mir beim Einstieg in diese Piste nichts Gutes. Nach knapp 1,5 km und zwei Schiebepassagen drehe ich um. Diese Strecke ist für Geländewagen geeignet, aber nicht für Fahrradfahrer. Also die gleiche Strecke wieder zurück zur Hauptstraße.

Dort angelangt gibt es die erste kurze Pause bei einem dieser typischen marokkanischen Miniläden (Abmessung ca. 2 x 4 m). Dort gibt es Hawai zum Trinken und zwei Gebäckkringel mit starkem Mandelgeschmack zum Essen. Inzwischen sind es 26° und der Himmel ist wolkenlos. Bis zur Mittagszeit steigt die Temperatur rasch auf 30° an, was ich jedoch während des Fahrens als sehr angenehm empfinde.

Da sich der erste Abstecher als Niete entpuppte, verwerfe ich den Gedanken ins Naturschutzgebiet Sidi Rbat zu fahren. Hier an der Mündung vom Fluss Massa sollen sich Rosaflamingos, Reiher, Löffler und sogar Senegaltschagra (??) tummeln. Ob die im Moment zu Hause sind? Außerdem wäre es wieder eine Stichstraße, vielleicht auf dem Rückweg.

Die Landschaft entlang der Straße wird meist landwirtschaftlich genutzt. Was richtig Sehenswertes ist mir nicht aufgefallen. Nach 99 km erreiche ich in Tiznit (60.000 Einwohner) den Kreisel, an dem sich einige Hotels befinden. Den besten Eindruck macht auf mich das Hotel Tiznit und dieses steuere ich auch sofort an. Volltreffer, das Zimmer ist groß, sauber und hat auch noch einen Balkon. Das Ganze kostet 237 DH. Da denke ich nicht einmal daran, ein Zelt aufzubauen. Klamotten waschen, duschen und los geht’s in die Altstadt.
Auf dem traditionellen marokkanischen Markt, dem sogenannten Souk, wird von Töpferwaren über Datteln, frischem Gemüse und Obst bis hin zu den Gewürzen alles angeboten, was man in der marokkanischen Küche braucht.

Tiznit hat eine von mächtigen, gut erhaltenen, Mauern umgebene Medina und war früher ein bedeutender Umschlagplatz der Karawanen. Ich setze mit erstmal in ein Café des von Arkaden gesäumten Place Méchouar und genieße das Treiben um mich herum. Toll!
Danach schlendere ich durch die Altstadt und gelange zu den Souks der Silberschmiede. Überall drücken sich kichernde Mädchen und Frauen an den Auslagescheiben die Nasen platt.

99,9km, 400hm, 14-28°



13.11.2008
Tiznit, 09:00h, 15°, wolkenlos


Die Strecke vom Vortag war für marokkanische Verhältnisse verkehrsreich, daher wähle ich die Ausweichroute am Meer über Sidi Ifni.

Die Landschaft ist hügelig und wird etwas karger. Bei 24° und frischem Wind vom Meer erreiche ich den Atlantik. Dieser wird ab jetzt mein ständiger Begleiter zur Rechten sein. Die in regelmäßigen Abständen kommenden Abfahrten zu den Oueds, mit den kurz darauf folgenden Anstiegen, sorgen für Abwechslung.

Gegen 13.30h erreiche ich Sidi Ifni und da ich keine Lust mehr zur Weiterfahrt verspüre, nehme ich mir ein Zimmer (150 DH) im Hotel Ait Baamran. Dieses Hotel ist ein Tipp aus dem Reiseführer. Na ja, ich empfand es als „tres simple“. Wahrscheinlich lag es am 13.11.08 und daran, dass ich auch noch das Zimmer Nr. 13 bekam.

Beim Stadtrundgang hinterließen die anderen Hotels allerdings auch keinen besseren Eindruck.
Sidi Ifni, eine von den Spaniern im 15. Jahrhundert gebaute Stadtfestung, hat nicht viel zu bieten. Stopp. Gleich am Stadteingang, rechts geht’s zum Camping und links nach Guelmim, kommt wenige Meter hinter der Kreuzung auf der linken Seite ein Restaurant mit Garten. Das Essen war super, die Bedienung sehr nett und der Preis war günstig.

Dort nehme ich auch mein Abendessen ein, mache noch einen kleinen Stadtrundgang und ab in die Koje. Trotz tobender Brandung, das Hotel liegt direkt am Atlantik, schlafe ich sehr gut.

76,1km, 777hm, 15-24°



14.11.2008
Sidi Ifni, 08:40h, 17°, wolkenlos


Die Abfahrtzeiten waren bei mir auch schon früher.
Heute geht’s zuerst flach durch ein schönes Tal, aber die ersten Anstiege kommen bald und führen mich auf fast 600 m. Die Landschaft ist hier sanft geschwungen und es ist immer wieder erstaunlich, wie man diesem kargen Boden noch etwas Fruchtbares entlocken kann. Nach ca. 40 km lasse ich die Hügellandschaft hinter mir und komme in eine breite flache Ebene. Kurz vor Guelmim mache ich Pause. Nach dieser Stadt soll die Fahrt in südliche Richtung nach Tan Tan weitergehen. Soweit meine Gedanken ca. 6 km vor Guelmim. Kurz nach der Pause, bin kaum 3 km gefahren, wird meine Fahrt durch ein Hinweisschild abrupt gestoppt.In 10 km Entfernung gibt es die „Thermale Abaynou“, eine Oase mit einer 38° warmen schwefelhaltigen Thermalquelle. Im Kopf geht’s kurz hin und her, „nicht schon wieder so eine kurze Etappe“, aber der Genussmensch in mir gewinnt. Auf nach Abaynou. Das erste, nennen wir es mal Hotel, macht einen geschlossenen Eindruck. Der kurz darauf folgende Campingplatz ist zwar geöffnet, wirkt jedoch etwas primitiv, also weiter. Und siehe da, direkt neben der Therme ein Hotel. Nach nur 63 km ist für heute Schluss. Eine Kilometerfresserei wird diese Tour wohl nicht.

Das Zimmer sagt mir nicht wirklich zu, aber der zweite Versuch ist in Ordnung (210 DH). Zum Mittag gibt es Couscous mit Huhn und nach dem Mittagsschlaf geht es in die Therme. Nebenbei erfahre ich noch, dass es einen Masseur gibt. Also: noch einen Termin vereinbart, ins Thermalbad gegangen und danach die Massage genossen. Das Leben ist schön.

63,1km, 753hm, 17-28°



15.11.2008
Abaynou, 10:00h, 28°, wolkenlos


Habe mich für eine Tagestour ohne Gepäck entschieden. Zuerst geht es in das 15 km entfernte Guelmim (ca. 90.000 Einwohner). Da dort jeden Samstag an der Straße nach Tan Tan der berühmte Kamelmarkt stattfindet, fahre ich zuerst dorthin. Ernüchterung macht sich breit. Da ist zwar ein großer bzw. ein sehr großer Markt, es gibt viele alte und uralte Landrover zu sehen, auch ist die Auswahl an Viehfutter nicht gering, ein laut einweisender und abkassierender Parkwächter ist auch nicht zu übersehen bzw. überhören, einige Ziegen, Esel und Scharfe, ja sogar eine Kuh erblicke ich, aber Kamele? Fehlanzeige.

Umrunde den Markt großräumig und siehe da, Kamele, richtig lebendige Kamele. Zwei kleine Gruppen mit je ca. 10 Stück, der helle Wahnsinn. Da hab ich vor zwei Jahren auf der Strecke nach Tata mehr Freilaufende gesehen.

Ein Verkäufer spricht mich an. Er kommt von „Off Road“ mitten im „Desert“ und versichert mir, dass im Sommer hier viel mehr Kamele gehandelt werden. Der Nächste, der mich anspricht, sagt nach kurzem woher und wohin, dann bist du Deutscher, habe Deutsch in der Abendschule gelernt. Auch er bestätigt die Aussage, dass im Sommer hier mehr los ist. Er wünscht mir einen schönen Aufenthalt in Marokko und ich ihm gute Geschäfte.

Jetzt geht es Richtung Osten zur Oasengruppe Ait Bekkou. Zuerst fahre ich durch ein nicht enden wollendes Oued. Mehrere kleine Oasen reihen sich aneinander, alles ist sehr einfach und in den ersten kleinen Dörfern hab ich nicht einmal ein Lebensmittelgeschäft gesehen. In einer Schule bekomme ich Wasser und schaue mir kurz eine angrenzende Olivenpresse an. Schwere Arbeit für Mensch und Tier. Bei dem alten Mann kann man deutlich erkennen, dass seine Haltungsschäden von seiner Arbeit herrühren. Er schiebt die Oliven in gebückter Haltung vor den Mahlstein, und wenn der Esel vorbeikommt, muss er sich auch noch für kurze Zeit tief nach vorne kauern. Aber mit absoluter Sicherheit handelt es sich hier um kalt gepresstes Olivenöl, obwohl die Temperatur inzwischen auf 34° gestiegen ist.

In diesen kleinen Oasen ist alles noch sehr ursprünglich und man begegnet kaum jemand. Die Menschen sind alle sehr zurückhaltend, grüßen jedoch lächelnd zurück. Bettelnde Kinder sind hier nicht anzutreffen.

92,0km, 434hm, 28-34°



16.11.2008
Abaynou, 10:00h, 26°, bewölkt


Und nochmal ein Tagesausflug, irgendwie möchte ich wohl Abaynou nicht verlassen, dabei hat dieser kleine Ort, außer dem Thermalbad nichts zu bieten.

Heute geht es Richtung Atlantik / Plage Blanche. Es soll mit ca. 50 km der längste und schönste Sandstrand Marokkos sein.
Nach ca. 25 km kommt nur noch unendliche Weite. Obwohl diese einsame, leicht hügelige Landschaft sehr karg wirkt, werden auch hier in regelmäßigen Abständen Felder bestellt. Heute habe ich mich versorgungstechnisch völlig falsch ausgestattet. Nach über 50 km habe ich kaum noch Wasser und das seit einigen Kilometern ausgeschilderte Café hat geschlossen. Was nun?
Zum Atlantik sind es noch ca. 25 km und wenn dort auch keine Geschäfte sind, habe ich ein Problem. Da fällt mir auf, dass ich die bisherigen 53 km in 1:45 h gefahren bin. Der mich unterstützende Rückenwind wird auf der Rückfahrt zum Gegenwind, also Vollbremsung und zurück. Halte bei dem geschlossenen Café und mache mich durch lautes Klopfen und Rufen bemerkbar. Und siehe da, ein Mann öffnet mir. Er versteht zwar zu meiner Überraschung kein französisch, aber ich bekomme für 13 DH eine Flasche Wasser, eine Flasche Hawai und einige Kekse. Nach kurzer Stärkung geht es sehr mühselig nach Abaynou. Nach 105 km, hab wohl auf dem Rückweg 1 km abgekürzt, erreiche ich das Hotel und bin müde.

105,0km, 620hm, 26-32°



17.11.2008
Abaynou, „Faul, bei 22-28°“


Klamotten waschen, trinken, Musik hören, Essen, spazieren gehen und plötzlich geht die Sonne unter.

0km, Gefühlte Gewichtszunahme 4 kg



18.11.2008
Abaynou, 09:30h, 24°, wolkenlos

Seit gestern macht sich ein Geschwür am Allerwertesten bemerkbar. Schwanke zwischen Aufstechen oder Arztbesuch. Entschließe mich nach Guelmim zu fahren, da in dieser größeren Stadt wohl auch die ärztliche Versorgung gewährleistet ist.

In Guelmim steuere ich das Hotel „Au Rendez vous des Hommes Bleus“ (269 DH) an. Wie so oft in Marokko ist das Personal sehr jung und etwas unbeholfen. Dies machen sie jedoch durch ihre große Hilfsbereitschaft wieder wett. Um mich zu schonen, nehme ich auch für die kürzesten Strecken jeweils ein Petit Taxi.

Da heute der Unabhängigkeitstag ist, hat der Arzt geschlossen. Wieder ein Faultag.

18,5km, 29hm, 24-30°



19.11.2008
Guelmim, wolkenlos


Das Petit Taxi bringt mich ins Zentrum zum Dr. Charaf Lahlali, der verschreibt mir Antibiotikum und meint, ich soll 3 bis 4 Tage kein Rad fahren. Die Untersuchung kostet mich umgerechnet knapp 7 €.

Ich entscheide mich den Rest des Tages zu faulenzen, habe ja inzwischen etwas Erfahrung damit, und morgen dann nach Assa zu fahren.

0km, Gefühlte Gewichtszunahme 2 kg



20.11.2008
Guelmim, 07:30h, 15°, wolkenlos


Nach 30 km kommt mit Fask der erste Ort und es wird auch nur noch ein kleines Dorf vor einem Pass folgen. Habe mich aber in Guelmim ausreichend eingedeckt und kann bedenkenlos weiterfahren.
Auf dieser Strecke nach Osten gibt es wenig Orte, wenig Menschen und dazu noch sehr wenig Verkehr. Genügend Zeit sich mit der Landschaft zu beschäftigen. Es handelt sich um eine Wüstensteppe ohne Sanddünen. Will meinen, kleine Büsche (max. 50 cm hoch), ab und an eine Akazie und immer mal wieder eine Minioase mit dichtem Palmenbewuchs. Und dann diese Berge, diese meist sanft und harmonisch geschwungenen Berge. Diese haben es mir angetan, ich kann die Fahrt richtig genießen.
Obwohl mir mein Hinterteil keine Probleme macht, lasse ich es bewusst gemütlich angehen.
Gegen 11:00h erreiche ich Targamait, ein kleines Dorf am Fuße des Col d´Amzloug. Mitten im Dorf, neben dem Metzger sehe ich einen Wasserhahn. Noch schnell zwei Flaschen mit Wasser
füllen. In unmittelbarer Nähe sitzen einige ältere Männer im Schatten und laden mich zum Tee ein, aber ich bedanke mich freundlich und setze meine Fahrt fort. Der Pass ist einfach zu fahren, da sich die Steigung in Grenzen hält. Oben angekommen werde ich von einem Soldaten sofort durchgewunken, da ich aber Fotos machen und meine Windjacke für die Abfahrt anziehen möchte, halte ich an.
Sofort kommt auch sein Vorgesetzter hinzu, beide begrüßen mich mit Handschlag. Biete dem Soldaten Kekse an, er nimmt einen, um sich danach dreimal mit einem chukran zu verbeugen.
Schnell eilt er mit einem Stuhl für mich herbei und sogleich bekomme ich auch noch ein Glas Tee. Na ja, mit Hygiene und Sauberkeit kann man hier oben nicht rechnen, dementsprechend sah das Glas auch aus. Brav trinke ich aus, mache meine Fotos und verabschiede mich.

Im Tal angekommen habe ich auf der tendenziell abfallenden Straße regelmäßig 40 km drauf. Assa, ich komme. Und ich wäre auch vor 13.30h im Hotel angekommen, aber am meines Erachtens etwas groß ausgefallenem Eingangstor der Stadt hält mich doch tatsächlich ein Polizist an. Die erste Kontrolle auf dieser Tour. Freundlich, aber sehr ausführlich, nimmt er meine Personalien auf.

Nicht nur das Tor, auch die danach folgende ca. 2 km lange und sehr breite Straße zum Ort erscheint mir überdimensioniert für eine Stadt von ca. 11.000 Einwohnern. Überhaupt macht diese Stadt einen sehr sauberen und aufgeräumten Eindruck. Auf dem Weg zum Zentrum fahre ich an frisch gestrichenen Häusern vorbei. Auf dem Weg zum etwas außerhalb liegenden Hotel Nidaros passiere ich sogar einige hübsche Reihenhäuser, so richtig mit Garten und einem Auto davor. Später erfahre ich, woher dieses Aufgeräumte hier stammt. Vor kurzem war König Mohammed VI zu Besuch und die frisch gestrichenen Häuser würden auch nur entlang der Hauptstraße stehen. In den Reihenhäusern wohnen entweder Beamte oder Offiziere der Armee. Das Hotel ist seine 21 € wert und so beschließe ich hier 2 Tage zu verweilen. Da es in der Nähe Felsengravuren geben soll, werde ich morgen mit dem Rad dorthin fahren.

Als ich nachmittags das Hotel zu Fuß verlasse, fragt mich ein Hotelangestellter, ob er mir ein Taxi besorgen soll, aber dies ist bei diesen Entfernungen wirklich nicht nötig. Kurz darauf holt mich dieser Mitarbeiter ein und sagt, dass er von der Hotelmanagerin beauftragt wurde, mich zu begleiten, natürlich kostenlos. Hab zwar weder eine Managerin noch einen Manager gesehen, aber mir soll es recht sein. Zuerst gehen wir zum alten Ksar (befestigtes Dorf), der auf einem kleinen Hügel liegt. Dieser, so erzählt mir Mohammed, wäre noch vor 8 Jahren bewohnt gewesen. Inzwischen ist es eine Mischung aus verfallener Ruine und teilweise renovierten Gebäuden. Vom Turm des alten Dorfs hat man einen sehr guten Überblick über die angrenzende Oase sowie das neue Assa.

111km, 582hm, 15-24°



21.11.2008
Assa, wolkenlos


Am Vorabend habe ich von einem Engländer GPS-Tracks und von einem Marokkaner GPS-Wegepunkte erhalten. Diese sollen mich zu den Felsengravuren führen.
Also geht es in südlicher Richtung nach Zag. Nachdem ich einige Oueds durchquert habe, komme ich in ein sehr schönes Tal. Passend wird nun auch die Streckenführung abwechselungsreicher. Auf gleichmäßig geschwungen, langgezogenen Kurven geht es durch das Tal. Immer wieder sehe ich Nomadenzelte und in deren Nähe die dazugehörenden Ziegenherden. In Assa habe ich erfahren, dass man nur wenige Kilometer Richtung Zag fahren könnte, dann käme das Militärsperrgebiet. Ein LKW-Fahrer, der am Straßenrand seine Radpanne behebt, erklärt mir, man könne nicht nur nach Zag, sondern sogar bis El-Mahbas, kurz vor der algerischen Grenze, fahren.

Soweit führt mein Weg nicht. Aber es wäre interessant gewesen, dies vor Reisebeginn zu wissen. So ist es anscheinend möglich von Smara (Westsahara) bis nach Assa auf einer Asphaltstraße zu fahren. Meine Informationen besagten, dass die Gegend von Zag und El-Mahbas absolutes Militärsperrgebiet seien.

Ach, was soll’s. Nach 40 km komme ich in die Nähe des ersten Wegepunktes. Also, die Straße verlassen, eine Piste gibt es auch nicht und so fahre ich querfeldein, oder besser quersteinwüsteein, in Richtung der Felsengravuren. Komme an den Rand vom Oued Draa, ab hier geht’s nur noch mit Schieben weiter. Kurz darauf erreiche ich eine Stelle mit einigen Gräbern, mitten im Nichts. Mein Navi zeigt noch ca. 800 m bis zum Wegepunkt, dazu muss ich jetzt allerdings durch das leere Flussbett. Dieses war anscheinend vor kurzem noch voll Wasser, daher ist der Untergrund nicht zum Rad fahren geeignet. Also Rucksack auf den Rücken und ab Marsch. Auf der anderen Seite kommen mir so langsam Zweifel, ob es hier überhaupt Felsengravuren geben kann. Kurz darauf Gewissheit, an diesem Punkt gibt es keine. Das Gleiche erlebe ich auch weiter südlich mit dem nächsten Wegepunkt, wieder keine Gravuren.

Zurück zur Straße und auch wieder zurück nach Assa.


95km, 662hm, 15-28°



22.11.2008
Assa, wolkenlos


Gravuren die Zweite.
Heute folge ich dem GPS-Track von John, dem Engländer aus London, und bin zuversichtlich. Diesmal geht es noch in Assa auf eine gut befahrbare Piste in die Sahara. Nach einigen Kilometern kommt mir ein Nomade entgegen, der sein Rad schiebt. Er meint, sein Ventil ist kaputt. Der Almani, also ich, denkt er hat schlicht einen Platten. Der Almani sollte sich täuschen, der Marokkaner hatte gleich 2 Löcher im Schlauch. Diese flicke ich bei 30° und damit es sich auch lohnt, mache ich auch seine Luftpumpe wieder gangbar. Manchmal kann ich richtig nett und hilfsbereit sein. Als Dank bekam ich neben einer gefühlten drei minütigen Umarmung noch einen Apfel und 5 Orangen, die er aus seiner Satteltasche herauskramte. Eigentlich wollte er uns einen Tee kochen, die Kanne und der Tee waren in der anderen Satteltasche. Da bin ich mit dem Obst doch besser weggekommen. Nach 17 km komme ich an die Ränder des Oued Draa und es geht steil bergab in ein sehr breites sandiges Flussbett. Vorbei an hunderten von Bienenstöcken geht’s auf die andere Seite. Abseits der Piste fahre ich dort wieder querfeldein und werde wieder nicht fündig.

Entweder verstehe ich etwas anderes unter Felsengravuren, brauche eine Brille oder man macht sich mit dem „Almani“ einen Spaß.

57km, 290hm, 13-30°



23.11.2008
Assa, wolkenlos, sehr stürmisch


Dritter und letzter Versuch.
Heute geht es in südwestlicher Richtung nach Aouinet-Torkoz. Dort soll es mit absoluter Sicherheit Felsengravuren geben. Heute hab ich keine Navigationsunterstützung, aber man versichert mir, dass in diesem Ort fast jeder Einwohner weiß, wo sich die Gravuren befinden.

Vor dem Hotel mache ich einen kleinen Windtest, ja das ist eher stürmisch. Gehe nochmal kurz ins Gebäude zurück, um auf die Karte zu schauen. Die Streckenführung müsste fast identisch mit dem Wind sein, also wird zumindest ein Versuch gestartet. Die ca. 400 m bis zum Kreisel sind bei dem starken Seitenwind mehr als unangenehm, aber dann geht die Post ab. Ohne zu treten, fahre ich über 30 km. Ich muss regelmäßig meine Trittfrequenz überprüfen, denn ich spule wie eine Nähmaschine vor mich hin. Am Anfang bin ich immer über 95, versuche mich aber einzubremsen. Wohlgemerkt bei knapp 50 km/h. Als ich nach 28 km einen Schnitt von 49,9 km/h erreiche, wird der Drehzahlbegrenzer abgeschaltet und ich spule vor mich hin. Liege ständig auf dem Triathlonlenker und nur beim Trinken wechsle ich die Position. Wobei der stürmische Rückenwind vor allem beim Trinken meine volle Konzentration beim einhändigen Fahren erfordert.

Nach 45,2 km (statt der 55 km lt. Karte) und 149 hm erreiche ich mit einem Schnitt von 49,0 km/h den kleinen Ort Torkoz. Die ersten vier Männer, die ich sehe, nicken wissend auf meine Frage nach Felsengravuren. Zwei zeigen nach Norden, einer nach Südwesten und einer nach Süden. Ich tendiere auch nach Südwesten, der „Südwestguide“ macht für 200 HD den Landrover seines Nachbarn startklar und wir starten mit einem weiteren Mann, der dazukam und ebenfalls nach Südwesten plädierte. Alles wird gut.

Um es kurz zu machen: Nichts wurde gut. Na gut, etwas wurde doch noch gut. Obwohl sich der Sturm bis zum Mittag etwas gelegt hatte, ließ ich mich im Landrover ins Hotel zurückfahren. Übrigens ohne Preisaufschlag.

46km, 149hm, 15-28°



24.11.2008
Assa


Nachdem ich am Vorabend im Hotel meine Rechnung bezahlt hatte, ging ich noch im Ort in das Internetcafé. Dort traf ich Mohammed, einen Sahauri. Ergebnis, er hat mich für heute zum Mittagessen bei seiner Familie eingeladen. Es soll eine Spezialität der Sahauris geben. Das ganze nennt sich, wenn ich es denn richtig verstanden habe „Boulghman“.
Es soll aus Kamelmilch, Fett vom Kamelhöcker, irgendwelchen Samen von Blumen etc. bestehen.

Zu der Einladung bin ich übrigens gekommen, weil Mohammed baff erstaunt war, dass ich als Deutscher schon was vom Westsaharakonflikt, dem Referendum und den Flüchtlingslagern in Smara und Tindouf (Algerien) gehört hatte.

Als Gastgeschenk hab ich mir im Lebensmittelladen Tee und Zucker einpacken lassen, der Ladenbesitzer, bei dem ich täglich meine Getränke hole, meint es würde reichen.

Wie erwartet war alles sehr einfach und mit meinen 1,84 m war ich für die Türen doch etwas zu lang. Versammelt waren neben Mohammed noch seine Eltern und seine Schwester. Der Vater konnte etwas französisch, die Schwester spanisch und mit der Mutter war eigentlich nur Lächeln angesagt. Ja und das Essen, also meine Leibspeise wird es nicht, ganz im Gegenteil. In Deutschland hätte ich danach mindestens einen fünffachen Fernet getrunken. Trotzdem habe ich die gesamte Zeremonie genossen.

Und wieder einmal kam auf dieser Reise, völlig unverhofft, der Sonnenuntergang. Morgen, also morgen will ich wirklich weiter. Schau‘n wir mal.

0km, Gefühlte Gewichtszunahme Keine



25.11.2008
Assa, 07:30h, 15°, wolkenlos, windig


Decke mich noch bei meinem Lebensmittelhändler mit Süßigkeiten und Getränken ein und starte Richtung Nordosten. Zuerst ist Fam El Hisn in 70 km Entfernung mein Ziel, danach soll es auf der N 12 nach Westen gehen. Obwohl die Straße fast immer in eine Richtung führt, wechseln sich Rücken-, Seiten- und Gegenwind ständig ab.
Die Landschaft hat wieder diesen typischen Wüstensteppencharakter. Links begleitet mich ständig ein Höhenzug und in der Ebene treten vermehrt halbkugelförmige Büsche auf. Die letzten 10 km vor Fam El Hisn werden zur Qual, extrem böiger Seitenwind macht die Fahrt nicht einfach und ich erreiche nur noch eine Geschwindigkeit von 8 bis 10 km.
Mit der Ortsdurchfahrt ändert sich das Blatt, obwohl immer noch stürmischer Wind von vorn, fahre ich plötzlich 35 bis 40 km. Der Grund ist simpel. Ein Militär-LKW hat mich überholt und im Windschatten trete ich, was die Beine hergeben. Der Fahrer hat über den Seitenspiegel ständigen Blickkontakt mit mir und so genieße ich das rasche Vorankommen. Als die Straße auf die N 12 trifft, fährt mein Schrittmacher leider Richtung Akka weiter.

Auf dieser N 12 würde ich nun bei starkem Gegenwind die nächsten 60 km fahren müssen, also mache ich in Icht erstmal eine Pause. Die Lust, mir ein Taxi zu nehmen keimt in mir. Als jedoch nach 20 Minuten das erste Fahrzeug überhaupt vorbei kommt, dies auch noch in entgegengesetzter Richtung, erscheint mir dies als unrealistisch. Der Wind wird immer stärker und der Cafébesitzer macht mir Hoffnung, als er mir sagt, der Bus nach Agadir müsste bald vorbeikommen. Es stellt sich jedoch heraus, dass dieses „bald“ in ca. 2-3 Stunden sein würde. Da nutze ich diese Zeit doch besser zum Weiterkommen. Den Buss kann ich dann immer noch nehmen.
Nun sollte ein mehrstündiges monotones Stampfen folgen. Wie zu befürchten war, bekam ich durch die Windgeräusche auch nicht mit, dass mich der Bus überholte. Als ich ihn sah, war es zu spät, mein Hinterherwinken blieb unbemerkt. Wenn ich mich recht erinnere, war die Landschaft schön, so eine Art Vorsaharasteppe, doch ich war zu sehr mit dem Rad fahren beschäftigt. Positiv aufgefallen ist mir hauptsächlich, dass die Straße nach Bou-Izakarn (N 12) wenig frequentiert war. Die zwei Möglichkeiten nach Norden abzuzweigen habe ich wegen dem zu erwartendem starken Seitenwind nicht wahrgenommen. Also weiter Richtung Amtoudi oder Tarhjijt, denn dort soll es ein Hotel geben. Will es irgendwie versuchen dort anzukommen, bei dem Wind stelle ich mir den Zeltaufbau nicht so einfach vor.

Gegen 18:00h komme ich dann wirklich in diesem Ort an. Gleich am Ortseingang steht auch das Hinweisschild zum Hotel. Geschafft. Denkste. Schlimmer geht immer.

Im Reiseführer (Verlag Rau, Edith Kohlbach, Marokko Mobil Reisen) steht:

Hotel Taregua, gleich zu Anfang schönes Hotel, das beste in einem weiten Gebiet und ein guter Ausgangspunkt für einen Ausflug nach Amtoudi


Da auf dem Schild Hotel Tarhjijt steht, fahre ich zuerst noch hoffnungsvoll an dem Gebäudekomplex vorbei. Unmittelbar danach frage ich in einer Schreinerei nach dem Hotel Taregua, man versichert mir, dass es das Hotel gleich am Ortseingang ist, es hätte nur seinen Namen geändert.
Mit jedem Meter, dem ich mich dem Hotel nähere, werde ich skeptischer. So sieht kein geöffnetes Hotel aus und tatsächlich, die Eingangstür ist verschlossen, auch ist in der Fensterscheibe ein großes Loch und alles ist dunkel. Stelle mein Rad ab und gehe zu Fuß auf die Suche nach einem windgeschützten Platz für das Zelt, dabei sehe ich eine offene Tür mit der Aufschrift Bar. Und dort kommt dann, wie sich herausstellt, der Chef des Hotels heraus. Er versichert mir, dass das Hotel geöffnet ist. Abendessen und Frühstück könne er jedoch nicht anbieten. Mir ist dies egal. Bin kaputt und will nur noch duschen und schlafen. Er holt, ohne Licht zu machen, einige Schlüssel und wir gehen in den Innenhof. Um es zu verkürzen, es ging wie folgt weiter:
1. Zimmer: Der Schlüssel passt nicht.
2. Zimmer: Zu seiner Überraschung liegen da zwei Männer im Bett.
3. Zimmer: Die Betten sind nicht gemacht und es sieht nach einer Abstellkammer aus.
4. Zimmer: Dieses hat kein Schloss, aber inzwischen ist mir alles egal.

Trage ich mein Gepäck in dieses Zimmer und will mir erstmal die Hände waschen. Plötzlich fliegt mir Sand ins Gesicht, der Grund ist einfach, eine Fensterscheibe fehlt.

Packtaschen wieder ans Rad und kommentarlos raus aus diesem Schuppen.

Inzwischen ist es schon dunkel, aber ich hab Glück. Einen Taxifahrer erwische ich gerade noch und es geht nach Amtoudi per Auto. Gleich am Ortseingang ist ein Hotel/Campingplatz, der Besitzer kommt sofort heraus und begrüßt mich. Ich ahne schon, dass ich der einzige Gast bin. Das Hotel ist auch eher eine Auberge, das Zimmer (100 DH) nicht beheizt und die Toiletten und Duschen sind über den Innenhof zu erreichen, aber das ganze Anwesen macht einen gepflegten Eindruck. Inzwischen sind es knapp 10° (im Zimmer 15°) und da sich die Tür zum Waschraum nicht verschließen lässt, ist es dort etwas frisch. Daher nur eine Katzenwäsche. Schade.

Als ich in den ebenfalls unbeheizten Essbereich komme, hat der Besitzer mir aber schon ein Berberomelett zubereitet und da es keinen offenen Wein gibt, muss ich halt eine ganze Flasche trinken. Bei den Zimmertemperaturen wird daher zumindest das Einschlafen leicht gelingen.

142,4km, 1193hm, 15-24°



26.11.2008
Amtoudi, windig und bewölkt, 9°


Den Gedanken, mir die Speicherburg anzuschauen und dann nach Tafraoute zu fahren, verwerfe ich beim ersten Blick auf die Burg. Nee, die sollte man schon mit einem Führer besichtigen. Der Besitzer kümmert sich um einen Führer, dieser ist auch 15 Minuten später in der Auberge und bei 75 DH hab ich auch nicht lange überlegt. Hamed geht zügig voran, wobei er immer mal wieder stoppt, um kurze Erklärungen zu geben. So erfahre ich, was in den umlliegenden Gärten alles angebaut wird.
Je näher wir der Speicherburg Id Aissa Kasbah kommen, um so mehr zieht sie mich in ihren Bann. Diese älteste Speicherburg Marokkos thront über Amtoudi und den Schluchten der Umgebung. Der absolute Höhepunkt dieser Marokkoreise. Die Bewohner der Umgebung brachten ihre Habseligkeiten auf die Burg und flüchteten hierher, wenn ihr Land überfallen wurde.
Nach nur 25 Minuten haben wir die 200 hm überwunden und er zeigt mir stolz die beiden alten Schlüssel, die man benötigt, um in die Speicherburg zu gelangen. Die Anlage ist gut erhalten und ich hätte nicht erwartet, dass die Führung von Hamed so ausführlich werden würde. Allein die Vorführung, wie der Schlossmechanismus funktioniert, war ihr Geld wert. In einem kleinen Museumsraum erklärt er geduldig alle Gegenstände aus dem Haushalt, der Koranschule und der Waffentechnik.

Gegen Ende hüpft er fast im Dreieck, als er von mir 100 statt 75 DH erhält. Zum Abschied wünscht er mir, dass: Allah mich auf meiner Tour, in Marokko und auch in Deutschland beschützen soll. Danke!

Nach dem Mittagsschläfchen hab ich noch den Ort erkundet und bin zur zweiten Speicherburg gelaufen, welche jedoch bei weitem nicht so spektakulär ist. Danach noch den Reisebericht aktualisiert. Ein gelungener Pausentag, wenn auch bei max. 13° recht frisch.



27.11.2008
Amtoudi, windig und bewölkt, 5°


Heute starte ich gleich mit einem Plan A + B. Zuerst soll mich eine Piste ca. 30 km nach Norden in Richtung Tafraoute führen. Dort mündet die Piste in eine Straße und dann darf mein Bauch entscheiden, wie es weitergeht.
Rechts = 50-60 km nach Tafraoute oder links = 75 km über den Col Kerdous nach Tiznit

Verlasse Amtoudi in südlicher Richtung, um nach knapp 4 km den Pisteneinstieg zu erreichen. Diese ist gut befahrbar, wenn da dieser heftige Gegenwind nicht wäre. Fahre zunächst durch ein breites landwirtschaftlich genutztes Tal. Dieses wird bald enger und dann kommen auch schon die ersten Höhenmeter des Tages. Ein kurzes steiles Stück bietet als Belohnung einen beindruckenden Blick in die Schlucht, durch die ich jetzt die nächste Zeit fahren werde.

Gleich am Eingang thront majestätisch ein schroffer Berg. Es kommt bei mir richtig Freude auf, dass ich diese Piste gewählt habe. Und die Schlucht bleibt auch weiterhin ein richtiger Hingucker. Mal sind die mich auf jeder Seite begleitenden Berge geschwungen, mal schroff oder bizarr. Im Tal schlängelt sich die Piste abwechselnd rechts und links neben einem ausgetrockneten Flussbett. An diesem Flussbett gibt es immer wieder kleine grüne Oasen, die wiederum einen schönen Kontrast zu den gelb- und rötlichfarbenden Bergen bilden.
Und als i-Tüpfelchen erzeugt der eigentlich störende Gegenwind durch die rasend vorbeiziehenden Wolken ein tolles Spiel von Licht und Schatten.
Bei strahlend blauem Himmel bekomme ich die ersten Regentropfen ab, der Wind wird stärker und unnötigerweise wird auch die Piste immer steiler. Fahre an einer tollen Speicherburg vorbei, mach noch ein Foto von einem Regenbogen und sogleich ist Schluss mit fotografieren.
Bei 5°, Regen und heftigem Wind mache ich schon relativ früh am Tag die erste längere Pause.

Weiter geht’s und nach ca. 20 km erreiche ich eine Hochebene (1400m). Der Wind wird noch kräftiger und inzwischen sind es nur noch 3°. Immerhin kann ich jetzt dunkle Wolken erkennen, die den Regen erklären. Die Piste ist nun nicht mehr so anspruchsvoll und ich komme durch zwei kleine Dörfer, Kinder laufen neben mir her und feuern mich an und nach 30 km mündet die Piste in eine Asphaltstraße. Jetzt muss ich meine Rainlegs und Regengarmaschen anziehen. Aus dem Regen wird Hagel und obwohl ich die Wegekreuzung noch nicht erreicht habe, steht mein Entschluss fest, es geht in Richtung Tiznit. Auch dieses Jahr werde ich Tafraoute nicht erreichen.
Nach knapp 60 km erreiche ich Jemaa Ida Oussemlal und fahre direkt in eine Halle der dortigen Tankstelle. Bei der Fahrt durch diesen Ort hatte sich soviel Wasser in den Spurrillen und Pfützen gesammelt, dass es mir einfach zu riskant war, weiterzufahren.
Immerhin gab es in der Tankstelle auch ein Café, wenn auch nicht beheizt. Irgendwann hab ich mir dann eingebildet, der Regen würde nachlassen und bin wieder gestartet. Meine Handschuhe waren durchgeweicht und die darüber gezogenen Armlinge halfen auch nicht lange. Bis zum Col de Kerdous und dem dortigen Hotel werde ich es noch irgendwie schaffen. Dort treffe ich mit einem Schnitt von 12,1 km/h ! ein.
Die Frage nach einem Zimmer mit Badewanne wird positiv beantwortet und keine 20 Minuten später liege ich in der Wanne.

Beim Abendessen treffe ich noch ein niederländisches Ehepaar, das ebenfalls mit dem Rad unterwegs ist. Sie waren in Marrakesch gestartet und über Taroudant, Sidi Ifni und Tiznit gekommen. Bis zum Einschlafen regnet es ununterbrochen weiter.

70,1km, 1226hm, 3-5°


28.11.2008
Col de Kerdous, wolkenlos 9°


Im Restaurant genieße ich nicht nur das reichliche Frühstück, sondern auch das wunderschöne Panorama.
Heute kann ich es locker angehen lassen. Mein Ziel Tiznit, das ich gestern nicht erreicht habe, ist nur noch 55 km entfernt und die ersten Kilometer geht es nur bergab.

Nach 10 km kann ich schon die Jacke und Beinlinge ausziehen, es sind angenehme 17° und wenig später erreicht das Thermometer sogar 24°. Während der Abfahrt konnte ich schon feststellen, dass an den Hängen auf unzähligen Terrasen der Boden landwirtschaftlich genutzt wird.

Die letzten 15 km bis Tiznit geben landschaftlich nicht mehr viel her. Einen Kilometer vor dem Ortsschild ist mir dann noch der Zug vom Umwerfer gerissen. Bis zum Hotel waren es aber nur noch max. 3 km und das auch noch mit leichtem Gefälle. Glück muss man haben.

Zur Mittagszeit bin ich wieder im Hotel Tiznit und am Nachmittag und Abend genieße ich wieder das Leben dieser Stadt. Mir wird klar, dass ich dieses orientalische Treiben nicht mehr lange erleben kann und so setze ich mich noch mal gemütlich ins Café, um diesen Flair einzusaugen.

55,5km, 223hm, 9-24°



29.11.2008
Tiznit, leicht bewölkt


Heute steht nach dem Frühstück und Klamottenwaschen der komplette Tag für Stadtbummel zur Verfügung.
Da mir die Einstellung des Umwerfers nicht recht von der Hand geht (kleines und mittleres Blatt funktionierten, das große nur ab und an), und ich ja orientalischen Flair schnuppern will, fahre ich kurzerhand in die Stadt. Ich steuere ins Viertel der Mofa- und Radläden. Die ersten sind ob der Technik überfordert. Beim Dritten habe ich Glück. Er muss noch ein Moped reparieren und danach hat er Zeit. Ich nutze diese zum ausführlichen Besuch eines Internetcafés. Als ich zurückkomme, ist mein Rad komplett geputzt, die Kette geölt und es funktioniert auch wieder alles. Dafür will er 30 DH (2,55€). Nach einer kurzen Testfahrt gebe ich ihm dann 40 DH.

So, aber jetzt kamen wirklich nur noch Schauen, Hören und Riechen.

Im Hotel plane ich noch die letzte Etappe nach Ait Melloul. Diese soll am Stausee Youssef-ben-Tachfine vorbei und von dort über kleine Straße nach Biougra und dann nach Ait Melloul führen.


Pausentag



30.11.2008
Tiznit, regnerisch 15°


Pünktlich zum Frühstück setzt starker Regen ein. Das Frühstück wird daher von mir in die Länge gezogen. Der Regen lässt auch etwas nach, aber für den Abstecher über den Stausee hab ich bei so einem Wetter keine Lust und noch weniger Spaß würde eine Fahrt auf der Hauptstraße machen.

Von meinem Fensterplatz im 1. Stock des Hotels habe ich eine gute Sicht Richtung Westen und die Wolken, die von dort kommen, verheißen nichts Gutes. Auch hab ich einen guten Blick auf den gegenüberliegenden Platz mit den Sammeltaxis und diese stehen zahlreich dort herum. Anscheinend ist Sonntagsmorgens nicht soviel los. Also mal schnell rüber. Der erste will 200 DH für die knapp 80 km. Mit dem zweiten einige ich mich auf 150 DH und er versichert mir, mich in einer Stunde im Hotel abzuholen. Zu meiner Überraschung muss er zweimal nachfragen, wo genau das Hotel Tiznit ist. Seine Fahrgäste stehen halt in der Regel am Straßenrand.

Wie ich erwartet hatte, kam das Taxi pünktlich. Zu meiner Erleichterung zählte er zu den defensiven Fahrern, nur das mit dem Sicherheitsabstand haben wohl alle Marokkaner nicht drauf. Im Hotel Joubir erhalte ich noch vor dem Zimmerschlüssel mein Verpackungsmaterial fürs Rad und einen Begrüßungstee.

Nachmittags gehe ich in die Stadt und siehe da, durch den Regen sind die Straßen und Gassen verschmutzt, man riecht überall das Abwasser. Ja, heute war es wirklich eine geschäftige und hässliche Industriestadt.


0km, gefühlte Gewichtszunahme Keine


01.12.2008
Ait Meloull, leicht bewölkt 15°


Zwei Tage nicht mit dem Rad gefahren, es reicht. Also zumindest eine kleine Ausfahrt sollte heute drin sein. Es geht durch ein großes Industriegebiet begleitet von starkem Verkehr mit den dazugehörenden Abgasen Richtung Biougra. Eigentlich wollte ich bis Ait Baha fahren, doch daraus wird nichts. Fahre erstmal auf einer kleinen Straße nach Westen und dann auf einer noch kleineren Straße wieder nach Biougra. Auf dieser Straße erlebe ich auch die ersten richtigen Sandverwehungen auf dieser Tour.

Den Rest vom Tag wird wieder gefaulenzt, das Rad verpackt und alles für den Abflug vorbereitet. Der Wehmut von Tiznit ist verflogen und ich freue mich auf Deutschland.

84,5km, 410hm, 15-22°



02.12.2008
Ait Meloull, wolkenlos 15°



Mein Abflug ist um 11:15h, also kann ich gemütlich Frühstücken, der am Vorabend informierte Taxifahrer sitzt auch schon im Café, und so klingt der Urlaub in Marokko ganz locker aus.

Ach ja, da war ja noch die Passkontrolle vor dem Abflug.

Im Flughafen wollte ich mich noch kurz mit einem Mitglied aus dem Rad-Forum treffen. Da die Satteltasche von Christian (dcjf) beim Transport beschädigt wurde, dauerte es bei ihm etwas länger und wir haben uns verpasst. In der Zwischenzeit wurde mein Flug aufgerufen. Bei der Passkontrolle war großer Anlauf und bis ich an der Reihe war, wurde ich inzwischen schon namentlich aufgerufen. Um gleich mal positiv aufzufallen, hab ich den Zollbeamten auf Arabisch begrüßt und ihm danach mitgeteilt, dass ich derjenige bin, der gerade ausgerufen wurde. Er lächelte und sagte, dass dies kein Problem sei. Bei dem Ausreiseformular hatte ich den Aufenthaltsort/Hotel nicht ausgefüllt. Schnell erklärte ich ihm, dass ich mit dem Rad eine Rundreise gemacht habe und keinen festen Standort gehabt hätte. Er könne ja mein letztes Hotel eintragen. Die Worte Fahrrad und Rundreise waren dann der Auslöser zu einem netten und etwas längeren Gespräch über den genauen Reiseverlauf. In der Folgezeit wurde ich noch zweimal aufgerufen und dann gingen sogar zwei Männer vom Bodenpersonal durch die Reihen und suchten mich. Der nette Zöllner erklärte ihnen, dass es noch 5 Minuten dauern würde. Da man nun wusste, wo ich bin wurde ich ganz locker.
Das Folgende werde ich wohl nie mehr wieder erleben. Zuerst bekam ich vom Zöllner ein Glas Tee. Da er in seinem PC sah, dass ich schon 2006 für 3 Wochen in Marokko war, wollte er wissen, ob ich damals auch mit dem Rad auf Tour gewesen wäre. Also zählte ich noch schnell die Städte der letzten Reise auf und bekam meinen Stempel. Daraufhin stand er in seinem Glaskasten auf, kam heraus und verabschiedete mich per Handschlag. Dann hat er noch einen Soldaten beauftragt, mich schnellst möglich zum Flugzeug zu bringen. Dass mein Handgepäck dadurch nicht durchleuchtet wurde, war mir auch recht. Kaum bin ich durch die Flugzeugtür gegangen, hörte ich über den Lautsprecher: „boarding completed“.




Da ich dieses Mal keine feste Route geplant hatte, war ich auch nie richtig unterwegs. Oder mit anderen Worten, ich bin nie von irgendeinem Ziel getrieben worden. Mein Zelt habe ich spazieren gefahren, aber man war halt für den Fall der Fälle vorbereitet gewesen.

Nochmal Marokko? Da bin ich mir nicht sicher, vielleicht mal ohne Rad. Inshallah.



MENSCHEN:
Aufgefallen ist mir, dass im Süden kaum bettelnde Kinder anzutreffen sind. Auch waren die Menschen hier etwas zurückhaltender, aber immer nett und hilfsbereit.

UMWELT:
Verständlicherweise haben die Marokkaner andere Probleme und einen anderen Blickwinkel, aber die wilden Müllkippen überall fallen schon negativ auf. Der über die eigene Mauer geworfene Müll gilt als entsorgt.

SERVICE:
Immer wieder amüsant ist das Personal in den Unterkünften.
Meistens hätte folgende Formulierung aus dem Bereich der Arbeitszeugnisse zugetroffen:

Er hat sich stets bemüht, die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen.
Oder:
Er machte sich mit großem Eifer an die ihm übertragenen Aufgaben heran.

Aber ihr Lächeln und der ersichtliche Wille machen es erträglich.

VERPFLEGUNG:
Auch auf dieser Tour hatte ich nur gute Erfahrungen gemacht. Soviel Gemüse und Obst esse ich in Deutschland nicht. Ok, irgendwann hat man genug von der Tajine.

Geändert von Pfälzer (09.02.09 03:13)
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#498610 - 09.02.09 18:22 Re: Marokko 2008, von Agadir in den Süden [Re: Pfälzer]
HyS
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Beiträge: 14.163
Hallo Pfälzer,
schöner Bericht.
Glückwunsch, hast du dich also wieder überwinden können jeden (bzw. fast jeden) Tag zu packen. grins
Lohnt sich doch oder?
*****************
Freundliche Grüße
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#498615 - 09.02.09 18:52 Re: Marokko 2008, von Agadir in den Süden [Re: Pfälzer]
buche
Mitglied
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Beiträge: 1.886
Hallo Werner,

und ich dachte, du schreibst keine Reiseberichte? erstaunt
Schön, dass du es doch angegangen hast -- und sehr lesenswert ist er auch geworden! party
Mich beeindrucken die Angaben zur "gefühlten Gewichtszunahme" grins

Mit freundlichen Grüßen, Erik
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#498639 - 09.02.09 19:50 Re: Marokko 2008, von Agadir in den Süden [Re: Pfälzer]
veloträumer
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Beiträge: 17.389
In Antwort auf: Pfälzer
17.11.2008
Abaynou, „Faul, bei 22-28°“


Klamotten waschen, trinken, Musik hören, Essen, spazieren gehen und plötzlich geht die Sonne unter.

0km, Gefühlte Gewichtszunahme 4 kg

Fast tragisch, diese Urlaubstage - nicht wahr? lach

Amüsante Lektüre mit einem Hauch an orientalischer Mystik.
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen
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#498703 - 10.02.09 07:54 Re: Marokko 2008, von Agadir in den Süden [Re: Pfälzer]
José María
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Beiträge: 5.451
Buenos Dias Werner

Ein sehr schön zu lesende Reisebericht.

Muchos Saludos de los dos schmunzel

Geändert von José Maria (10.02.09 07:55)
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#500437 - 16.02.09 16:41 Re: Marokko 2008, von Agadir in den Süden [Re: Pfälzer]
Jan
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Beiträge: 2.398
Hallo Werner,
nun habe ich es auch endlich geschafft den Bericht zu lesen. Vielen Dank dafür, sehr kurzweilig.
Im Hotel Joubal war ich Ende meiner Reise 2007 auch, im strömenden Regen, ich habe dort einen sehr netten Zollbeamten kennen gelernt, der mich am nächsten Tag abgefertigt hat, nachdem wir zusammen eine Partie Schach gespielt haben.

Vielleicht war "er " das. träller

Viele Grüße
Jan
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