Kirgistan 2012 - Teil 1Nachdem wir einen Reisevortrag über Kirgistan gesehen und die Bilder nicht mehr aus dem Kopf bekommen hatten, haben wir 2012 dann eine 4-wöchige Tour durch Kirgistan gestartet. Da wir der zu erwartenden hochsommerlichen Hitze entgehen wollten, planten wir unsere Reise für Juni, zeitig genug, um es nicht zu warm zu haben, aber auch spät genug, um über die Pässe kommen zu können.
Los ging’s Anfang Juni am angeblich letzten Betriebstag vom Flughafen Berlin-Tegel (aber das ist eine andere Geschichte....)
Da unser ursprünglich gebuchtes Hostel in Bishkek sehr kurzfristig unsere Buchung aufgrund „technischer Probleme“ storniert hatte, hatten wir über Uwee die Empfehlung für die Unterbringung bei Familie Azamov bekommen. Ein - wie sich noch herausstellen sollte - wirklicher Top-Tipp.
Wir landen in Bishkek um 2:30 am Morgen und werden dort bereits von Frau Azamov erwartet. Wir haben zunächst 1-2 Nächte in Bishkek geplant, um uns erst mal auszuschlafen, einzukaufen und uns um das Permit für die Chinesische Grenzregion zu kümmern.
Das Zimmer in unserer Unterkunft ist prima, das Essen üppig und die Versorgung und der Kontakt mit der Familie wirklich nett. Für den ersten Tag bieten uns unsere Gastgeber zum Eingewöhnen einen Wanderausflug in den Ala Archa Nationalpark an.
Eine schöne Tour die uns zum Einen auf die tolle Bergwelt einstimmt, auf der sich zum Anderen aber auch zeigt, dass das Objektiv der Kamera den Flug leider nicht schadlos überstanden hat und ersetzt werden muss. So gehen wir am nächsten Tag die verschiedenen Besorgungen in der Stadt an. Ein Objektiv ist schnell gefunden, etwas schwieriger gestaltet sich die Beantragung des Permits. Auf den verschiedenen Ämtern und Reisebüros, die wir abklappern ist man sich sowohl über die Notwendigkeit, als auch über die Bearbeitungszeit uneinig. Nach langem hin und her fahren wir mit unserer Gastgeberin zum zuständigen Ministerium. Ja, das Permit sei erforderlich und wir müssten mit einer Mindestbearbeitungszeit von 10, realistischer 15 Werktagen rechnen. Wir überlegen ein bisschen hin und her und entscheiden uns dann gegen das Ak-Say Tal weil wir keine Lust haben, ständig den Zeitplan im Hinterkopf haben zu müssen. Zurück bei unseren Gastgebern entdeckt Bernd in der Garage noch ein rostiges Kinderrad – der Nachmittag ist gerettet, es gibt was zu schrauben!
Am nächsten Morgen dann geht’s endlich los.
Auf dem Weg aus Bishkek raus gibt es recht viel Verkehr und es dauert einige Kilometer bis es sich etwas entspannt. Nach wenigen Kilometern treffen wir auf die ersten (und auf dieser Reise einzigen) anderen Reiseradler – an den Taschen eindeutig als Deutsche identifizierbar. Wir tauschen ein paar Worte und folgen dann der Ausfallstraße weiter nach Osten. Auf dieser Straße reihen sich immer wieder kleine Orte aneinander, es gibt immer wieder Gelegenheit einzukaufen oder an einem Imbiss Pause zu machen.
Unangenehm wird die Straße noch mal als sie sich hinter Kemin nach Süden in die Berge schlängelt. Hier reiht sich eine Baustelle an die andere, der Belag ist loser Schotter und der Verkehr dicht und wir sind froh, als wir diese Etappe hinter uns haben.
Die Nacht verbringen wir am Flussufer in einem Wäldchen hinter dem Bahndamm mit dem einzigen Schreckmoment der ganzen Reise als wir nachts ganz in der Nähe den Streit mehrerer offensichtlich sehr angetrunkener und sehr aggressiver Kirgisen mitbekommen. Irgendwann verschwinden sie aber ohne uns zu entdecken und der Rest der Nacht bleibt ruhig.
Am nächsten Tag rollen wir nach Balykchy ein. Ein kleiner Ort den wir als Versorgungsstopp nutzen bevor wir nach Süden entlang des Ufers des Issyk kul weiterfahren.
Hier beginnt die Landschaft nun langsam spektakulär zu werden. Die Besiedelung nimmt deutlich ab, der Verkehr ist quasi gleich null.
Wir rollen auf einer herrlichen Allee südlich des Sees durchs Nirgendwo, als Bernd wenige Meter vor mir plötzlich absteigt und sein Rad wütend in den Graben fallen lässt. Was ist nun los? Grad fing es an richtig schön zu werden, da hat sich sein Freilauf verabschiedet. Nichts geht mehr. Etwas ratlos stehen wir am Straßenrand, eine Hirtin bietet uns ihr Handy zur Nutzung an, allerdings gibt es hier keinen Empfang. Wie aus dem Nichts spaziert da ein offensichtlicher Tourist mit Sonnenhut und Tagesrucksack an uns vorbei. Er ist Engländer und Teilnehmer einer Bustour, die nur 4 km entfernt am See ihr Lager aufgeschlagen haben. Am Bus gebe es sowohl einen Mechaniker als auch einen einheimischen Guide und eine Menge Werkzeug. Wir sollten doch einfach dahin kommen. Wir schieben weiter und auf dem Weg setzt Bernd per Handy noch Notrufe an diverse Forumsmitglieder ab, um Versandmöglichkeiten für Ersatzteile und Explosionszeichnungen abzufragen. Am Bus angekommen treffen wir auf einen bunten Haufen von Leuten, die mit
Dragoman unterwegs sind, einem Unternehmen das mit Off-road Bussen durch die ganze Welt fährt. Die Teilnehmer waren zwischen 2 Wochen und einem Jahr bereits mit dem Bus unterwegs. Die Montageaktion mit dem sehr engagierten Mechaniker der Gruppe bleibt aber leider erfolglos. 2 der 3 Sperrklinken waren gebrochen und entsprechende Ersatzteile haben wir nicht dabei.
Als kleine Entschädigung gibt es für uns eine Einladung zum Abendessen und das Angebot am nächsten Morgen mit dem Bus mit nach Balykchy zu fahren, um von dort nach Bishkek zurückzukehren.
Wir kündigen uns also wieder bei Familie Azamov an, steigen in Balykchy in einen Kleinbus und sind am Mittag wieder in Bishkek. Frau Azamov fährt mit uns sämtliche (2) Fahrradläden der Stadt ab. Der dritte ist zwar laut Forumstipps und einheimischen Guide eine echte Empfehlung, aber telefonisch nicht erreichbar und die Adresse allen angesprochenen Bewohnern Bishkeks unbekannt. Im 2. Laden werden wir aber auch fündig, es gibt eine passende Nabe. Am Abend speicht Bernd das Laufrad um und am nächsten Tag sind wir wieder startbereit. Da wir uns den ersten Abschnitt nicht noch mal fahren wollen, nehmen wir wieder einen Kleinbus zurück zum See. Untere Räder reisen im Gepäckraum mit Möbeln, Mörtel, toten Hühnern und - ab Balykchy - den Kindern des Fahrers.
Wir erreichen den Lagerplatz am See, den wir am Tag vorher verlassen haben gegen Abend und schlagen wieder unser Zelt auf.
Die weitere Fahrt ist herrlich. Die Landschaft ist beeindruckend und wir genießen den Ausblick auf den See und die Berge:
Nach einigen Kilometern biegen wir links von der Hauptstraße ab zu einem Salzsee. Eine Entscheidung, die wir nicht bereuen. Es geht zunächst auf Piste, später auf Eselpfaden am See entlang. Zwar kostet uns dieser kurze Abstecher einen kompletten Tag, aber die Landschaft ist so fantastisch, dass wir diesen Abschnitt bis heute als eines der Highlights der ganzen Tour sehen.
In der Nacht hat es in den Bergen geschneit. Die Kulisse ist spektakulär:
Am nächsten Tag treffen wir bei Bokonbayevo wieder auf die Straße. Zeit für einen kleinen Einkauf. Es gibt Geburtstagskuchen für Bernd, den wir wenig später am Seeufer verzehren. Gefolgt von der Einladung einer russischen Familie zum Wodka-Umtrunk.
Am Seeufer treffen wir immer wieder auf verlassene, brachliegende Ferienanlagen.
Bei Barskoon biegen wir auf die Bergstraße in Richtung der Kumtor Goldmine ab. Bernd liefert sich noch ein Rennen mit den Kindern des Ortes auf Pony und Esel. Erst als der Esel sich auf den Boden wirft und den Sport verweigert geben die Kinder auf.
Die Nacht verbringen wir auf der Weide eines Bauern und am nächsten Morgen geht es dann los Richtung Barskoon-Pass. Vor uns liegen knapp 2000 Höhenmeter verteilt auf etwa 45 km. Langsam kurbeln wir uns voran aber schon nach wenigen Kilometern hält uns ein Jeep an. Der Fahrer ist Jürgen aus Deutschland, der nun das 10. Jahr in Folge Kirgistan bereist. Er hat eine beachtliche Fotoausrüstung im Gepäck und picknicken zusammen am Straßenrand. Zum Abschied bekommen wir noch ein Brot und eine große Flasche Cola geschenkt – Danke noch mal dafür, die hat uns echt den Berg hochgeholfen!
Die Straße ist sehr gut zu fahren und auch die immer wieder passierenden LKW Konvois sind gut zu ertragen. So spulen wir uns langsam aber stetig immer weiter den Berg hoch.
Je höher wir kommen desto schlechter wird das Wetter. Es zieht sich zu und fängt an zu regnen, da macht die Auffahrt gleich doppelt Spaß.
Die letzten Serpentinen ziehen sich wie Kaugummi. Die Höhe macht sich jetzt deutlich bemerkbar und wir kommen nur noch häppchenweise voran.
Dafür gibt’s dann oben angekommen auch ein „Pass-Foto“ mit Kirgisem:
Wir schlagen das Zelt gleich auf der Hochebene auf, wieder mal vor toller Kulisse.
An der nächsten Kreuzung verlassen wir die „Hauptstraße“ und biegen auf eine Piste nach Westen in Richtung Birkhan Tal ab. Da die Schneeschmelze noch nicht lange zurückliegt, ist der Boden noch sehr aufgeweicht und das Vorankommen recht mühsam.
Nach einer Schneewehe sind wir sicher, dass ab hier in diesem Jahr noch kein Auto unterwegs war.
Hinter einer Kurve haben wir dann den Blick in das vor uns liegende Tal. Dort ist der Untergrund wieder besser befahrbar und die Ausblicke grandios. Dieser Abschnitt ist zweifellos das Highlight Nummer 2 der Tour.
Am nächsten Morgen ist alles leicht bepudert, aber sobald die Sonne es über die Berge geschafft hat, wird es wieder sonnig und wärmer.
Wir folgen weiter dem Tal und treffen ab später am Tag auf erste Jurten. Wir sind unsicher ob und wo wir den Fluß queren müssen, da auf Papierkarte und OSM Karte unterschiedliche Querungsmöglichkeiten eingezeichnet sind. Wir furten den Fluss schließlich mühsam an einer sehr breiten, flachen Stelle – hätten aber am nächsten Tag auch bequem die auf der OSM Karte verzeichnete Brücke nutzen können.
Je weiter sich das Tal öffnet, desto zahlreicher werden die Tierherden.
Als wir unser Nachtlager aufgeschlagen, merken wir gar nicht, dass gleich hinter dem nächsten Hügel eine Jurte ist. Wir dagegen werden natürlich sehr wohl bemerkt und gleich zum Abendessen eingeladen. Das kommt uns ehrlicherweise gelegen. Da wir durch den schweren Untergrund für die Strecke bisher länger als geplant benötigt haben, sind unsere Vorräte langsam begrenzt. Mit unsern rudimentären Sprachkenntnissen können wir uns immerhin soweit austauschen um zu verstehen, dass die Bauern zu Sowjet-Zeiten in als Soldaten in Potsdam und Leipzig stationiert waren. Klein ist die Welt.
Meine Klingel fällt allerdings einer nächtlichen Lutschaktion der Kühe zum Opfer...
Kaum sind wir am nächsten Tag aufgebrochen, werden wir an der nächsten Jurte herangewunken. Eine junge Familie bittet zum Frühstück und amüsiert sich köstlich über die Fotos der Kirgisen in unserem Reiseführer.
Von hier aus weitet sich das Tal immer mehr. Die Fahrspur ist jetzt gut befahrbar und wir kommen wieder flotter voran.
Über eine kleine Hochebene kommen wir zum Flusstal des Naryn, dem wir weiter folgen.
Hier passieren wir jetzt auch wieder erste kleinere Siedlungen. Der Weg erinnert und von der Wegführung entfernt an den Saale-Radweg. In stetigem Auf und Ab geht es entlang der Steilhänge – mal auf der linken, mal auf der rechten Flussseite.
Im ersten größeren Dorf entern wir den Laden um unsere Vorräte aufzustocken. Leider beschränkt sich das Angebot auf Bier, Wasser, Kekse und Bonbons – also kaufen wir Bier, Wasser, Kekse und Bonbons. Die Kinder des Dorfes haben jedenfalls einen Heidenspass an unserem Besuch.
Da die Straße wieder breiter und die Landschaft besiedelter wird, wird es auch irgendwie langweiliger. Wir haben brutalen Gegenwind und kämpfen uns mühsam in Richtung Naryn. Jeden Laden am Wegesrand nutzen wir, um eine kleine Pause einzulegen oder am Nachmittag das tägliche und übrigens immer pünktliche 15:00 h Gewitter abzuwarten. Als wir ein Fest am Straßenrand passieren, bleiben wir stehen. Wir werden eingeladen und erfahren, dass es sich nicht wie von uns vermutet um eine Hochzeit, sondern um den örtlichen Gesangswettbewerb handelt. Wir werden üppig bewirtet und danach von gefühlt 100 Personen gebeten, fotografiert zu werden oder mit ihnen für ein Foto zu posieren. Hier nur eine Auswahl.... Die Papierabzüge der Bilder hat übrigens später im Sommer ein anderes Forumsmitglied bei der Schule abgegeben, wohl zur großen Freude aller im Ort.
Nachdem wir uns schweren Herzens von der netten Gesellschaft trennen, erreichen wir nur wenige Kilometer weiter Naryn – unseren Halbzeitstopp. Wir checken im örtlichen, sehr netten Hotel ein und buchen gleich für 2 Nächte um mal eine kleine Pause einzulegen. Der Ort selbst ist zwar nicht sehr sehenswert, bietet aber reichlich Gelegenheit, die Vorräte aufzustocken, Geld zu tauschen und mal wieder sich und die Wäsche gründlich zu reinigen. Nett auch, dass wir auf der Straße von einem jungen Mann angesprochen werden, der grade einen Englischkurs besucht und gern mit uns essen gehen möchte, um seine Sprachkenntnisse zu erweitern. Es wird ein interessanter Abend, weil es uns Gelegenheit gibt, einige Fragen zu stellen, die wir bisher mit unseren limitierten Sprachkenntnissen nicht loswerden konnten.
Von Naryn brechen wir nach Süden Richtung At-Bashy auf. Auch hier befindet sich die Straße im Bau. Da wir Hauptstraßen nicht so gern fahren, biegen wir bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit auf eine Nebenstraße ab, die sich durch mehrere Orte schlängelt. Grade hier verblüfft uns immer wieder, wie detailliert die OSM Karte ist und wie viel besser verglichen mit den teuer erworbenen Papierkarten.
Besonders erwähnenswert auf diesem Abschnitt dieser kleine Laden, hier waren sogar Basketbälle im Angebot:
Wir folgen der Straße so lange, bis sie sich irgendwann in der Wiese verliert. Etwas ratlos fragen wir die Kinder eines nahegelegenen Hofes nach dem Weg. Sie sind sehr nett und zeigen uns, wie wir weiterfahren sollten so dass wir als Dankeschön eine Tafel Schokolade dort lassen. Das wiederum führt zu solch großer Begeisterung, dass wir im Gegenzug eine 2,5 L Flasche Kumys geschenkt bekommen – ein Getränk das wir beide ganz und gar ungenießbar finden.... Wir nehmen es dankend an und schaukeln mit weiteren 2,5 kg Ballast durch die Wiese.
Schließlich sehen wir in der Ferne wieder die Straße. Die ist zwar auf diesem Abschnitt bereits frisch asphaltiert, es geht bergab, eigentlich alles gut – allerdings schlägt uns wieder ein solch heftiger Wind entgegen, dass wir schon nach wenigen Kilometern abbrechen und unser Zelt im Schutz eines alten Gemäuers aufbauen.
Am nächsten Tag liegt Großes vor uns. Wir erreichen Tash Rabat. Laut unserem Reiseführer DAS Seidenstraßenmonument Zentralasiens. Laut einer Kirgisin die wir am Vortag gesprochen haben gibt es dort alles: Geschäfte, Läden, Souveniers. Wir stellen uns auf großen Touristenrummel ein und finden:
....nicht viel. Eine ganz gut erhaltene Karawanserei, ein Jurtencamp von 6 Jurten und das war’s. Entweder sind wir zu früh im Jahr unterwegs, oder die Dame unterwegs hatte die Beschreibung doch etwas zu sehr ausgeschmückt. Wir sind eigentlich ganz froh und mieten uns in einer Jurte ein. Unsere Flasche Kumys verschenken wir an die Gastgeber die sich herzlich darüber freuen. Ohne unsere Räder nehmen wir zu Fuß die Wanderung zum knapp 4000 m hohen Pass in Angriff, wir wollen wenigstens mal einen Blick nach China werfen können.
Oben angekommen ist das Wetter leider zunächst sehr garstig, es schneeregnet und die Sicht ist dürftig.
Nach einer Weile geben die Wolken den Blick auf das Ak-Say Tal dann aber doch noch frei und wir können tatsächlich in der Ferne die chinesische Grenzstation erkennen.
Auf dem Abstieg staunen wir über die absolut unbeeindruckten Murmeltiere, die uns neugierig beobachten und sich selbst durch lautes Rufen nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Wir bleiben diese Nacht die einzigen Gäste im Camp und am nächsten Morgen gibt es dann gleich auf nüchternen Magen auch noch eine Lektion: Wie nehme ich eine Ziege aus.
Fortsetzung folgt...