39. Tag
Wir schlafen gründlich aus und erreichen gerade noch um 12 Uhr die Innenstadt, um am täglichen Pilgergottesdienst teilzunehmen. Die Kathedrale ist bis in den letzten Winkel voller Menschen. Wir treffen wieder viele Bekannte. In den Seitenschiffen hängen Großbildschirme, um die Messe zu übertragen. Die Rucksäcke stapeln sich. Die meisten Pilger sehen so aus, als wären sie im Moment angekommen. Wahrscheinlich sind sie das auch. Es herrscht eine ausgelassene freudige Stimmung.
An einen Sitzplatz ist gar nicht zu denken. Wir schaffen es aber, einen Stehplatz zu finden, der einen Blick auf den Altar erlaubt. Über dem Altar sieht man die goldene Statue des Jakobus. Da es zum Pilgern gehört, ihn zu umarmen, sieht man in kurzem Takt die sich von hinten durchstreckenden Arme der Leute, die sich endlich dorthin durchgewartet haben.
Höhepunkt des Gottesdiensts ist das Schwenken des Botafumeiro. Eines riesigen Weihrauchkübels. Er schwingt durch die Seitenschiffe 30 m hoch. Sechs Mönche hängen unten dran und halten ihn in Bewegung. Alles fotografiert. Am besten sieht man das übrigens vom Querschiff aus. Guckt man aus dem Hauptschiff, sieht man ihn nur vorbeisausen. Die Begeisterung der Menschen hat jetzt ihren Höhepunkt erreicht. Sie sind kaum noch zu bremsen. Aber um das doch noch hinzukriegen, gibt es eine Nonne am Mikrofon, die laut Silencio ruft und die Freude niederzischt. So verlassen alle geordnet die Kathedrale.
Wir durch das Nordportal. Dort treffen wir auf ein hochgehaltenes Schild, auf dem „Deutsche Gesprächsrunde“ oder so ähnlich steht. Ein pastorales Projekt des Bistums Stuttgart-Rottenburg. Wir gehen mit und landen in einem Stuhlkreis, wo das übliche Gespräch über das „woher, wo lang und warum“ geführt wird. Das ist immer wieder interessant.
Speziell auch gruppendynamisch. Wir treffen diesmal u.a. auf drei Teilnehmer einer Vierer-Fahrrad-Männer-Gruppe. Der erste berichtet, er habe auf dieser Fahrt gelernt, seine eigene Meinung und seine eigenen Interessen zurückzustellen. Es gehe auch, wenn man einfach mal mitmacht und sich selber zurücknimmt. Der zweite erzählt, dass man andere keineswegs so nehmen müsse, wie sie sind, sondern ihnen auch deutlich die Meinung sagen müsse. Ohne Rücksicht auf Verluste. Der Bericht des dritten entspricht dem ersten. Und der Vierte? Ist zwar in Santiago. Guckt seine Reisegenossen aber nicht einmal mehr mit dem Hintern an. Die Tour können wir uns lebhaft vorstellen.
Wir werden noch zu einem „spirituellen Rundgang“ und einem deutschen Gottesdienst eingeladen, bevor es uns wieder auf Touri-Pfade verschlägt.
Auch sonst gibt es viel zu sehen. Schön auch die belebten Altstadtgassen. Santiago swingt. Überall fröhliche Menschen und Musik an allen Ecken. Wir klappern die Fahrrad-Transporteure und Kartonläden ab. Langsam sinkt der Preis.
Aber im Grunde ist dies unser Santiago-Tag. Wir gehen gemütlich essen. Sitzen in Cafes. Amüsieren uns in den Andenkenläden. Heimflug und Leihwagen haben wir vor ein paar Tagen schon im Internet gebucht. Der Autoverleih war telefonisch der Meinung, unsere Räder könnten dort so lange stehen bleiben.
Es regnet weiter wie aus Eimern. So bin ich froh, nicht mit dem Fahrrad nach Finisterre zu müssen. Durch die grünen Hügel Galiciens. Über unglaublich viele Höhenmeter. Es tut gut, sich mal auszuruhen.