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#918028 - 10.03.13 23:16
Vogesen-Tripel 2012 & die Folgen
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Entfernung: | 1304 Kilometer |
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VOGESEN-TRIPEL 2012 & die FolgenUpdate 2017: Durch besondere Umstände entwickelte sich die letzte Reise des Tripels zu einem Kristallisationspunkt mit mehrfachem Wiederkehreffekt am selben Ort. Dies machte hier erstmals die Änderung des Titels nötig. Nunmehr sich weitere Folgen von Vogesentouren ergeben haben – nicht nur die in die „Jazz-Vogesen“ von La Petite-Pierre – möchte ich den Titel nochmal anpassen, sodass schlussendlich auch noch weitere Berichte von Kurzreisen in der Zukunft angefügt werden können. So ist dieser Sammelbericht über Vogesenkurzreisen im Forum auch unter den alten Bezeichnungen „Vogesen-Tripel 2012“ oder „Vogesen-Tripel 2012 und LPP revisited 2014“ o.ä. zu finden. Damit sei hier auch eine Parallele zum geografisch zur Ostseite gegenüberliegenden Schwarzwald gezogen, der ebenso mit einem Sammelfaden ( Neues vom Schwarzwaldboten) zahlreiche Kurzreisen einer Region bündelt. Das sei hier nicht zufällig erwähnt, gibt es doch etliche Touren, die in beide Regionen geführt haben, der Schwerpunkt mal mehr hier, mal mehr dort. In meiner Statistik habe ich 18 Velo-Kurzreisen in die Vogesen seit 2003 verzeichnet (Stand Ende 2017). Nur Alpen und Schwarzwald habe ich bisher häufiger auf Kurztrips angesteuert. Während folgend gegebene Einführung sich noch auf das 2012er Tripel bezieht, gleich hier in der Übersicht mit direkter Anklickfunktion alle Touren auch in der Folge, derer es nun nach Stand 2017 in Summe schon 7 dokumentierte Kurzreisen geworden sind, darunter aktuell drei neue (V.-VII.). I. Süd-Vogesen & Sundgau: Tour du Ballon de Servance (gleich nach Einführung) II. Vogesen mit Schwarzwald: Tour de Col du Petit BallonIII. Nord-Vogesen mit Schwarzwald: Tour de la Petite-Pierre 2012 feat. Alsace meets CubaIV. LPP revisited 2014 feat. Mediterranean World & US City GrooveV. LPP revisited 2016 feat. Swinging New MusetteVI. LPP revisited 2017 feat. Trumpet ConceptsVII. Vogesen Süd/Mitte 2017: Grand Ballon d'Alsace - Vallée de la Meurthe - NatzwillerEinführung & Übersicht (Stand 2012)Wie wohl schon einigen im Forum bekannt, sind die Vogesen mir nicht gerade unbekannt. Einen Überblick mit weiteren Links zu bereits gefahren Vogesen-Touren habe ich zu Beginn meiner Vogesen-Berichte 2011 gelistet. Die vielen verästelten Sträßchen durch das vielfach dünn besiedelte und wenig befahrene Mittelgebirge jenseits des Rheins bilden immer noch ein Eldorado, um neue Nischen zu erschließen. Erstmals habe ich dabei auch das Oberelsass intensiv beradelt, dass – heute als Sundgau bezeichnet – im Dreieck zwischen Belfort, Basel und Mulhouse bereits von den Ausläufern des Jura gebildet wird. Damit ist auch der (fast unmittelbare) Anschluss an die große Juratour gelegt, die ich nur wenig später im Mai des selben Jahres antreten sollte (samt Forumstreffen Biel/Bienne). Neben der Südvogesen-/Sundgau-Tour, die im Westen auch weit aus dem Elsass raus in die westlichen Vogesenausläufer führte (Haute-Saône), gab es zudem eine Tour in die dazu nördlich angrenzenden Südvogesen mit dem Petit Ballon als Hauptziel und eine kleine Nordvogesen-Tour, wiederum weit in den Westen reichend. Der Fokus lag bei letzterer Tour auf einem Festival mit Weltniveau in fast verlassenen Wäldern inmitten elsässischer Provinz. Die beiden letzten Touren hatten zudem einen gewichtigen Anteil Schwarzwald. Die zwei Touren im Frühjahr waren um Feiertage rum gebaut, im August war es lediglich eine Wochenendtour. Während ich auf der Sommertour alle Vorzüge eines mehrdeutig karibischen Flairs genießen durfte, stellte das Wetter zu Ostern und dem 1. Mai jeweils eine heftige Herausforderung dar. Winterkälte, Landregen, Orkanböen und Blitzeinschläge in Rufweite standen weit weniger Sonnen- und Frühjahrsmomenten gegenüber, die es aber immerhin auch gab. Ungehofft also die passende Vorbereitung zu der späteren Juratour. I. Süd-Vogesen & Sundgau: Tour du Ballon de Servance – oder: Warum Osterhasen immer Fell tragen4-5 Tage | 457 km | 6685 Hm Die Hauptziele dieser Tour waren neben dem gut 1200 m hohen Ballon de Servance die nahe der südlichen elsässischen Weinstraße verlaufende Route des 5 Châteaux, der Col de Boenlesgrab, das Lauchtal mit seinem romantischen Stausee auf dem Weg nach Le Markstein, der Rundkurs auf den über 1000 m hoch gelegenen Bergweiler Rouge Gazon bei Maurice-sur-Moselle, der knapp 1000 m hohe Col des Chevrères, weitere Varianten durch das Plateau des Mille Étangs mit der stimmungsvollen Kleinseenlandschaft, die Wasserfälle Géhard und Faymont im Westen sowie eine möglichst typische Route durch den Sundgau. Die geplante erneute Befahrung des Col du Grand Ballon von Norden auf der Route des Crêtes (mit der Abfahrtsvariante nach St-Amarin) musste ich wegen verharschter Schneedecke auf der Straße abbrechen. Daraus abgeleitet vermied ich die Südrampe des Ballon d’Alsace auszuprobieren, was aufgrund der regnerischen Witterung am Ostermontag ohnehin unmöglich geworden wäre. Stattdessen ergaben sich die (wiederholten) Stadtbesuche von Belfort und Mulhouse eher zufällig als Folge der schlechten Witterung. Die Temperaturen überstiegen die zweistellige Zahlengrenze nur zu Anfang um Colmar, bei einer kurzen Aufheiterung am Ostersonntag um das Kirschtal von Fougerolles herum und in der zweiten Tageshälfte am Ostermontag – allerdings meist von Regen begleitet. Die Temperatur blieben um 3-4 °C geringer als in den Wettervorhersagen angekündigt. Morgens hatte ich regelmäßig mit kalten Fingern zu kämpfen – die Handschuhe konnten die fehlende Wärme nicht ausgleichen. Am Ostersonntag musste ich meine Fahrt auch eine Weile in einem Schuppen unterbrechen, als inmitten der Mille des Étangs ein heftiges Schneegestöber aufkam. Trotz der Kälte lugte am Samstag und Sonntag auch immer wieder launisch die Aprilsonne hervor und wärmte so manchmal ein wenig die Seele. Do 5.4. Stuttgart 14:59 || per Bahn || 18:21 Colmar – Wintzenheim – Col de Repos des Chasseurs Etang Hertzog (605m) – Eguisheim28 km | 12,3 km/h | 2:11 h | 465 Hm E: Tartiflette Bargkas, Ww, Cafe Gourmande 25,05 € Ü: C Des Trois Château 9 € Es sei erwähnt, dass die Fahrradmitnahme zu den Pendelstoßzeiten auf der Elsassroute Strasbourg – Basel offiziell nicht erlaubt ist. Die Folge ist, dass einige ihre Räder in demontiertem Zustand so in die Bahn packen, dass dabei mehr Platz verbraucht wird, als wenn ein Fahrrad an den dafür vorgesehen Plätzen regulär verstaut würde (Hängevorrichtung). Ich habe mich trotz der Hinweise und mahnender Blicke des Personals über die Bestimmung hinweg gesetzt. Es gibt also keine Garantie, dass das in anderen Fällen auch akzeptiert wird. Regulär hätte ich noch einen Zug später nehmen müssen. Die Route des Cinq Châteaux gehört zu den versteckten Routen im Elsass, obwohl ganz nahe der betriebsamen Weinroute und dem beliebten Munstertal. Um den Abzweig zu finden, muss man auf der D 417 nach Wintzenheim aufpassen, eine kleine Nebenstraße nicht zu verfehlen. Wenig weiter findet sich dann der gut ausgeschilderte Abzweig. Die Route steigt gleich an, man bewältigt sehr unrhythmisch verschiedene Steigungsstufen, auch sehr steile. Noch vor dem endgültigen Hochpunkt gibt es einen Abzweig zur Hohlandsbourg. Es handelt sich um eine der größten Burganlagen (13. Jh.) im Elsass, die aber just umfangreich renoviert wird. Laut Homepage wird die Anlage mit touristischem Angebot ab Mai 2013 geöffnet. Ich konnte leider nicht nahe ran fahren, weil die Straße unten komplett abgesperrt war (Bauzaun). Schon vor der Hohlandsbourg findet man abseits der Straße eine Burgruine, die man erwandern kann, ggf. auch per Mountainbike radelbar (steile Rampe). Die Route liegt gänzlich im dichten Wald, mystisch legt sich kalter Nebel zwischen die Bäume. Autos kann man zählen, es braucht nicht mal beide Hände dazu. Und doch werde ich beobachtet. Es knackst und raschelt, schon unheimlich mutet es an – Trolle, Geister, Feen? Doch hinter den Bäumen verraten sich die neugierigen Beobachter manchmal: Die Ruhebrecher sind Rehe. Der Atemhauch droht bald zu gefrieren, da sehnt man sich wieder nach unten. Vom Panoramaweinort Husseren-les-Châteaux fährt man durch offene Rebenhänge steil hinunter nach Eguisheim. Zu den drei Burgen, die Eguisheim eine schöne Kulisse geben, zweigt von der Burgenroute oben ein Waldweg ab, es fehlte mir aber wegen der einbrechenden Dunkelheit die Zeit, diese zu erkunden. Weil es doch reichlich kalt war, genehmige ich mir abends gefährliche Feuerspeisen verschiedener Art. Fr 6.4. Eguisheim – Gueberschwihr – Col de Wolfsgrube (748m) – Col de Borne Jaune (738m) – Col de Firstplan (722m) – Col de Boenlesgrab (865m) – Linthal – Le Markstein (1179m) – 2 km près Grand Ballon (~ 1250m) – Le Markstein – Kruth – Urbes – Col de Bussang (727m) – St-Maurice-s-Moselle100 km | 12,1 km/h | 8:11 h | 1905 Hm E (Snack Bar): Salat Tom., Ruccola, Quiche Lorraine, Rw, Eis Schoko/Van. 12,80 € Ü: C St-Maurice-s-M. 5 € Auf dem Camping war ich zwar einziger Zeltgast, doch herrschte ganz guter Betrieb von Wohnwagen- und Wohnmobilgästen. Manchem erschien ich da natürlich etwas suspekt. Kritische Blicke werfen auch die Störche nach unten, derweil ich das schmucke Weinörtchen Eguisheim durchstreife. Mein Rad hat ja eine verdächtige Farbe – „könnte ein Frosch sein“ wird Meister Adebar wohl denken. Noch wenig grün ist es auf der Fahrt durch die Weinhänge, leicht über der Autobahn liegt die parallele Fahrstraße. Die Reben knospen noch zaghaft, graue und braune Erdtöne dominieren im Stangen- und Drahtgewirr für die geordnet wachsende Traubenranke. Doch verheißen hin und wieder leuchtend weiße Kirchblüten süß-fruchtige Sommerträume. Nach Gueberschwihr, wiederum ein Panoramaweinort, geht es dann erheblich hinauf, und danach noch kräftiger, aber bald durch Wald von Aussicht abgehalten. Von Husseren gäbe es auch eine Höhenpanoramaroute nach Gueberschwihr, wenn man nicht nach Eguisheim hinabtauchen möchte. Landschaftlich ist nun die Route durchschnittlich, man passiert ein größere Klosteranlage – dort nimmt bald die Steigung ab. In einer Kurve wenig weiter findet sich der Abzweig zu einer Forststraße, zunächst mit Steinen fest gepresst, später mehr erdige, aber feste Waldpiste. Man braucht Karten, die Ausschilderung ist komplex und nicht eindeutig. Orientierungssinn ist hilfreich, ich verfahre mich kurz, merke aber anhand der Kurven und Topographie, dass ich falsch liege. Hat man den Col de Wolfsgrube erreicht, fährt man geradezu flach um einen Berg herum und kommt zum Col de Borne Jaune, wo sich gute Picknickmöglichkeiten finden. Beide Pässe sind Kreuzungspunkte für Wanderwege und Pisten. Hier ist der Wald etwas lichter. Auch die folgende Route bis zur Straße am Col de Firstplan ist weniger dunkel als die Auffahrt zuvor. Überraschend sind einige Radler unterwegs, zwei Mountainbikegruppen, aber auch ein Reiseradlerpaar. Die Piste zum Col de Boenlesgrab ist schottriger, wenn festgefahren sehr robust, wird auch von Autos befahren. Die Strecke ist nun deutlich offener, der höchste Punkt liegt an einer Wegekreuzung mit Lichtung unweit und etwas oberhalb vom Col de Boenlesgrab. Wer gut offroad-tauglich ist, kann die Piste vom Col de Boenlesgrab zum Col du Petit Ballon fahren – sie gilt aber als schwierig, was ein Blick meinerseits von unten auch bestätigt. Am Boenlesgrab-Pass gibt es eine Auberge, die aber nicht immer geöffnet ist. Der Parkplatz dient jederzeit als beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen. Ins Lauterbachtal (Lauchtal) geht es dann flott wieder asphaltiert. An der Lauch entlang gibt es recht wildromantsche Passagen, auch der Stausee gehört zu den hübscheren in den Vogesen. Im Dunst lassen sich die noch schneebedeckten Bergrücken des Vogesenkammes ausmachen. Die Straße ist eine der wichtigeren Auffahrten zur Routes des Crêtes, daher gibt es hier auch etwas mehr Verkehr als etwa am Col du Platzerwasel weiter nördlich (vgl. 2. Vogesentour). In Le Markstein gibt es eine große, sehr kommerzielle Verpflegungsinsel. Hier dürfte auch im Winter recht viel Betrieb herrschen, denn umliegend befinden sich zahlreiche Liftanlagen – das größte Skizentrum an der Route des Crêtes. Ich wollte über den Grand Ballon fahren und ein mir noch unbekannte Route nach St-Amarin runter testen. Zwar war die Sperrung der Strecke zum Grand Ballon ausgeschrieben (Richtung Col de la Schlucht war offen), ich hoffte aber als Radler irgendwie durchzukommen. Etwa 2 km vor dem Grand Ballon war dann aber leider vor der Harschschneedecke Schluss. So musste ich den geordneten Rückzug antreten und über Le Markstein und den Lac de Kruth-Wildenstein ins Thur-Tal. Für den Col de Bussang samt Moselquelle verweise ich auf meine vorjährige Ostertour (Link s.o.). Ich fahre diesmal umgekehrt hinauf – also die Ostseite, auf der es keinen Radweg gibt (westlich Moselradweg ab Quelle). Oberhalb von Urbès gemahnt ein Gedenkstein an die Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen aus Dachau, die hier für kurze Zeit in einem Bunker zur Rüstungsproduktion eingesetzt wurden. Eigentlich wäre es meine Absicht gewesen, noch auf den Berggasthof Rouge Gazon aufzufahren. Dazu war es aber mit Blick auf die Essenszeiten zu spät, sodass ich mich in St-Maurice-s-Moselle niederlassen musste. Der Campingwart begrüßte mich als ersten und wohl einzigen Ostergast und machte mir wohlige Heizwärme im Sanitärraum. Leider finden sich in St-Maurice nur verfallene Restaurants, eine anderes liegt unangenehm entfernt einen Berg hoch. Einzige Möglichkeit war eine Bistro – ein Kneipe für die Dorfgeschädigten – mit Spielautomat, elektronischem Dartspiel und Fernseher. Ich versuche mich an Mikrostudien ländlicher Vogesenjugend nebst internationalem Damentennis aus der Röhre. Hier wird noch kräftig geraucht. Dazu eine ausgetrocknete Quiche Lorraine mit kaltem (!) Rotwein. Ich vermisse Frankreich – in Frankreich. Das beste war vielleicht ein erotisches Poster im realfotografischen Stil über der Theke – Frau mit Hand im Schritt. Soviel heißen Sex gönnt sich wohl nur der Radler an kalten Ostertagen. Sa 7.4. St-Maurice-s-Moselle – Les Charbonniers – via RF – Rouge Gazon (1086m) – St-Maurice-s-Moselle – Le Thillot – Col des Croix (679m) – Ballon de Servance (1216m) – Plancher-les-Mines – Col de la Chevestraye (623m) – Belfahy – Col des Chevrères (951m) – Miellin – Servance91 km | 11,9 km/h | 7:31 h | 1795 Hm E: Entrecôte, PF, Rw, Apfeltorte 24,60 € Ü: C wild 0 € Nach Rouge Gazon fährt man nur aus zwei Gründen: Man braucht ein paar zusätzlichen Höhenmeter oder man möchte die Vorzüge eines einsamen, charmant-rustikalen Berggasthofes genießen. Im Winter kommt die Attraktion eines kleinen Skigebietes hinzu. Während Autofahrer nur die recht gut ausgebaute Straße hin und zurück fahren, empfiehlt sich für den Radler ein (fast) Rundkurs. In Les Charbonnieres kann man auf eine asphaltierte Forststraße abzweigen, die man nach einer kleinen Talmulde erreicht. Im Gegensatz zur regulären Straße geht es fast ausschließlich durch dichten Wald. Die Straße ist in schlechtem Zustand, Tannenzapfen und diverses Geäst sorgen für zusätzliche Gefahrenmomente, wenn man dort herunterfahren möchte. Daher die Forststraße möglichst nur auffahren. Die Steigungen sind unrhythmisch, es gibt Steilrampen, im oberen Bereich auch flachere Passagen. Der Hochpunkt der Straße liegt geringfügig über Rouge Gazon – dort überblickt man das gesamte Gelände um den Hof mit mehreren Gebäuden. Um Aussicht zu genießen muss man vom Gasthof etwas vorlaufen über die Wiesen, dann kann man zumindest nach Osten Vogesenkuppen bewundern und das Thur-Tal erahnen. Weiter kommt man nur mit Wanderschuh. Trotz anstrengender Auffahrt war ich völlig ausgekühlt und leiste mir einen Kaffee in Rouge Gazon. Das Frühstücksbuffet wurde gerade weggeräumt, sodass ich noch einen Eindruck gewinnen konnte: Ein unfranzösisch umfangreiches Frühstück mit vielen Eigenprodukten des Berghofes, die auch im freien Verkauf erhältlich sind. Gelegenheit um einen schmackhaften Käsevorrat anzulegen. Auch die Speisekarte klingt vielversprechend. Viele Gericht werden im offenen Ofen des Gastraumes angerichtet. Le Thillot bildet ein kleines Regionalzentrum, im Vorjahr hatte ich dort ja bereits genächtigt. Ebenso wiederholte sich die Fahrt bis zum Col des Croix. Dort aber fuhr ich diesmal nicht rechts in das Plateau des Mille Étangs ein, sondern links auf die Route zum Ballon de Servance. Auch hier wieder eine Streckensperrungsankündigung, die mich verunsichert. Mein Mut wird aber belohnt. Es gab auf der Südseite Schneereste und eine Menge aufgeschwemmten Pflanzenkehricht. Doch ließen sich die wenigen Passagen neben der Straße umgehen. Zwei entgegenkommende Motorbiker konnten das Fahrgerät auch vorbeischieben, neugierige Autofahrer hingegen mussten umkehren. Nicht nur durch die Sperrung allerdings ist es eine einsame Strecke ohne Besiedlung und eine der abwechslungsreichsten, attraktivsten Routen unter den großen Vogesenhöhen. Auf der Nordwestseite zahlreiche Ausblicke, Steinbrücke, archaische Baumskulpturen und eine große Blumenvielfalt samt einer kleinen Osterglockenwiese. Dazu noch Sonne, dass man gar die Winterjacke ablegen konnte – soviel österliche Gnade war in diesen Tagen ja selten. Von üblichen Weitblicken über die Vogesenhügel abgesehen, ist die Berghöhe dieses Belchen eher hässlich – ein kleiner Makel auf der sonst sehr schönen Route. Ein Sendeturm steht auf einem abgeriegelten Militärbereich, über eine kurze Stichstraße bis zum Drahtzaun zu erreichen. Die einzige Sitzgelegenheit ist eine schon leicht zerfallene, schattige Bank am Hochpunkt der Straße. Bessere Picknickmöglichkeiten findet man weiter unten auf der Südseite – allerdings auch meistens schattig, wie ohnehin die Südseite. Wahrscheinlich ist die Südseite schwieriger, wenngleich rhythmischer zu fahren als die Nordwestseite – ein langer steiler Anstieg, während der untere Teil des Tales recht flach ist. Wasserreich finden sich Vogesen-typische vermooste Kaskadenbachläufe sowie zwei größere, mehrteilige Wasserfälle. Wie der spätere Etappenort Servance ist auch Plancher-lesMines ein Dorf, das nach einer Phase früher Industrialisierung, unterstützt von der Wasserkraft der Mühlen, seine Blütezeit überlebt hat und durch die massive Abwanderung im 20. Jahrhundert zu den heute eher vergessenen Vogesenorten zählt. Einst lieferten die Minen bereits seit 1458 Silber, später auch Blei, Molybdän und Eisen – letzteres heute noch an den rötlichen Erosionshängen zu erkennen. Der Col de Chevrères erfordert wieder stramme Beinarbeit. Der schönste Teil ist die Dorfdurchfahrt von Belfahy, das sich recht weitläufig auf sonniger Südhanglage verteilt. Hier kann man nach Servance zwar abkürzen, allerdings hat man bis zu dem Abzweig ohnehin bereits den größten Teil der Höhe bewältigt. Nach der Abfahrt nach Miellin zieht sich das Tal recht idyllisch recht flach nach Servance. Kurz vor Servance steht die Mühle Martin als Industriedenkmal – dazu hatte ich bereits das Bilderrätsel 802 gestellt. Das für die heutige Bedeutung übertrieben riesige Rathaus kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier tiefste Provinz liegt. Im frühen Industriezeitalter lebten 1831 in Servance 5100 Menschen, heute sind es nur noch ca. 900. Immerhin reicht es für ein Hotel/Restaurant, das an diesem Ostersamstag ziemlich überquillt. Der Pizzabäcker verkörpert eine örtliche Attraktion – macht schelmische Witze, zieht Grimassen, mit denen er nicht nur Kinder zum Lachen bringt, verteilt mindestens soviel Küsse an die Damen wie er Pizzen mit flinken Fingern zubereitet – ein kleines Stück Lokaltheater gewissermaßen. Ich darf ein köstliche Zwiebelrotweinsauce zum servierten Fleisch genießen. So 8.4. Servance – Saut de l'Ognon – Montandre – Beulotte-St-Laurent – Corravillers – La Rosière – Cascade du Géhard – Cascade de Faymont – Le Val-d'Ajol – Fougerolles-les-Château – Benzey – Raddon – La Voivre – Melisey – Fresse – Col de la Chevestraye (623m) – Plancher-Bas – Evette – Valdoie – Belfort122 km | 13,6 km/h | 8:56 h | 1685 Hm E (oriental.): Couscous Royal (4 x Fleisch, Gem. im Sud), Rw, Cafe 24,40 € Ü: C wild 0 € Nach dem Besuch des Ognon-Wasserfalls, an dem die Industriegeschichte von Servance auf Tafeln dokumentiert ist (vgl. wiederum o.a. Bilderrätsel) fahre ich zu den 1000 Seen hinauf, jene in der Eiszeit geschaffene Tümpellandschaft, die ich gleichwohl auch an Ostern des Vorjahres auf einer nördlichen Variante befahren habe. Im Vergleich einschließlich der weiteren Variante am Abend des selben Tages, würde ich die Vorjahresroute zwischen dem Col des Croix und dem Col du Mont de Fourche immer noch als die reizvollste in den Mille Étangs bezeichnen. Der Vergleich ist allerdings etwas schwierig, soweit die Vegetation noch so weit zurücksteht wie auf dieser Ostertour. Nach dem bissigen Schneesturm um Beulotte-St-Laurent herum erreiche ich Corravillers wieder bei Sonnenschein. Die Aprillaunen bleiben den Tag lang erhalten, wenngleich die zweite Tageshälfte etwas milder wird. Mit Zwischenspielen folgen mehrere Wasserfälle. Der erste (Cascade du Tampa), wohl gewöhnlichste, nur wenig oberhalb von Corravillers. Für den Cascade du Géhard bedarf es schon eines weiteren Berges, zunächst steil über kleine Weiler, danach eher eintöniger durch dunkle Nadelwälder. In Richtung Girmont-Val-d’Ajol öffnet sich eine hügelige Weidelandschaft in sattem Grün, bevor man zum Wasserfall wieder in dunklen Wald eintaucht. Vom schluchtigen Géhard- zum spreitzigen Faymont-Wasserfall geht es durch ein Tal mit einigen dezent aufragenden Felsen, der Wasserfall ist etwas abseits per Stichstraße zu erreichen. Es beginnt ein weites Tal, dass recht belebt scheint, eine sehr zerstreute Besiedlung aufweist. Immer mehr Kirschbäume prägen lieblich die Landschaft. Vollends das ganze weiße Blütenmeer entfaltet sich über die Fougerolles-Ebene, wenn man die Talebene nach oben verlässt. Seit dem 17. Jahrhundert werden hier zahlreiche Kirschsorten geerntet und veredelt, insbesondere als „Kirsch“, einem 45%igen Kirschwasser. In zahlreichen Destillerien werden noch weitere Obstbrände erzeugt, dazu kommen vielfältige Produkte rund um die Kirsche, Kirscheis und Kirschpfannkuchen zählen mitunter zu weiteren bekannten Leckereien der Region. Im Juli findet gar eine Fête de la cerise statt – samt einer Miss Cerise im Zeichen der roten Verführung. Allein die zahlreichen Kirschsorten schmecken schon lustvoll durch ihre Namen: Marie Jean Diaude, Tinette, Jeanblanc, … Ein weiteres Zeichen der Landschaft sind kleine Kornspeicher, die man auf der Route des Chalots folgen kann. Aus Holz gebaut, mit Steindach versehen und auf gekreuzten Balken nebst Steinsockel vom Erdboden abgehoben, dienten sie nicht dem Schutz der Ernte, sondern auch der Destillation. Heute werden sie allen möglichen Zwecken genutzt. Parallelen gibt es zu den hórreos in Nordspanien – dort meistens aber größer, in Galicien zudem meist aus Stein gefertigt. Nach Raddon führt eine lichte Waldlandschaft, es folgt ein weitgehend flache Auenlandschaft mit kleinen Dörfern. Nochmal moderat hinauf an Seen vorbei geht es zwischen La Voivre und Mélisey. In Fresse soll es laut Karte einen Camping geben, aber der Ort macht einen solch ausgestorbenen Eindruck, dass ich keine Suche anstrenge, da es wohlmöglich kein Esslokal gibt. Keiner der weiteren Orte bietet irgendeine Gelegenheit zum Etappenstopp, sodass ich letztlich mich in die Dunkelheit hinein noch bis Belfort durchbeiße. Dort fehlt mir etwas die Orientierung, scheinbar bin ich gerade in einer falschen Ecke für Esslokale, überwiegend leergefegte Einkaufsstraßen. So bin ich dankbar für jede Speisestube, wenngleich das orientalische Menü nicht ganz meinen Geschmack trifft. Besonders ärgerlich dann, dass der Campingplatz nur per Sicherheitscode bzw. Chipkarte zu betreten ist. Natürlich ist zu dieser Zeit auch keine Rezeption mehr besetzt. Die hermetische Abriegelung des Geländes sorgt nicht gerade für ein Vertrauensgefühl zu der Umgebung. Durch die sumpfige Uferzone kann ich mein Zelt gerade eben noch am Rande eines Sportplatzes nahe der Straße platzieren. Von einer Restwärme des Freizeitsees ist auch nichts zu spüren. Nun, wer Ostern Hasen jagen möchte, braucht dick Fell. Mo 9.4. Belfort – Montreux – Manspach – Largitzen – Altkirch – Wahlbach – Magstatt – Steinbrunn-le-Bas – Zimmersheim – Mulhouse – Rixheim – Ottmarsheim – Müllheim 18:55 || per Bahn || Stuttgart 23:25116 km | 15,3 km/h | 7:25 h | 835 Hm E (Bf. Freiburg): Spaghetti Monti e Mare, Rw 9,80 € Der Tag beginnt nicht nur kalt, sondern auch regnerisch mit tief hängenden Wolken. So zeigt sich Belfort recht trist, nicht mal Bäckereien und Cafes werden besucht. Nach der Stadtvisite bleibt es leider regnerisch, zwischen Niesel und mäßigem Landregen wechseln die Launen der Natur, erst mit der zweiten Tageshälfte nehmen die Trockenphasen zu. Der ländliche Sundgau hat einen lieblichen Charme, erfüllt die Anforderungen pittoresker Fachwerkbauten des Elsass einerseits. Und doch ist hier alles ruhig, keine aufgebrezelten Dorfkerne, nahezu untouristisch, Versorgungsmöglichkeiten selten – ein Landstrich zum stillen, abseitigen Wohnen und zum entspannten Radeln. In gewisser Weise setzt sich hier die 1000-Seenlandschaft fort, doch handelt es sich meist um künstlich angelegte Fischteiche. Neben Forellen züchtet man insbesondere Karpfen. Ich folge in Teilen auch der Route de la Carpe frite, eine gastronomische, teichreiche Route, die ausgewählte Betriebe verbindet, die lokale Spezialitäten anbieten. Der goldbraun frittierte Karpfen – meist in kleinen, grätenfreien Stücken ähnlich wie große Pommes frites serviert – ist nicht nur namensgebend, sondern auch Gegenstand einer Sage, von denen es viele im Sundgau gibt. So heißt es von einem Sohn des Grafen zu Ferrette, dass er sich eines Tages in eine Schäferin unsterblich verliebte. Er umwarb sie mit einem Gedicht, das der Schäferin so gut gefiel, dass sie die Hochzeit mit dem Grafensohn ersehnte. Doch traf das nicht den Zuspruch des Grafen. So stellte er der Schäferin eine scheinbar unmögliche Aufgabe, ihn mit einer außergewöhnlichen Tat umzustimmen. Die Schäferin bot ihm an, von ihrem sagenhaften goldenen Fisch zu kosten. Der Graf ward neugierig und ließ die Schäferin ihren Vorschlag ausführen. So nahm sie Karpfen und gab ihm in Öl gebacken auf ihre Art die goldbraune Farbe. Der Graf ward von der Köstlichkeit mehr als überzeugt und ließ die beiden heiraten und ihnen gleich noch dazu ein Schloss auf einem Felsen bauen, das seither als Schloss Liebenstein bekannt ist. Der gebackene Karpfen trat unaufhaltsam seinen Siegeszug im Sundgau und darüber hinaus an – wie könnte es auch anders sein, wenn jeder goldene Bissen ein Stück großer Liebe enthält. Leider gibt es frittierten Karpfen oft nur als Mehrpersonengericht (wie auch in Servance), so kam es, dass ich erst zu Beginn meiner späteren großen Juratour in den Genuss dieses Fischgerichtes kam (Link s.o.). Die flachen bis leicht hügeligen Routen kann man gelegentlich durch kurze Steilrampen aufpeppen, wie etwa über eine kurze Nebenroute nach Altkirch. Es wäre aber falsch ins Sundgau zu radeln um eine velopedistische Herausforderung zu suchen. Altkirch ist der einzige unter den von mir beradelten kleinen Orte, der so etwas wie eine touristische Betriebsamkeit aufweist, wenngleich das Wetter auch hier einen lähmenden Schleier über die Straßen legte. Ich lande in einem heruntergekommenen asiatischen Fastfood-Bistro, um mich aufzuwärmen. Der Elsässer, wohl mit einer Ostasiatin zusammenlebend, zaubert trotz des schmierigen Ambientes die saftigsten frittierten Hähnchenbällchen, die ich je gekostet habe. Ich versuche noch eine möglichst hügelige Variante nach Mulhouse zu finden. Es geht meist durch braun-graues Ackerland, gelbe Rapsfelder, aber auch Weideland, Haine mit erstem Frühjahrsgrün und Weinberge. Wenn mal die Steigung etwas stärker ausfällt, ist sie allerdings sehr kurz. Gourmets finden in den kleinen Orten versteckte Pilgerstätten. Die Bebauung trägt Richtung Norden immer mehr die Zeichen einer modernen Pendlerbevölkerung und weniger traditionelles Fachwerk. Schon weil der Radelgenuss an diesem Tage nicht gerade auf Hochstimmung kommt, bin ich froh, die Tour mit einer Stadtbesichtigung gewissermaßen abzuschließen. Leider bestimmt auch in Mulhouse die Tristesse des Tages das Leben. Nicht mal die Chocolatiers bieten Stimmungsaufheller an, die Osterhasen sind erschöpft von der Arbeit der vergangenen Tage – ich kann es ja nachempfinden. Trotzdem verfliegt die Zeit schneller als dass ich noch zu einem Cafebesuch komme. Die ätzende Flachstrampelei nach Müllheim will ja auch noch bewältigt sein. Glücklicherweise gibt es mittlerweile eine neue Bahnverbindung über den Rhein, die hätte ich da gerne schon in Anspruch genommen. Bildergalerie Tour I (180 Fotos):
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen |
Geändert von veloträumer (12.02.19 18:47) |
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#918100 - 11.03.13 10:06
Re: Vogesen-Tripel 2012
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias, Danke für den Bericht. Obwohl ich die Gegend schon halbwegs kenne, habe ich doch den einen oder anderen Tipp aufgeschnappt, z.B. die Route des cinq châteaux. Den Ballon de Servance fand ich eher langweilig und ohne große Aussicht. Wie ich Deinen Bildern entnehme, wird das südliche Ende der Straße noch immer von diesem garstigen Bären bewacht, ich hoffe, er hat Dir nicht allzu sehr zugesetzt Schöne Blumenbilder übrigens! Viele Grüße, Stefan
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#918354 - 11.03.13 20:09
Re: Vogesen-Tripel 2012
[Re: StefanS]
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Der Bär dürfte ohne mich zufrieden sein, er hält ja eine Frau im Arm. Was die Bertung angeht, ist das - wie auf die 1000-Seenrouten bezogen schon gesagt - immer eine Sache der Jahreszeiten und Umstände. Auf der Nordseite hatte ich den Vorteil, dass es etliche Frühblüher gab, im Sommer ist es da vielleicht was schlichter. Der untere Südteil ist im Sommer sicherlich sehr erfrischend ob des Wassers.
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen | |
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#918356 - 11.03.13 20:11
Re: Vogesen-Tripel 2012
[Re: veloträumer]
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II. Vogesen mit Schwarzwald: Tour de Col du Petit Ballon – oder: Warum Damen giftige Maiglöckchen mögen4-5 Tage | 500 km | 7045 Hm Neben dem Col du Petit Ballon waren die Hauptziele dieser Tour das Linacher und Simonswälder Tal, der Rimsinger Baggersee, die kehrenreiche Südrampe des Col de Bramont, der Lac de Blanchemer, der Panorama- und Pilgerort Trois-Epis, der Höhenort Labaroche (mit dem Col du Herrenwasen nahebei) über das Walbachtal, der schon zweimal zuvor verfehlte Col de Bermont bei Orbey und die Kalbin-Route mit dem Col du Seelacker (Forstraße zwischen Fréland und Riquewihr). Nachdem ich durch extremen Gegenwind in der Rheinebene den geplanten Aufstieg zum Petit Ballon und einem dort bewusst ausgewählten Berggasthof mit klassischer Melkermahlzeit am zweiten Tag unerwartet nicht mehr zu passender Uhrzeit erreichen konnte, war ich bereits relativ zu Anfang weit im Rückstand zu meinen Plänen. Als dann die Winde am Petit Ballon Orkanstärke erreichten, zudem später am Sonntag ein aufgespalteter Baum durch Blitzeinschlag in unmittelbarer Nähe meines Standortes mitten im Wald eine Forststraße blockierte und garstiges Gichtwetter auf der Route des Crêtes mir den Schüttelfrost in die Knochen jagte, musste ich u.a. die angedachte Schlussetappe durch die nördlichen Vogesen streichen. Da eine abschließende Schwarzwaldquerung ebenso nicht ratsam war, bin ich ein paar weitgehend bekannte Schleifen gefahren, sodass ich im Falle einer massiven Wetterverschlechterung jederzeit die Wege hätte abkürzen können. Die morgens noch berechtigte Erwartung, das wenigstens der erste Maientag nochmal an das sonnige, wenngleich windige Baggerseewetter vom Samstag anknüpfen würde, erfüllte sich denn auch nicht. Abgesehen von dem sommerlichen Samstag und der milden Nacht auf der Schwarzwaldhöhe in Neueck, waren die Temperaturen alles andere als frühlingshaft. Die heftige Wetterfront des Sonntags sorgte am Montagmorgen auf den oberen Vogesenhöhen sogar für eine schmucke Neuschneedecke. Dass die weißen Flocken in den Freiamter Wäldern abschließend tatsächlich Maiglöckchen waren, kommt da schon fast einer botanischen Sensation gleich, die ich aber fotografisch beweisen kann. Fr 27.4. Stuttgart – Böblingen 16:38 || per Bahn || 18:17 Brigachtal – Tannheim – Hammereisenbach – Linacher Höhe (1019m) – Furtwangen – Neueck (981)54 km | 16,2 km/h | 3:18 h | 790 Hm E (GH Hirschen): Ziegenkäse m. Thymianhonig überb., Rw, Gulasch, Spätzle, Salat, Himbeertorte, Cafe 25,10 € Ü: C wild 0 € Mal wieder eine ungewöhnliche Anreisevariante, indem ich nicht vom schwäbischen Maulwurfbahnhof starte, sondern erst nach Radel-Auffahrt aus dem Stuttgarter Talkessel vom Rand des Gäus die Bahn in den Schwarzwald bemühe. Das reicht bis zur Dämmerung, um immerhin eine neue Route auszuprobieren – nach einem Stück Bregtal in das mir noch unbekannte Linachtal. Die Sehenswürdigkeit des schwach besiedelten und recht hübschen Tales ist eine Talsperre mit einer Gewölbereihenmauer aus dem Jahre 1925. Durch die 13 halbkreisförmigen Gewölbe, geneigte Stützpfeiler und einen verstärkenden Querriegel konnte man 80 % Material gegenüber einer herkömmlichen Massivstaumauer einsparen, wenngleich für die Verschalungsarbeiten viele Fachkräfte benötigt wurden. Eine zweifelsfrei typische, tüftelige schwäbische Sparlösung (badische Schwarzwälder sind mindestens so sparsam wie authentische Schwaben), von der man in der Schwabenmetropole am Neckar heute allerdings nichts mehr wissen möchte. Dort gräbt man hingegen ohne Sinn und Verstand Milliarden in nutzlos überdimensionierte Erdlöcher. The times they are a-changin’. Es sei erwähnt, dass kurz vor der Linacher Höhe ein Gasthof mit Camping-/Caravanwiese zu finden ist, den ich aber nicht aufgesucht habe, um noch die zweite Passhöhe Neueck zu erreichen. Zwischen Linacher Höhe und Neueck muss man einen nicht unerheblichen Höhenmeterverlust verkraften. Durch einen separaten Abzweig ist es aber möglich, nicht nach Furtwangen einzufahren, sondern oberhalb der Stadt zu bleiben. Das Abendmahl im Gasthof auf der Höhe erweist sich als äußerst schmackhaft, woraus sich eine unbedingte Empfehlung ableitet. Es gibt ausdrücklich lokale, ausgewählte Produkte zur Speisezubereitung. Wildcampen ist auf der Schwarzwaldhöhe schwieriger als erwartet, da mehr gezäunte Weiden als freie Wiesen und Hochleitungstrassen ebenso stören, wie Nebenstraßen, auf denen rasende Ureinwohner auch noch nach Mitternacht unterwegs sind. Still und einsam ist der forêt noir zumindest hier nicht, obwohl erste Eindruck hinterwäldlerisch sein mag. Sa 28.4. Neueck – Simonswald – Freiamt-Gscheid (450m) – Maleck – Emmendingen – Umkirch – Merdingen – Rimsinger See – Breisach – Neuf-Brisach – Hettenschlag – Sundhoffen – Wintzenheim – Soultzbach les-Bains – exc. Route de Col de Marbach (~500m) – Wihr-au-Val127 km | 16,9 km/h | 7:25 h | 550 Hm E (Pizzeria): Tomatensalat, Flammkuchen L'Alsacienne, Rw, Erdbeeren m. Sahne, Cafe 21,40 € Ü: C La Route Verte 6,80 € Das reicht lang geschnittene Simonswälder Tal erfüllt gleich mehrere Charakteristika und Klischees des Schwarzwaldes. Oben führt die Straße eng teils durch Felsen, weiter unten breiten sich verschiedene Formen von Wiesentälern aus. Kleinbäuerliche Idylle ist greifbar, man kann in Anbetracht der vielen frei in Wiesen pickenden Hühnern sich eigentlich gar keine Hühnerfabriken moderner Machart vorstellen. Simonswald ist dann ein kleines, aber bescheidenes touristisches Zentrum, Angst vor Trubeltourismus braucht keiner haben, auch wenn eine Schaumühle am Bach klappert. Selbst auf moderne Kunst braucht man nicht zu verzichten, direkt an der Straße kann man kreative Skulpturen bewundern. Wer allergisch gegenüber kräftigen Steigungen ist, wird das Elztal in Richtung Freiburg wählen. Wer noch Körner hat, findet ein paar reizvolle Nebenwege, wiederholt fahre ich über Gscheid, eine kleine Passhöhe mit Gasthaus. Im Osten ein leicht alpines Bergwiesental, im Westen ein weiter geschwungenes Blumenwiesental wo es so aufregende Ortsnamen wie Sexau gibt. Über Maleck fährt man nochmal über ein kleine Höhe mit Altobstwiesen, ein kurzes Bilderrahmenpanorama zur Hochburg über die Breisgauer Ebene der Zähringerstadt vor den großen Schwarzwalderhebung, sowie im Westen in frühlingshaften Buchenwald getaucht, um plötzlich Emmendingen vor dem Auge zu finden. Die Ausschilderung in Emmendingen ist noch verbesserungsfähig, die Stadt durch die Bahntrasse etwas ungünstig zerschnitten. Der Schwerpunkt der Weinregion Kaiserstuhl liegt zwar nördlicher, doch befindet sich auch hier südlicher über March und Merdingen noch ein rebenreicher Ableger der Breisgauhügel. Merdingen präsentiert sich als pittoreskes Weinörtchen, das wohl wieder ruhigen Zeiten entgegen geht, nachdem Jan Ullrich schon vor Jahren im Kanton Thurgau sein persönliches Steuerparadies entdeckt hatte. Nunmehr nur noch flach, erstreckt sich der Rimsinger Baggersee etwas versteckt hinter Hainen. Schon fast in Karibikblau leuchtet der See, zunächst noch ein wenig still, doch bald von zahllosen Badegästen überrollt, von denen nicht wenige mit Grillrauch und Müll die Idylle unnötig stören. Noch stolz beschreibe ich einem Badepaar meine Absicht, eine ausgewählte Ferme auberge am Petit Ballon zu Abend zu erreichen, doch straft mir der Wind des Nachmittags in der Rheinebene alle hochtrabenden Bergankunftspläne ab. Selbst in den recht hübschen und dichten Laubwäldern um Colmar fegt der Wind noch mir entgegen. So gebe ich in Soultzbach-les-Bains mein Vorhaben auf, zumal laut Einheimischem im zwischenliegenden Wasserbourg kein Gasthof vorhanden ist. Auch eine Exkursion zum Col de Marbach in verbleibender Restzeit breche ich ab, da auf sehr steiler Strecke der Untergrund zu klitschig ist. Nicht unbedingt für Straßenrad geeignet. Die Pizzeria in Wihr-au-Val, beliebt bei jungen Leuten, kann ich empfehlen, Camping auch – insbesondere mit Blick auf den günstigen Preis im Vergleich zu dem wenig weiter liegenden Camping in Munster (vgl. nächster Tag). So 29.4. Wihr-au-Val – Wasserbourg – Col du Petit Ballon (1163m) – Sondernach – Col du Platzerwasel (1193m) – Le Breitfirst (1282m) – Le Markstein (1179m) – Kruth – Wildenstein – Col de Bramont (956m) – Col de l'Etang (1018m) – Col de Bramont – Lac de Blanchemer – Col de la Schlucht (1135m) – Munster107 km | 11,7 km/h | 9:04 h | 2515 Hm E: Kalbsnieren in Sahnes., Gem., PF, Rw, Himbeertorte, Cafe, 27,10 € Ü: C Village Center 15,61 € Der Hauch von Sommer am Vortag ist nunmehr endgültig unter einem bedrohlich dunklen Himmel vergraben. Nur der Wind wurde übernommen, allerdings noch um ein paar Kategorien aufgewertet. Unterhalb des Petit Ballon muss ich kurz anhalten, das Fahrrad festhalten, da es sonst umstürzen würde. Das Stehen fällt ohne Wanderstock schwer, ohne den Flammkuchen des Vorabends wäre ich sicherlich weggeflogen. Da der Wind böig ist, gibt es kurze Windpausen, nur so komme ich überhaupt voran und bald in windgeschütztere Bereiche des Berghanges. Zum Glück bleibt die Passhöhe unterhalb der Berghöhe des Petit Ballon, wo man wohl nicht stehen könnte. Die Abfahrt nach Sondernach wie auch der folgende Anstieg zum Col de Platzerwasel ist dann durch die Bergnische vollkommen windgeschützt. Nicht bekannt war mir, dass auch noch deutlich unterhalb des Petit Ballon eine nette Auberge zu finden ist, zu der ich es wohl auch noch am Vorabend innerhalb der Essenszeit hätte schaffen können. Die Auberge du Ried liegt genau an einer Straßengabelung, wo noch weitere Auffahrten zum Petit Ballon einmünden (von Luttenbach und Eschbach). Zum Mitnehmen gibt es Käse, Wurst und Fleisch aus Eigenproduktion. Die von mir ursprünglich zum Etappenstopp geplante Ferme-auberge Rothenbrunnen liegt hingegen bereits leicht unterhalb des Straßenhochpunktes auf der Westseite. Wem Rothenbrunnen zu rustikal ist, findet in der Auberge Kahlenwasen die etwas feinere Berggasthofadresse – genug Auswahl also hier mit Fernsicht. Den Col du Platzerwasel bin ich schon mal auf einer Ostertour gefahren, musste ab an der Passhöhe umkehren, da noch schneebedeckt. Diesmal war die Straße frei, wenngleich um den höchsten Punkt Le Breitfirst noch recht hohe Schneefelder einem die Kälte in die Augen trieb. Der Col du Platzerwasel gehört sicherlich zu den weniger reizvollen Aufstiegen zur Route des Crêtes – bescheidener Wald ohne größere Ausblicke, sogar den Col de la Schlucht muss ich höher bewerten. In Markstein stoße ich wieder auf die Strecke der ersten Tour dieses Berichtes. In weiten Schleifen fährt man hinunter zum Lac de Kruth-Wildenstein, durch die wechselnden Schattenspiele der Wolken immer wieder in neuen Perspektiven zu erleben. Zum Picknick leider recht ungemütlich, der der kühle Wind hält an. Am Nordende des Sees empfiehlt sich ein Abstecher zum Cascade du Bockloch auf der anderen Seite der Straße (gibt aber auch dort einen Fahrweg, auf dem man das Westufer des Sees abradeln kann). Durch die grünen Knospen der Bäume ist die serpentinenreiche Auffahrt zum Col de Bramont bereits eine schönes Erlebnis, etwa auf halber Höhe ein weiter Ausblick zurück. Am Col de Bramont täuscht das Gewimmel einiger Radrennfahrer, denn keiner ist auf die Wetterlaunen vorbereitet. Mein Versuch die abzweigende Waldpiste zu fahren, wird jäh durch ein Gewitter unterbrochen. Es kracht auffällig laut unweit meines Standortes. Wenig später erreiche kurz nach dem höchsten Punkt die offenbar frisch durch den Blitz geschlagene Baumleiche – das Grollen des Teufels – mal wieder knapp überlebt. Teufelsbünde habe ich ja schon einige geschlossen. Es ist unmöglich, über den morastigen Waldboden im Steilhang das Hindernis zu Umgehen und ich muss zurück zur Straße. Den Lac de Blanchemer fahre ich so über eine asphaltierte Straße an, die recht steil und schmal von der Straße zum Col des Feignes (weiter zum Col de la Schlucht) abzweigt. Der See selbst ist über einen kurzen Pistenabzweig von der Straße zu erreichen. Hier kleidet sich der See in ein Trauerkleid, am anderen Ende raucht das Feuer von Wildcampern, die verzweifelt die Flamme zu retten versuchen. Eine kleine Hütte bietet Schutz vor den großen Tropfen. Als der Regendampf etwas aufsteigt, zieren die Höhen Neuschnee. Ich fahre bei leichtem Regen weiter hinauf. Den Lac de la Lande lässt man unterhalb der Straße liegen – er ist weit weniger romantisch als der See Blanchemer zuvor. Kälte und Nässe erfassen mich auf der Route des Crêtes vollständig und ich zittere mich zum Col de la Schlucht. Dort ist aber kein einziges Lokal mehr geöffnet, nur noch ein einziges Ausflugslokal hat überhaupt Betrieb – aber nur zur Tageszeit. Das Hotel, im Jahr zuvor noch in vollem Betrieb, scheint auch geschlossen – ob für immer, konnte ich nicht ausmachen. So muss ich ohne mich Aufzuwärmen den Berg hinunter – unabdingbar von Schüttelfrost begleitet. In Munster mag ich nicht mehr weiter, obwohl der Camping durch die Parzelleneinteilung für Einzelcamper überteuert, eher für Mobilheim- und Blockhausbewohner geeignet. Auch die Sanitäranlagen sind für die Gebühr recht bescheiden. Mit etwas Glück kann man im Elsass sogar ein Gîte mit Dach für denselben Preis finden. Eine schwache Regenphase erlaubt mir so gerade eben das Zelt aufzubauen. Mo 30.4. Munster – Turckheim – Collet du Brand (327m) – Niedermorschwihr – Trois-Épis – D11-8/D11-1 (Golfplatz) – Labaroche-la-Chapelle – Col du Herrenwasen (708m) – Labaroche – Orbey – Col de Bermont (642m) – Lapoutroie – Hachimette – Fréland – Kalbin – Ursprung – Col du Seelacker (676m) – Riquewihr – Ribeauville92 km | 11,8 km/h | 7:46 h | 1825 Hm E: Kartoffeln, Kasseler m. Munsterkäse überb., Salat, Rw, Heidelbeertorte, Cafe 27,10 € Ü: C Municipal 8 € Nach der Regennacht benetzt die Vogesenhöhen ein weißes Winterkleid. Doch habe ich die größten Höhen bereits hinter mir und darf so hoffen, dass ich dem nahen Angesicht des Winters entkomme. Im Munstertal gibt es selbst nach mehrfachen Besuchen immer noch was zu entdecken. Als erste Höhenleistung sollte es zum Wallfahrts- und Kurort Trois Epis aufwärts gehen, doch schiebt sich zwischen Turckheim und Niedermorschwihr bereits eine zusätzliche Weinberghöhe dazwischen (man kann auch direkter von Turckheim auffahren). Vom Collet du Brand geht es wohl ohne Höhenmeterverlust auf Asphalt durch die Weinberge auch Richtung Trois Epis, doch lohnt der Umweg über Niedermorschwihr unbedingt – eines der weiteren von vielen malerischen Elsassdörfern. Der Anstieg dann weniger spektakulär, auch Trois Epis bietet dem Radler wenig, an trüben Tagen schon gar nicht. Sehr lieblich geht es nach Abfahrt vorbei am Golfplatz von Ammerschwihr vorbei erneut hinauf. Entlang des Walbaches ist es bereits sehr grün, Frühling jubelt im Auge. Der Pistenabzweig (nicht ausgeschildert) zum Col du Herrenwasen ist wenig einladend, da der Regen den Boden unangenehm matschig gemacht hat. Auch sehr furchenreich, insgesamt keine Empfehlung, wie auch mein Eindruck von oben ist, als ich den Pass noch von Labaroche aus ansteuere (dort über Stichstraße und Piste gut und leicht zu erreichen). Es würde schlicht durch dichten Wald gehen ohne Besonderheiten. Auch mein Abstecher von Labaroche aus lohnt eigentlich nicht. Labaroche verteilt sich auf einen Unter- und Oberteil, ein sehr verzweigte Gemeinde, auch nahezu ohne Infrastruktur, aber doch wohl als Wohngebiet beliebt. Ein Agrarmuseum vermittelt Bäuerliches, ist allerdings natürlich zur Mittagszeit geschlossen. Eindrücklich begleiten Löwenzahnwiesen nach Orbey hinunter. Der recht geschäftige Ort liegt strategisch wichtig an einer Verzweigung für verschiedene Vogesenauffahrten – so auch ein Basisort für Wintersport, strahlt Bergatmosphäre aus. Den Col de Bermont hatte ich bereits bei einer anderen Vogesentour von der Nordseite versucht, aber verfehlt, da dort nicht ausreichend ausgeschildert. Ein anderes Mal reichte die Zeit nicht mehr für einen erneuten Versuch. Nun endlich konnte ich ihn fahren – ein durchaus lohneswerter Kurs über offene Wiesen, besonders auf der Nordseite mit weitem Panorama ins Vallée de Kaysersberg. Ein Hauch von wärmenden Sonnenstrahlen macht die Sache noch schöner – sogar das Zelt trocknet. Fréland ist eine alter Mühlenort mit einem ungewöhnlichen Museum – genau genommen die drei Museen Barlier. Präsentiert wird Schmiedekunst von Handwerkszeugen. Ambroise Barlier führte die einzige durch Wasserkraft betriebene Schmiede in ganz Frankreich. Heute wird Ambroise durch einen Roboter dargestellt, den der Enkel entwickelt hat. Weitere Roboter sind hinzugekommen und können vom Besucher per Knopfdruck in Gang gesetzt werden. Während das Äußere vom ersten Fahrrad von Fréland geziert wird, gibt es im Inneren eine Kopie der Laufmaschine von Baron von Drais zu sehen. Leider – die Beschreibung ist nur zitiert – ist das Museum nur auf Anfrage und für Gruppen mit Mindestgröße zu besichtigen. Die folgende Kalbinroute oberhalb Fréland per Abzweig (kurze Steilrampe) zu erreichen, ist wohlmöglich komplett asphaltiert zu fahren. Vermutlich bin ich auf eine untere Variante (Ausschilderung Ursprung) gerutscht, sodass ich einen Pistenteil vorgefunden habe, kam aber später wieder auf die asphaltierte Variante zurück. Die Besiedlung ist etwas unübersichtlich. Im westlichen Teil gibt es verteilte Häuser, teils im Wald, teils auf panoramareichen Bergwiesen. Nicht alle scheinen bäuerliche Betriebe zu sein, sondern auch Jahreszeit- oder Wochenendhäuser sind wohl darunter. Nach Osten wird der Wald dichter, dort gibt es weder Besiedlung noch Aussicht. Der Abstecher über eine recht gut fahrbare Waldpistenschleife mit dem Col du Seelacker lohnt eigentlich nicht, da nur dunkler Nadelwald. Wer sich für gut offroad-tauglich hält, hat vom Col du Seelacker noch verschiedene Alternative ins Tal (Ruine Bilstein, Bilsteinthal, Hunawihr). Kommt man die Asphaltstraße hinunter in die elsässischen Weinhänge, hat man gleich Riquewihr vor Augen. Das schmucke Weindorf habe ich bereits im Rahmen der 2011er-Vogesenberichte ausführlich vorgestellt. Diesmal als nur ein paar Varianten des Panoramablickes in der Bildergalerie. Nur wenig weiter erreiche ich das nicht weniger museumsträchtige Ribeauville mit dem mir ebenfalls schon bekannten Camping am unteren Ortsrand beim Sportplatz. Di 1.5. Ribeauville – Col de Fréland (831m) – Kalbin – Fréland – Kaysersberg – Houssen – Barrage de Marckolsheim – Königschaffhausen – Kichelingsberger Eck (397m) – Schelingen – Bahlinger Eck (434m) – Bahlingen – Nimburg – Mundingen – Landeck – Brunicher Berg/Freiamt-Eckle (420m) – Brombach – Kenzingen 20:23 || per Bahn || 23:25 Stuttgart120 km | 15,0 km/h | 7:59 h | 1365 Hm E: Döner, PF, Salat, Bier 8,50 € Ich erwähnte bereits, dass der Tag eine Reihe von Fragezeichen bzgl. der Wetterentwicklung setzte. So kann ich den Tag nur als Verlegenheitslösung bezeichnen. Noch sehr schön, da auch sonnenbegleitet, verlief der erste Tagesteil. Der Col du Haut de Ribeauville ist ein recht lieblicher Pass, mit viel Grün und recht viel Blumen am Wegesrand, sodass eine Wiederholung durchaus lohnenswert ist. Kleinere Passagen des Passes enthalten noch Pflastersteine, die aber echt gut fahrbar sind und der Strecke einen besonderen Charakter verleihen. Mehrere Destillerien erlauben auch hochprozentige Besichtigungsabstecher, wenn die Beine mal durchhängen sollten. Ich fahre den Pass aber nicht aus, sondern nehme die mir noch nicht bekannte Variante zum Col de Fréland, der etwas anspruchsvoller ist als der untere Teil des Ribeauville-Passes. Hier gibt es mehr Buchenwald, einen Ausblick zu den Burgen bei Ribeauville und später die kleine Weidehochebene um Aubure unmittelbar vor der Passhöhe. Wieder im Vallée de Kaysersberg wähle ich die Radwegvariante, die eine Empfehlung ist. Man fährt direkt neben dem Bachlauf und unter lichten Buchenblattdächern durch. Kaysersberg ist erwartungsgemäß gut besucht, Maiglöckchen (muguet) werden in kleinen Bünden gerne verkauft. 2-3 Maiglöckchenstengel sind ausreichend, um einem Menschen, den man mag, zu beglücken – selbstverständlich meistens die Geliebte. Der Brauch ist in Frankreich wesentlich älter als der Tag der Arbeit als politischer Feiertag, ein lieber Brauch, der auf das Mittelalter zurückgeht. Etabliert wurde Maiglöckchen zu verschenken unter Karl IX., der 1560 seinen Hofdamen mit den weißen Giftlilien seine Zuneigung beteuerte. Die Fahrt durch das Kaiserstuhlgebiet litt unter dem sehr tristen Himmel. Recht hübsch war es daher, nochmal durch leuchtend grünen Buchenwald bei Freiamt zu fahren. Hier standen dann auch die Maiglöckchen und Maikräuter um den hoffnungsfrohen Frühlingsmonat einzuläuten. So ganz gelungen war das Geläut wohl nicht – der Mai zeigte auch noch später ein ziemlich giftiges Gesicht, wie die spätere Juratour um Himmelfahrt untermauerte. Aber immerhin: Maiglöckchen statt Schnee – das ist ja schon eine versuchte Liebeserklärung an den Frühling. Bildergalerie Tour II (170 Fotos, bitte auf Bild klicken):
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen |
Geändert von veloträumer (12.02.19 18:47) |
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#918764 - 12.03.13 22:43
Re: Vogesen-Tripel 2012
[Re: veloträumer]
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Die letzte Folge... III. Nord-Vogesen mit Schwarzwald: Tour de la Petite-Pierre – oder: Alsace meets Cuba2-3 Tage | 347 km | 3715 Hm Neben dem gesetzten Ziel mit Abendtermin in La Petite-Pierre, sollten auf dieser Tour auch noch einige Nischen beradelt werden. Im Schwarzwald sollte es die Gaißtal-Route bei Bad Herrenalb sein (Teile bin ich mal im Rahmen einer Forumstour gefahren), die Begehung der Laufbachwasserfälle in Loffenau sowie den Murgtal-Baden-Baden-Übergang via Schloss Eberstein. Am Sonntag retour bis zur Oberrheinbahnstrecke in Rastatt konnte ich die geplanten kleinen Pässe in den Nordvogesen mit einigen idyllischen Plätzen alle abfahren, allerdings unter Verzicht auf eine längere Rastpause. Die größte Beachtung verdient dabei vielleicht der Col de Kundschaft ob seiner verträumten Sumpf- und Tümpelbiotope. Statt einen größeren Bogen über Bitche zu fahren, habe ich in Lemberg eine Abkürzung über einen neu eingerichteten, asphaltierten voie verte genutzt – ein Tipp auch insbesondere für weniger bergfähige/-willige Pedaleure. Fr 3.8. Stuttgart – Leonberg – Rutesheim – Perouse – Hausen – Neuhausen – Schellbronn – Unterreichenbach – Langenbrand – Höfen – Dobel (689m) – Bad Herrenalb 75 km | 17,1 km/h | 4:24 h | 1285 Hm E (Schw.stube): Hirschgulasch, Spätzle, Rotkohl, Rw, Schw.kirschtorte, Cafe 24,70 € Ü: C Bad Herrenalb 10 € Unscheinbar als Schnellroute gefahren, da einer meiner Standardrouten Richtung Westen. Hätte auch noch Loffenau oder gar Gernsbach schaffen können, wird aber dann zunehmend schwieriger mit dem Zelten. In Bad Herrenalb ist die kleine Zeltwiese ganz am Ende des Campings, der Platz wird deutlich von Stammcampern (Wohnwagenhäusle) dominiert, Autoparkplätze sind heilig. Die Sanitäranlagen sind zwar gut, sonst aber eher nicht zu empfehlen. Wirt auch ein bisschen muffig – wie Schwarzwälder halt so sind. Meinte zunächst, es wäre kein freier Platz mehr, aber ich könne ja mal schauen. Hab ihm dann berichtet, dass ich auf seiner Wiese noch eine ganze Fußballmannschaft mit Zelten meiner Größe platzieren könne. Es kommt halt drauf an: Da stand eine Zelt, das hatte die Stellfläche von fast 10 Zelten meiner Größe. Jeder hat halt andere Ansprüche. Ruhe gab es auch nicht, die einen lärmten mitten in der Nacht – so Art Partyzelter, die anderen waren als Kinderfamilie schon vor 5 Uhr morgens am Quasseln. Liest man die Speisekarte der Klosterscheuer, läuft einem das Wasser im Munde zusammen. Gerühmt werden vor allem hausgemachte Maultaschenspezialitäten. Ungewöhnlichst: Bratwurst aus Forellefilet (sic!). Leider ist der Andrang so groß, das ich auf eine andere Lokalität zurückgreifen muss. Ist aber auch okay gewesen. Sa 4.8. Bad Herrenalb – Gaistal – Rißwasen (576m) – Loffenau (kleine Wanderung Laufbach-Wasserfälle) – Lautenbach – Gernsbach – Schloss Eberstein – Baden-Baden-Lichtental – Steinbach – Rheinmünster-Söllingen – Greffern Fähre || Drusenheim – Haguenau – Pfaffenhofen – La Petite-Pierre130 km | 17,2 km/h | 7:32 h | 1085 Hm E (La Gourmand): Kalbschnitzel in Sahnesauce, PF, Rw, Cafe 17,40 € Ü: C privat 0 € Das Gaißtal ermöglicht eine schöne Waldroute, Richtung Rißwasen liegen Weiler – wieder wiesenpickende Hühner – und ein Mühlenrestaurant. Nähe Rißwasen üppige Blumenwiesen. In Loffenau mache ich einen Abstecher zu den Laufbach-Wasserfällen. Das Wasser schleicht über glatt geschliffene Felsrinnen zu Tal – weniger Fälle als schnelle fließende Gefällstrecken – eben wie der Name der Fälle nahe legt „laufendes Wasser“. Begehen kann man sie von oben oder von unten, Rad muss man abstellen dafür. Nicht sehr spektakulär, aber ein idyllisches Fleckchen. Eine weitere Empfehlung ist die Halbhöhenroute nach Lautenbach. Sie führt mit Panoramablicken auf die Badener Höhen und weiter ins Rheintal durch Streuobstwiesen – Walnüsse, schwer tragende Apfelbäume, Zwetschgen und mehr. Danach fällt die Strecke steil über Lautenbach ins Murgtal ab. In Gernsbach fällt mir etwas versteckt ein interessanter Garten auf. Es handelt sich um einen Ziergarten mit Figuren und Motiven von der Renaissance bis ins Heute, ein Haus japanischer Gartenkultur, ein Froschkönig mit übergroßer goldener Kugel über ihm. Der Garten wird gerade hergerichtet. Es handelt sich um den Katz’schen Garten – ein Schaugarten aus privater Hand Anfang des 19. Jahrhunderts geschaffen und seit gut 10 Jahren durch einen Bürgerverein wieder mit neuem Leben erfüllt. Dazu habe ich bereits das Bilderrätsel 805 gestellt, die entsprechenden Bilder gibt es auch nur dort – in der abschließenden Bildergalerie hier ist der Garten nicht mehr berücksichtigt. Unter den Übergängen nach Baden-Baden war ich noch nie über Schloss Eberstein gefahren. Die Burg aus dem 13. Jahrhundert thront über dem Murgtal, zu Teilen umgeben von Weinbergen, die heute die Grundlage für schlosseigenen Tropfen bilden. Nebst Weingut kann man insbesondere fein Essen, ein Michelin-Stern die Visitenkarte. Reiche Leute gibt es hier in der Baden-Badener Vermögensschutzzone genug, die Eigentümerfamilie muss nicht Hunger leiden. Das Schloss liegt an einer Spitzkehre, die Aussicht nach Gernsbach bei der Auffahrt aber nur lückenhaft, da der Wald die Sicht nimmt. Die Höhenstraße führt dann weiter vorbei an einem verträumten Brunnen, alsbald dann auf die L78 – die direktere Variante von Gernsbach. Unter Vermeidung der Stadt Baden-Baden zweige ich gleich in Lichtental über ein kurzes Stück der Schwarzwaldhochstraße ab, um dann in die Rheinebene abzugleiten. Zwischenstopp am Baggersee zu Rheinmünster-Söllingen, der so etwas wie Sanddünen vorzuweisen hat. Unregelmäßig kommt ein Italiener mit Eiswagen vorbeigefahren. Jeder gemütliche Aufenthalt ist aber schon fast eine Weil zuviel, die Kultur ruft. Bis zum Vogesenrand steht nur noch linear-flaches Kilometerraspeln auf dem Programm. Kleine Atempause in Pfaffenhoffen bei ein paar surrealistischen Fassadenmalereien à la Salvador Dalí. Die Ausschilderung nach La Petite-Pierre führt nördlich an Bouxwiller vorbei über Weiterswiller, wahrscheinlich ist es ruhiger und entspannter über Ingwiller und Sparsbach zu radeln. Ab Weiterswiller steigt die Straße an, nicht sehr steil, aber doch für einen eilige Terminsache lästig. Aus Hügelackerland wird dichte Waldflora. Für den Weg zum abseits gelegenen Camping in Imsthal ist es zu spät, da ich noch etwas gegen den knurrenden Magen brauche. La Petite-Pierre steht derweil ganz im Zeichen des Jazz: Sogar das Restaurant bietet nicht Speisekarte sondern „carte jazz“ an. Für einen 600-Einwohnerort eine große Herausforderung: Fast zwei Wochen Jazz auf Weltniveau, teils Doppelkonzerte an Nachmittag und Abend. Zwar gibt es erstaunlich viele Gastbetriebe für die Ortsgröße, doch wie sind die ausgelastet, wenn kein Festival läuft? Mitten in der Provinz? – etwas Wandertourismus, kein Wintertourismus. La Petite-Pierre liegt auf einem Felssporn, heißt zu Deutsch Lützelstein, was auf die Felslage anspielt. Dort im oberen Ortsteil befindet sich auch die Burganlage aus dem 12. Jahrhundert, deren exponierte Lage aber nicht zu allen Seiten sichtbar ist. Zwischen Burg und Kirche befindet sich ein Burggartenareal, das sich hervorragend als Konzertbühne eignet. Bei schlechtem Wetter muss das Festival in eine kleine Halle ausweichen (leichter Regen wird durch ein Zeltdach abgehalten). Doch erlebe ich hier eine äußerst milde Sommernacht – kaum ein Unterschied zu Korsika oder – Kuba, der Heimat des Hauptakteurs. Unter den zahlreichen attraktiven Acts musste ich mir ja genau einen Auftritt raussuchen, der an einem Samstagabend stattfand. Umso besser, das mir der Zufall den vielleicht mir am meisten geneigten Auftritt in die Hand/ins Ohr spielte. (Andere Konzerte, die mich interessiert hätten: Zakir Hussain, Boubacar Traoré, Kenny Barron & Mulgrew Miller, Bojan Z, Anouar Brahem Quartet, Avishai Cohen Trio.) Die Karte hatte ich noch vor dem Essen besorgt, der Eintritt ist hier sehr moderat mit 18 Euro. Grundlage ist, dass nahezu alle Gewerbe des Ortes, Privatleute, die Region und das Klassikfestival von Saverne die finanzielle Basis für ein solch hochkarätiges Festival in der Provinz legen. Diese Geschlossenheit aus Bevölkerung, Wirtschaft und öffentlicher Hand macht denn auch die Atmosphäre sehr sympathisch – das ist überall zu spüren – organisch und geerdet. Die laue Sommernacht erfüllt dann Roberto Fonseca mit seiner aktuellen Gruppe mit Rhythmen und Klängen zwischen Kuba, Afrika, Jazzharmonien, Rockidiomen und orientalischer Melancholie. Heimlicher Star des Auftritts ist der malische Perkussionist Baba Sissoko, der nicht nur, aber insbesondere mit seiner Sprechtrommel alle Register zieht und seine bunt durchsetzten Rasterlocken dabei fliegen lässt. Roberto Fonseca gehört zu den immer wieder nachwachsenden Pianistentalenten aus Kuba, die die Spitze des Virtuosentums scheinbar spielend leicht erklimmen. (Musikausbildung funktioniert seit je her in Kuba immer gut.) Sein Aufstieg führte über den Buena Vista Social Club, wo er den Altmeister Rubén González ersetzte und der mittlerweile verstorbene Kultsänger Ibrahim Ferrer zu seinem wichtigsten Mentor wurde. Nachhaltig aber auch immer über den Horizont schauend, erweiterte er seine Spielfläche weit in den internationalen Jazz hinaus – etwa mit Herbie Hancock und Wayne Shorter. Ein Bild könnt ihr euch machen über eine Auszug aus meiner eigenen Rezension im Jazz Podium 4/2007 (S. 67) zu Fonsecas Album „Zamazu“ (2007, Enja Records): Um als junger Jazzpianist in Kuba eine internationale Karriere zu starten, ohne in den Fußstapfen der großen Meister von der Zuckerinsel zu versinken, bedarf es schon einer Originalität, die weit über die reine Könnerschaft hinausreicht. Vordergründig also einer, der über showtaugliche Allüren als Teufelspianist Publikum und Bandmitglieder in Ekstase versetzen und notfalls auch die Frauen als Mannequin in Machopose betören kann. Oder einer, der als HipHop-Produzent und Filmkomponist Geld verdient, und doch weiß, dass das Plakative der Feind der Hohen Kunst ist. Ein solcher ist Roberto Fonseca, denn wer sein neues Album „Zamazu“ hört und den „Was kann der spielen!“-Effektpianisten in der Band von Ibrahim Ferrer in Erinnerung hat, der wird ob der vielen leisen, sehr lyrischen Töne bis hin zur Monkischen Abstraktion überrascht sein. Fonseca setzt auf variable Besetzungen, die jedem Stück eine eigene Klangfarbe und dem ganzen Album eine bestechend reiche Vielfalt verleihen. … Zwischen aller Poesie versteckt sind sie dann doch noch, die rasenden Tastenläufe, die romantisch orchestrale Strahlkraft, die hymnisch-rocklastigen Cluster, das virtuose Feuer auf dem Klavier. Soviel intelligente, gleichwohl schöne wie pulsierende Musik macht süchtig.Es gibt zwar auch ein paar (inoffizielle) Videos aus Petite-Pierre bei YouTube, ich habe jedoch schon aus klangtechnischen Gründen andere Klangbeispiele ausgewählt: Roberto Fonseca „Clandestino“ aus CD „Zamazu“ (4:46 min.)Roberto Fonseca „Cuando Uno Crece – live 2010” (6:45 min.)Fonseca in Marciac – Interplay mit Baba Sissoko (3:43 min.)Ein erhebendes Konzerterlebnis mag einen positiven Schlummerfaktor haben, doch wo bettet man sich in einem Ort umgeben von unzugänglichen Wäldern? Ich hatte angedacht, ein Stück zurückzufahren, wo ein Abzweig wohl zu einer Wiese führte. Dennoch suchte ich trotz der mehrere Hunderte von Menschen auch die Ränder der Burganlage mit dem Auge ab, ob vielleicht eine geschickte Nische zu finden wäre. Da sprach mit ein Mann mit Frau an: „Sie suchen doch was? Sie suchen noch was für die Nacht?“ Der Mann hatte offenbar einen geschulten Blick. Es ergab sich, dass er Einheimischer war, mit Elsässerin verheiratet und hier im Ruhestand lebend, aber gebürtig und arbeitend gewesen im Kölschen Rheinland – also so eine Art Blutsverwandter. Es stellte sich heraus, dass er schon öfters Radler in seine Garten eingeladen hatte, um zu campieren, er selbst auch dem Radeln nicht abgeneigt ist und meine beabsichtigte Nächsttagesroute kritisch beäugte. So fand ich mich bald in einem schönen Elsässer Garten wieder, weiche Wiese, Aussicht vorhanden. Den verpassten Nachtisch bekam ich auch noch in Form von selbstgebackenen Kuchen beim Mitternachtsgespräch (internationale Radgeschichten, Bankwesen), nebst Frau auch noch der Sohn mit Frau (aus Nizza stammend). Tja, komische Dinge, die man so auf Radreisen erlebt – schöne natürlich derweil. Ich sage hier mal offiziell Danke!, obwohl ich ja mal wieder den Namen vergessen haben – Haus würde ich aber wieder finden, so weit ist es ja auch nicht weg. Zwei Radetappen westwärts eben. So 5.8. La Petite-Pierre – Erckartswiller – Col de Pfaffeneck (318m) – Puberg – Col de Puberg (325m) – Wingen – Goetzenbruck – Lemberg – voie verte/RF – Col de Widerschall (392m) – Mouterhouse – Col de la Kundschaft/Col du Kammbühl (354m) – Reipertswiller – Rothbach – Zinswiller – Col d'Holdereck (408m) – Col de l'Ungerthal (438m) – Oberbronn – Reichshoffen – Eberbach – Gunstett – Betschdorf – Hatten – Beinheim – Rastatt || per Bahn || Stuttgart142 km | 14,6 km/h | 9:44 h | 1345 Hm E (Lehners Wirtshaus): Bier, Schweinebraten, Kloß, Krautsalat, Apfelküchle m. Vanilles., Cafe 19,80 € Der eigentliche radlerische Vogesentrip dieser Wochenendtour war denn auch gleich der Rückreisetag. Der Kölner wollte von meiner frühmorgendlichen Erweckung nichts wissen (Rentner möchten ausschlafen), sodass ich La Petite-Pierre in ländlicher Stille verlassen habe. Wie schon eingangs erwähnt, fehlen im Folgenden markante Merkmale. Meist Buchenwald, dazwischen etwas Weideland um die Orte, Puberg dabei auf dem Berg liegend. Auf und ab, machbare Routen auch für bergkritische Radler. Zu den kleineren Sehenswürdigkeiten zählen die Moderquelle und der Stein der zwölf Apostel (Breitenstein). Es handelt sich eigentlich um einen Menhir, dessen Bedeutung sich im Laufe der Zeiten immer wieder änderte. So gehen die Spuren bis in die Steinzeit zurück, der Ort diente ebenso okkulten Handlungen wie auch astronomischen Berechnungen, war vielleicht auch Ort eines Meteoriteneinschlags. Die christliche Deutung erfolgte erst im Jahre 1787, doch wurden die das Kreuz umgebenden Figuren schon wenig später enthauptet (säkulare französische Revolution), nachgewiesen ist die strategische Bedeutung des Ortes für die Rheinarmee, die hier einen wichtigen Wachtposten unterhielt. Die erste offene Bäckerei des Tages finde ich erst in Lemberg, ein Ort, der auch heute noch für die Kristallproduktion bekannt ist. Wo Industrie, da auch Bahn. Am südlichen Ortseingang beim Bahnhof ist ein voie verte ausgeschildert, der erlaubt, nicht über Bitche zu fahren, um auf die Forststraße nach Mouterhouse zu gelangen. Ich nehme die zufällige Gelegenheit gerne an, der Rad- und Wanderweg ist durchgehend asphaltiert und noch ganz neu. Leicht zu fahren, nett durch Buchenwald. Der Bahntrassenweg mündet auf besagte Forststraße, auf der es steigungsarm nicht mehr weit zum Hochpunkt ist. (Alternativ kann man die Route auch für den Weg nach Bitche benutzten, dann Straße runterfahren). Auf der Südseite dann ein sumpfiges, stilles Tal, ein bisschen Vogesen-Urwald dabei. Mouterhouse ist Angelrevier, der See dort dient dem geordneten Fischfang, überall Stege – der Franzose angelt mehr als das er baden geht. Man muss dann noch vor Baerenthal zur Route de Kundschaft abzweigen. Hier hat man radlerisch wieder einen echten Pass unter dem Pedal, wenngleich kein großer. Unten vermoderte Teiche, idyllisch, still, mystisch, oben mal geordneter, mal ungeordneter Wald. Die Südseite mit etwas gepflegteren Teichen, auch hübsch, schattig. In Reipertwiller gab es mal eine bedeutende Gesundquelle, heute muss man sich mit Wasser ohne große Erwartungen begnügen. Für Radler ist aber jedes frische Wasser ein Genuss. Danach nochmal idyllische Teiche, Auenwiesen im Rothbachtal. Noch eine Bergroute hatte ich ausgespäht. Bei Zinsweiler zweigt man zunächst ab entlang der Zinzel du Nord, nimmt aber wenig später die erneut abzweigende Forststraße „Daumen-Linsenthal“. Diese ist auch voll asphaltiert und führt quasi um den Falkenberg herum, wobei man vom Holdereck etwas runterfährt, bevor es zum Col de l’Ungerthal nochmals kurz hoch geht (restliche Körner bewahren). Die Steigungen sind hier teils recht steil, die Route ist aber ohnehin eine reine Luxusroute für Radler, die nirgendwo hin wollen. Im unteren, noch flacheren Bereich kann man zu einem kleinen See abzweigen, in dem schöne Seerosen wachsen – weiße und rote. Auch dieser Sommertag ist etwas gemischt, nach nebligem Morgen, recht drückend schwül, aber auch immer wieder bewölkt, sodass gar dunkle Wolken kurz aufziehen. Doch bleibt es trocken, derweil die Route mehr auf und ab führt als vermutet, weil ich eine Umleitung nehmen muss. Den Abschluss bildet das empfehlenswerte Lehners Wirtshaus in Rastatt, das über ein für mich besonders gut bekömmliches Kellerbier verfügt. Die Dirndl-Kleidung wird auf der Speisekarte auch erklärt, wie rum der Knoten, die Schleife sein muss, damit man sieht, ob Fräulein noch zu haben ist. Die Bedienung muss also aufpassen, wie sie bindet, sonst werden niedere Jagdinstinkte geweckt. Bildergalerie Tour III (125 Fotos, bitte auf Bild klicken):
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#922060 - 22.03.13 18:31
Re: Vogesen-Tripel 2012
[Re: veloträumer]
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Ich setz mir jetzt einfach mal fixe Lesezeichen zu Deinen Touren. Auch diese Beschreibung ist ganz nach meinem Geschmack. Ich möchte mich schlicht mal herzlich für diese kompetenten und informationsreichen Anregungen bedanken. Vieles möchte ich einfach nur mal nachfahren.
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Allen gute Fahrt und schöne Reise. | |
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#1091659 - 30.12.14 22:10
La Petite-Pierre revisited 2014
[Re: veloträumer]
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Dem scheinbar abgeschlossenen 3-Touren-Bericht aus 2012 möchte ich hier noch eine Fortsetzungsgeschichte aus 2014 anhängen, die sich unmittelbar auf die letzte (dritte) Tour bezieht. Gleicher Zielort, aber ein diesmal südlicher Anschlusstag in den Nordvogesen. IV. La Petite-Pierre (LPP) revisited 2014 – oder: Über die schwierige Mission eines rheinischen Sattelkuriers aus Schwaben im provinziellen Elsass offenherzige Sachsen zu treffen um mediterrane Weltmusik und amerikanischen City-Groove zu hören3-4 Tage | 360 km | 3775 Hm Lesemusik (zum 1. Musik-Act): Renaud Garcia-Fons „Aqa Jan“ aus: „Entremundo“ (7:51 min.)Gewiss, ein Kurierdienst ist Terminsache. Nichts ahnend legte ich mich bereits ca. 10 Wochen zuvor auf eine scheinbar profane Wiederholungsreise nach La Petite-Pierre fest, bereichert um ein paar Schleifen durch die Nordvogesen. Ich vereinbarte Birgit und Hans zu treffen, ein Paar aus der Nähe von Freiberg in Sachsen, wobei er mir als freier Mitarbeiter immerhin über Fernkommunikation bekannt war. Die Kuriersache war also so etwas wie einen Mitarbeitergruß zu übermitteln (wie üblich sind aber Kurierangelegenheiten meist Geheimsache und bleiben daher unter Verschluss). Beide hatte ich u. a. durch meine Vogesen-Reisen, speziell durch die Schilderung des Jazzfestivals in La Petite-Pierre animiert, dort für die Dauer des gesamten Festivals Urlaub zu machen. Für Sachsen sind Elsässer Fachwerkhäuser mit ihrem Blumenschmuck und den vielen Details, die die Bewohner gerne dort anbringen, eine wunderbare Welt, die zu entdecken lohnt. (Und ich seh’s immer wieder gerne.) Die roten Felstürme im Pfälzer Wald und den Nordvogesen könnte man gar als eine parallele Steinsagenwelt zur Sächsischen Schweiz interpretieren – es gibt also Anknüpfungspunkte. Gewiss, Birgit und Hans sind keine Radler, auf Reisen Italien-geneigt, aber eher Frankreich-Neulinge, wenngleich mit kleiner Vorerfahrung im Elsass. Umso mehr bewunderte ich die Entscheidung, die fast urwaldeinsamen Nordvogesen aufzusuchen, um Musiker von internationalem Rang zu erleben – und nicht das allverdächtigte Stuttgart mit Elite-Jazzclub und einem gehypten sommerlichen Jazz-Event, das noch seinen Stil und seine kulturelle Identität sucht, die über „wir sind Schwaben, wir können alles … wir haben das Geld dafür“ hinausreicht. Kultur braucht zwar Geld, aber sie ist doch noch nicht käuflich – zumindest manchmal nicht. Die nicht gekaufte Kultur muss man suchen, finden, entdecken – sie wird einem nicht nachgeworfen. Das ist ihr Geheimnis. Wenn Orte diesem Geheimnis Raum und Atem geben, dann haben sie selbst Kultur, dann sind diese Orte des Verweilens wert, wie es ein entschleunigter Mensch mal gerne erlebt. Wie mir Birgit und Hans glaubhaft versicherten, waren sie von der elsässischen Gastfreundschaft und dem charmanten wie ebenso kompetenten Festivalambiente schlichtweg begeistert, was bei den erfahrenen Festivalgängern von Großevents zwischen Düsseldorf, Dresden und der jazzahead Bremen etwas heißen will. Ich selbst konnte nur einen wochenendnahen Termin aussuchen – bei der faszinierenden Programmgestaltung dieses feinen Festivals ist aber immer was für mich dabei. Es kam mir besonders gelegen, einen meiner Lieblingsmusiker, den Bassvirtuosen Renaud Garcia-Fons zu erleben. Eine satte Neo-Hardboptruppe mit brillantem Groove und Bläsersound wie The Cookers konnte als Ergänzung dabei natürlich nicht schaden. Garcia-Fons steht auch für so etwas wie einen musicien mediterranée, umfasst doch sein stilistischer Horizont verschiedenste Mittelmeerregionen von der Iberischen Halbinsel bis zum Nahen und Mittleren Osten. Für einen Mittelmeermusiker hatte ich natürlich auch Mittelmeersommerwetter im August zu hoffen gewagt – zumal es vor zwei Jahren mit dem Kubaner Roberto Fonseca und einer elsässischen Karibik-Sommernacht auch geklappt hatte. Doch 2014 war natürlich gaaaaanz anders. Ich erlaube mir meine grafischen Interpretationen meiner eigenen Fotos nochmal ein Stück auszubauen, auch den Musikercharakteren so näher zu kommen. Renaud Garcia-Fons erscheint in einer Bilderfolge, des Abtauchens in die Tiefe des Bassspiels, den nachdenklichen Ton, sich steigernd in die ekstatische Hingabe, die Loslösung von der Umgebung in das eigene Ich des Künstlers, dem plötzlichen Auftauchen mit einer Portion musikalischen Humors bis hin zum schmunzelnden, spielerisch leichten Schweben über dem scheinbar so schwerfälligen Holzkorpus bis der Bass nur noch zu singen scheint. Vom philosophisch-kreativen Franzosen über das Geheimnisvolle des Orients, das Rhythmische des Blues bis zur Offenherzigkeit des Katalanenblutes. Am Schluss bleibt der lächelnde Triumph des musikalischen Charmes. Je einem „realen“ Foto der Hauptakteure bei The Cookers habe ich je eine Bild-Interpretation gegenübergestellt. (Die banddienlichen, dadurch wirksam dem Ensemble den Boden bereitenden Billy Harper an den Drums und George Cables am Piano vermieden es, sich irgendwie optisch in den Vordergrund zu drängen und blieben so von mir kameratechnisch unbeachtet.) Da ist der recht klar agierende Tenorsaxophonist Billy Harper, ein bühnenpräsenter Gentleman, sein scheinbar leicht zu durchschauendes Spiel, wenngleich facettenreich wie in ein feingliedriges Mosaik. Da ist der Neuzugang Donald Harrison, ein Wirbelwind am Altsaxophon, der entgegen seiner unscheinbaren Statur großartige Soli herauszublasen und die Show an sich zu reißen vermag. Da ist der Trompeter Eddie Henderson, klar und strahlend im Ton, abstrakt defragmentierend die Sequenzen wie geometrische Figuren, im offbeat versetzte Muster aus blue notes und der virtuosen Brillanz des Tonhöhenspiels. Da ist David Weiss, der Lenker und Denker der Truppe, um den Gesamtklang bemüht, nicht weniger klar im Ausdruck am Horn, aber leicht kühl, ein understatement im Soloklang, ein Meister in der Gestaltung des Ensemblesounds. Und dann ist da noch der Altmeister am Bass, Cecil McBee, ein alter, weiser Mann würde man sagen, mit edelgrauem Haar, elegant in der Erscheinung, ebenso im Klang, doch nicht minder moderne Patterns spielend, wie ein Schachspieler in klaren Linien, aber faszinierend von spontaner Spielintelligenz ebenso wie von kompositorischer Komplexität getrieben. Das ganze gepackt in einen treibenden Ensemblesound, der die Köpfe frei macht. 14.8. Stuttgart- Leonberg – Perouse – Hausen – Neuhausen – Monbachtal – Unterreichenbach – Engelsbrand – Neuenbürg – Conweiler – Marxzell – Burbach – Moosbronn – Freiolzheim – Waldprechtsweier – Malsch (+)AE (Asia-Imbiss, Malsch): Ente in Erdnusssauce, Gem. Reis, Bier 9,50 € Ü: C wild 0 € 92 km | 16,2 km/h | 5:46 h | 1405 Hm Der Anritt über den Schwarzwald verlief schon unter schweren Wolken, die aber noch an Ladehemmungen litten. Ein kurzer Gewitterschauer verzögerte den Start, es blieb dann aber kühl-trocken bis in die Nacht im Oberrheingraben. Ob kühl oder kalt ist eine Streitfrage, die nicht mehr zu klären lohnt. Immerhin konnte ich am Sonntag gar sommerlich aufatmen und bei starken Winden an den verwehten Sanddünen des Krieger-Baggersees bei Rheinstetten ein verzagtes Bad nehmen. Die Absicht auf dem Camping in Walprechtsweier kippte ich deswegen, weil in diesem von mir erdachten Touristenort die Bürgersteige hoch geklappt waren und Gastronomiebetriebe dort unbekannt scheinen. Trotz der manchmal gerühmten badischen Küche setzte sich derartiger Eindruck eines verarmten, verlassenen Landstriches ohne Lokalitäten weiter fort, denn auch in Malsch fanden sich nur berüchtigte Bretterbuden – wahlweise türkisch oder chinesisch, wobei ich mich für die Asiaten entschied. Es reicht aber nicht mal für eine windstille Ecke – aber dafür hat man ja Windjacken an Bord oder man würzt etwas schärfer nach. 15.8. Malsch (+) – Muggensturm – Niederbühl – Beinheim – Hatten – Betschdorf – Gunstett – Griesbach – Pfaffenhofen – Ingwiller – Sparsbach – La Petite-PierreAE (Rest. beim Chateau): Hähnchen in Sahnesauce, Nudeln, Salat, Rw, Cafe 0 € (eingeladen) Ü: H Aux Trois Roses (in der Lounge) 0 €, + Frühstück (eingeladen) B: 2 Festival-Konzerte Au grés du Jazz: Renaud Garcia-Fons/The Cookers 36 € 96 km | 15,6 km/h | 6:11 h | 780 Hm Mit dem Morgen kam auch der Regen, der nicht mal ausreichend Pause zum Zelteinpacken ließ. Von den Muggensturmer Nussbaumwiesen bis zum Muggensturmer Zentrum reicht es, die Hände schrumpelig zu wässern. Die Stehcafeplätze in Muggensturm sind insgesamt etwa auf sechs Personen begrenzt, die nun mal gleich am Berufsverkehrsmorgen schnell belegt waren. Erst bei der Bäckerei ein paar Regenecken weiter fand die zweite Hälfte der freien Muggensturmer Stühle, sodass ich doch noch zu einem Aufwärmkaffee kam. Nach Westen war aber denkbar schlecht zu radeln. Dass Wind von dort kommt, ist sicherlich Einheimischen vertraut. Dass aber eine atlantische Wasserwand via das gesamte Frankreich über die Vogesenhügel es bis zum Sommer am Oberrheingraben schaffen würde, war schon doch eher eine zarte Erinnerung an die Sintflut-Ereignisse, von denen ein gewisser Pirineosaurus jüngst aus einer anderen Region im Atlantik-Stream zu berichten hatte. Nun bin ich ähnlich schlecht mit modernen Kommunikationsmitteln ausgestattet wie ein Pirineosaurus einst gewesen ist. Das hat seine Vorteile, da man nicht gleich so schnell die Flinte ins Korn wirft und Verabredungen versucht auch gegen einen Regentsunami einzuhalten. Mit ein paar Unterbrechungen bei Starkregen durfte ich mich über die Qualitäten meiner eigenen, mir bisher nicht bekannten Schwimmhaut erfreuen. Gegen Mittag schafften es dann sogar wenige Sonnenstrahlen ins Elsässer Hügelland. Eine freundliche Geste des Gastlandes, vielleicht auch unterstützt unter dem Einfluss seiner sächsischen Gäste. Die herzlich erfreuliche Begegnung mit den Sachsen machte es dann leichter, den ausgefallenen Burgabend zu verschmerzen, derweil die Musiker in der ersatzweise bereit gehaltenen Halle des Ortes aufspielen mussten. Den feinen Nuancen des Solobassspiels von Garcia-Fons kam das auch sicherlich entgegen, wären die Töne bei dem Wind schnell fortgetragen worden. Von der Kälte des Abends wollen wir schweigen – zumal er mit stark prozentigen Elsässer Rebentropfen merklich gut aufgewärmt wurde. Der sicherlich etwas ungewöhnliche Übernachtungsplatz hätte vielleicht auch noch eine kleine Geschichte verdient, die ich aber hiermit mal im Radlerlateinkasten unter Verschluss halte. In jedem Fall scheint der Ort für besondere Übernachtungsformen vorgezeichnet zu sein, wie sich mir wiederholt bestätigte. Zur Route sei gesagt, dass der Anfahrtsweg nach La Petite-Pierre durchaus reizvolle Passagen hat, insbesondere aber über ruhige Straßen führte. Zu bemerken ist, dass in Karten wohl meist als D87 eingezeichnete Straße zwischen der D297 westlich von Kesseldorf und der Einmündung auf die D28 nach Hatten mittlerweile eine reine Radfahrstraße ist. An der D28 ist dann auch noch vor Hatten das Ligne-Maginot-Museum Esch zu finden, wo einst heftige Kämpfe in den Endtagen des Zweiten Weltkrieges zwischen Deutschen und Amerikanern stattfanden. Man möge mir die blutgetränkte Dramatisierung eines Bildes verzeihen, aber im Original schien mir der Platz eines kriegerischen Grauens fast schon zu schön gestaltet zu sein. Erwähnenswerte ist das Töpferstädtchen Betschdorf, sofern an dieser Handwerkskunst Interesse besteht. Die sehenswerten, bemalten Häuserfassaden zu Pfaffenhoffen hatte ich ja bereits auf der 2012er-LPP-Tour berücksichtigt. Sicherlich nochmal ruhiger und ohne den Festivalanfahrtsverkehr führt die Straße über Sparsbach, wobei man allerdings einen kleinen Zwischenhügel mit folgendem Höhenmeterverlust hinnehmen muss. Insgesamt ist aber der Anstieg nach La Petite-Pierre auch auf dieser Variante recht harmlos. 16.8. La Petite-Pierre – Hammerweyer – Phalsbourg – Lutzelbourg – Haselbourg – La Hoube – dev. C.d.l.S. – Col de la Schleif (689m) – Col de la Wetzlach (732m) – Col du Sandplatz (798m) – Windsbourg – Engenthal – Cosswiller – Geissweg/Col du Schanz (414m) – WasselonneAE (Aux Trois Gôuts): Indische Paella, div. Saucen, Fladenbrot m. Käse, Rw, Cafe 25 € Ü: C Municipal 8,80 € 87 km | 12,8 km/h | 6:41 h | 1285 Hm La Petite-Pierre liegt auf einem Berggrat und entsprechend der nahe gelegene Camping doch recht erstaunlich tief unterhalb LPP in einem verwunschenen Sumpftal mit Fischteichen, wie sie in den Nordvogesen typisch sind. Nahebei ist auch die Auberge Imsthal zu finden – wer es komfortabler mag. Bei roten Felsen (Oberhof) liegt die Abzweigung nach Phalsbourg, dem ein mäßiger Anstieg folgt, vielleicht etwas kräftiger zu oben hin. In Phalsbourg, auch als ein kleines Gourmetzentrum bekannt, fällt aus dem symmetrischen Straßenbild mit übergroßem Platz die eigentümliche Kirche hervor. Einen Schönheitspreis würde ich aber nicht vergeben. Der weitere Verlauf nach der Abfahrt entlang des Rhein-Marne-Kanals dürfte im Forum nicht gerade unbekannt sein. Neben dem Schiffshebewerk St-Louis/Arzviller sind hier wie auch folgend Richtung Dabo die vielen Verkaufs- und Produktionsstätten von Elsässer Kristall erwähnenswert. Eine schlicht unfassliche Variantenvielfalt von Formen und Motiven – teils natürlich künstlerisch konstruiert, teils aber auch dem Zufall beim Glasblasen überlassen. Ich verpasste allerdings den Kauf einer geeigneten Glaskugel, ist diese doch eigentlich Voraussetzung für die Teilnahme am Forum, so wie mir auch schon ein Besitz einer solchen unterstellt wurde, ohne die sich mein Radlerlatein offenbar nicht alle Forumistas erklären können. Um eine Variante zur Dabo-Route zu nehmen, bin ich über Haselbourg gefahren. Während sich die Dabo-Route langsam nach oben windet und sich in Zollstock mit der Haselbourg-Route unterhalb des Col de Valsberg zusammenschließt, steigt die Haselbourg-Route durch Buchenwald recht schnell an. Danach bewegt man sich zunächst über einen Berggrat recht panoramareich, fällt aber in der Höhe wieder ab, bevor man zu Zollstock hin wieder stärker aufsteigt. So gesehen ist Haselbourg etwas schwieriger zu fahren als Dabo, sofern man zum Col de Valsberg bzw. zur Cascade du Nideck fahren möchte (vgl. diese Route in: Nordvogesen – Pfingsten 2008). Da ich bereits Valsberg/Nideck gefahren bin, suchte ich eine Variante. Dazu kann man etwas unterhalb Zollstock auf eine Asphaltstraße zum Col de la Schleif abbiegen. Teils hat man Heidekräuter, Blaubeeren, Strauch-Mischwald, bevor sich die dunkleren Höhenwälder ausbreiten. Am Col de la Schleif sind gleich zwei Schutzhütten zu finden, und wo sich gemäß der Auto-Erreichbarkeit auch vielerlei Grillfreunde einfinden können – bei Regen mehr Pilzsammler. Der Col de la Schleif ist aber auch ein Knotenpunkt zahlreicher Wanderwege/Waldpisten, von denen wohl auch mehrere mit Reiserad befahrbar sind – mit Mountainbike ohnehin. Nicht zuletzt wegen des häufigen Regens der Tage führt die beste Fahrpiste (auch zuweilen mal ein Auto) zum Col du Wetzlach, weiter zum Sandplatz. Dort trifft man auf die Windsbourg-Route, die nun abwärts asphaltiert nach Engenthal runterführt oder aber auch per Piste diverse Möglichkeiten eröffnet wie etwa zum mythischen Donon oder via Talmulde der Zorn nach Dabo bzw. zurück zum Rhein-Marne-Kanal oder nach Sarrebourg, sowie Walscheid (um die wichtigsten Anschlüsse zu nennen). Die Walscheid-Tour ab Sandplatz habe ich hier bereits auf als Halloween-Tour bei den anfangs verlinkten 2011er-Touren vorgestellt. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass einst hier im Forum aktiver, mittlerweile leider allerdings verschollener peterxtr als Vogesenkenner gute Tipps zu diesem Gebiet mir einst geliefert hatte. Da zeitgleich an dem Wochenende natash auch eine Memorial-Tour zu Ehren peterxtr zur Teufelsmühle organisierte, an der ich nicht teilnehmen konnte, so kam mir doch hier in den einsamen Wegen um den Col du Wetzlach ein kleiner Erinnerungsgedanke an diesen zweifellos etwas schrägen wie eigenwilligen Forumsradler. Eine noch neue Route führte mich durch einen einsamen Wald über Geissweg/Col du Schanz (der eigentliche Hochpunkt ist Geissweg, auch als solcher zu suchen oder zu erfragen; Col du Schanz kennt keiner, liegt eigentlich unterhalb). Es gibt hier aber kaum bemerkenswertes zu berichten, vielleicht, dass an der Geissweg-Wiese ein verlassenes Haus steht. Von hier kommt man statt nach Wasselonne auch schnell nach Westhoffen, etwas länger dauern die Übergänge nach Oberhaslach oder ins Bruche-Tal im Süden. In Wasselonne bin ich in die doch recht überteuerte Pizzeria diesmal nicht rein, konnte stattdessen aber recht gut bei einem Inder speisen. Das einzige, recht urige Flammkuchen/Elsass-Spezialitäten-Restaurant liegt im unteren Teil zu Ortsende Richtung Cosswiller/alte Papierfabrik. Dort ist aber rappelvoll gewesen. 17.8. Wasselonne – Marlenheim – Ittenheim – Stutzheim – Lampertheim – Le Wantzenau – Drusenheim – Kriegersee (Söllingen) – Hügelsheim – Rastatt || per Bahn || StuttgartAE (Lehners Wirtshaus): Schweinebraten m. Käse u. Champignons überbacken, Spätzle, Bier 13,80 € 85 km | 18,3 km/h | 4:39 h | 305 Hm Das hübsche Wasselonne, wo ich bereits zum zweiten Male campierte, ist dann Ausgangspunkt der Heimroute des letzten Tages, die nochmal bis etwa Lampertheim einige kleine Hügel bereit hält – nicht nur mit Wein, auch mit Mais und Tabak bepflanzt. Insbesondere Marlenheim ist noch ein malerisches Weinörtchen. Nach Rheinebenenfahrt und Baggerseeintermezzo wollte ich noch den Abschluss des Wochenendes feiern. Das von mir bereits einmal herausgehobene Lehners Wirtshaus in Rastatt (gutes Kellerbier) enttäuschte diesmal allerdings auf ganzer Linie (Service, Essensqualität, bestätigt von anderem Radlerpaar). Bildermusik (zum 2. Musik-Act): The Cookers „Sir Galahad” aus „Time And Time Again” (7:57 min.)Empfohlene Betrachtungsweise: [b]Man klicke auf das Einladungsbild. Es erscheint das erste reguläre Bild der Galerie. Man suche die Funktion Diaschau (über dem Bild) und erlaube die komplette Bildschirmausnutzung. Danach verwende man die Pfeiltasten für vor und zurück und fahre so fort, um von Bild zu Bild zu gelangen. Für die Vorwärtsbewegung kann man alternativ auch auf das jeweilige Bild klicken. Mit der ESC-Taste (alternativ auch F11) hebt man die Vollbilddarstellung auf dem Desktop wieder auf. Einige Bilder sind untertitelt, sodass die geografische Abfolge der Motive zugeordnet werden kann.Bildergalerie Tour IV (85 Fotos, bitte auf Bild klicken):
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Geändert von veloträumer (12.02.19 18:50) |
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#1091675 - 31.12.14 00:06
Re: La Petite-Pierre revisited 2014
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias,
Danke für den wie immer unterhaltsamen Bericht. Musst Du da jetzt nicht den Betreff ändern und Vogesen-Quartett draus machen? Wir haben uns um gar nicht so viel verpasst, am 14. war ich auch im Elsass unterwegs - aber bei gutem Wetter und quasi nur, um eine Fahrplanlücke zwischen TGV und IC gebührend auszunutzen. Phalsbourg scheint mir eher für die Burgen bekannt zu sein, die etwas entfernt vom Ort im Wald liegen.
Viele Grüße, Stefan
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#1091966 - 01.01.15 20:10
Re: La Petite-Pierre revisited 2014
[Re: StefanS]
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Titel musste ich als nicht verifiziertes Mitgleid durch die Mods ändern lassen, was ja dankenswerterweise mittlerweile geschehen ist. Das Tripel bezieht sich ja auf 2012, im Jahr zuvor (2011) hatte ich auch schon ein Tripel (nur anders genannt). 2013 hatte ich aber ein Vogesen-Pause, 2014 wollte ich noch eine zweite Tour machen, ging aber nicht. Insofern blieb nur der Anknüpfungspunkt LPP und wollte daher keinen neuen Berichtsfaden eröffnen. Dein Wetterglück macht mich etwas ratlos, ob ich die dunklen Wolken anziehe (als Wassermann) und du ein Kind der Sonne bist. Tatsächlich nahte ja die Wolkenfront am 14. von Westen ran. Sie zog aber schnell, am Oberrhein war es abends eher noch trocken, sodass ich mir lokale Aufhellungen vorstellen kann. Die lokalen Mikroklimate sind auch nicht zu verachten: Auf der Fahrt nach LPP sah man nach Norden Richtung Pfälzer Wald die dunkelsten Wolken (breite Wald- und Hügelfläche). An der eher schmalen und niedrigen Vogesenpassage bei LPP hellte es hingegen am schnellsten auf (bzw. Richtung Ebene bei Straßburg). Am Samstag wollten sie abends auch wieder open air auf der Burg die Konzerte aufspielen lassen, weil kein Regen mehr gemeldet. Ich hatte trotzdem Gewitterschauer am Col de la Schleif, was aber eben auch mit der höheren Berglage und dem breiteren Vorgesenrücken südlich des Rhein-Marne-Kanals zu tun hat. Wirklich sommerlich war es in LPP allerdings die gesamte Festivalzeit nicht (ca. 12 Tage), auch wenn es mehrere Freiluftkonzerte gab. Vor allem war es deutlich zu kalt. Mitte August so sehr unüblich, wie ja auch Einheimische bestätigt haben.
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#1309279 - 05.11.17 15:46
La Petite-Pierre revisited 2016
[Re: veloträumer]
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V. LPP revisited 2016 feat. Swinging New Musette – oder: Warum Schwaben in Baden immer noch verjagt werden und ein Sachse Wochenendasyl im Elsass gewährt5.-7.8.2016 | 3 Tage | 313 km | 2705 Hm Erneut hatte Hans aus Sachsen den Besuch des Jazz Festivals in den Nordvogesen angekündigt – sogar für die gesamte Festivallänge. Er musste seine Frau Birgit zurücklassen, brachte stattdessen ein ebenfalls in der Dresdener Jazzszene engagiertes Paar mit (die allerdings nur kurze Zeit in LPP weilten). Es stand außer Frage, dass ich wiederum einen Wochenendausflug nach LPP starten würde, wenngleich ohne zusätzlichen Urlaubstag wie 2014. Entsprechend blieb der radlerische Neuerkundungsteil dieser Tour bescheiden. Die Umstände der Tour waren zwar in puncto Wetter um einiges besser als 2014, jedoch damit nicht ohne Probleme. Noch immer laborierte ich an einer offenen Kniewunde von einem Unfall auf der großen Sommerreise zuvor – die Wunde sollte sich erst nach gut 2 Monaten des Unfalls schließen, das Nässeln hielt noch weitere Monate an, und noch heute vermag das Knie insbesondere bei hohen Belastungen dezent Erinnerungen wachrufen. Trotz elastischer Sportsbandage verrutschte dann beim flotten Tempo auf der Rückfahrt der Verband ziemlich häufig, sodass ich mehrfach anhalten musste. Sicherlich war die Tour aus medizinischer Sicht nicht unbedingt angeraten. Wo kein Schmerz auch kein Freud – keine Frage, auch diese Tour lohnte sich sehr wohl. Sicherlich, das Wiedersehen mit Hans herzlich, seine Begleiter gleichwohl nette Sachsen. Auch wenn die besondere Übernachtungssituation 2014 eine verbindende wie schmunzelnde Geschichte geschrieben hat, so knabberte Hans an seinem schlechten Gewissen, mir 2014 kein Hotelzimmer spendiert zu haben. Eigentlich kann ich dieses schlechte Gewissen nicht nachvollziehen, bin ich doch ganz andere Übernachtungssituationen gewohnt. Auch hätte sich diesmal eine Zeltnacht auf dem talwärts liegenden Camping durchaus besser angeboten als 2014. So aber orderte Hans für mich ein Hotelzimmer – wegen ausgebuchter Zimmer allerdings gegenüber seinem Hotel, gefrühstückt haben wir dann zusammen in seinem. Fr 5.8. Stuttgart - Leonberg - Rutesheim - Perouse - Hausen - Neuhausen - Schellbronn - Unterreichenbach - Langenbrand - Höfen – Schwanner Warte – Conweiler - Marxzell - Schöllbronn - Spessart - Schluttenbach - Sulzbach - Malsch - Waldprechtsweier (+)104 km | 14,8 km/h | 1585 Hm AE (R Badisch, Malsch): Bad. Käseknödel m. Spinat/Kirschtomaten/Pfifferlinge/Shitakepilze, Salat, Rw, Cafe 25,10 € Ü: C frei Die untouristische und für einen halben Tag anspruchsvolle Schwarzwaldtransitroute bedürfte keiner weiteren Erwähnung hier, gäbe es nicht zwei kleine Vorfälle zu vermerken – einer davon positiv, der andere negativ. Mangels Sitzgelegenheiten erlaubte ich mir in Eyachbrücke ein Picknick direkt an der Straße bei einem Markierungsstein und gegenüber einem Gasthof. Wegen Nackenverspannung ruderte ich etwas mit den Armen und machte ein wohl grimmiges Gesicht, da ich schon mal kräftig durchatmen musste ob der gefahrenen Strecke. Kam daraufhin aus dem Gasthof eine im Dirndl gekleidete Servicedame zum gegenüberliegenden Straßenrand und erkundigte sich besorgt, ob mit mir alles in Ordnung sei. Wie sie kommentierte, habe sie schon vor ihrem Gasthof erlebt, dass Radler aufgrund gesundheitlicher Problem zusammengebrochen seien (direkt am Enzradweg gelegen). Ich musste gleich zweimal versichern, dass ich nicht nahe am Kreislaufkollaps sei, bevor ich gute Fahrt gewünscht bekam. Solche Sorge von Fremden kenne ich zwar gelegentlich aus dem Ausland, jedoch nicht aus Deutschland. Das finde ich mal einen empathischen Lichtblick im Land der Misstrauens- und Missgunstbürger – lieber einmal zuviel als zu wenig gefragt, wie die Dame meinte. Hatte ich verzweifelt mit Erreichen der Oberrheinebene in Sulzbach bis in die obersten Dorfetagen nach geöffneten Gasthöfen gesucht, bot sich letztlich nur Malsch zum Essen an, wo zwar mir bekannter Gasthof auch Urlaubspause verkündete, jedoch ich eine andere, sehr schick dekorierte Gaststube mit badischem Bekenntnis in Küche und Namen fand. Trotz nettem Ambiente und Service muss ich allerdings die Wertung „überteuert“ abgeben. Zur Nacht wollte ich einmal den Camping in Waldprechtsweier ausprobieren – daselbst aber kein Restaurant im Ort. Nun wäre zu meiner denkbaren Ankunftszeit gegen halb zehn wohl auch die Küche des Campingbistros geschlossen gewesen (auch wenn der Ausschank noch länger offen). Waldprechtsweier liegt ca. 3 km aufwärts von Malsch, der Camping dabei nochmals deutlich über dem Dorfkern per steiler Rampe erreichbar. So wäre ich ohne Zwischenhalt beim Malscher Gasthof nicht mehr zu einer Mahlzeit gekommen, hätte ich zuerst den Camping angesteuert. Kam ich nun ca. 10 Minuten vor 23 Uhr dort an, trat ein Mann aus einem Holzchalet heraus und fragte, wo ich denn hin wolle. Naja, zum Camping, meinte ich. „Der Camping ist jetzt geschlossen!“ bekam ich recht unwirsch zu hören. „Wer so spät vorbeikommt, für den sei der Camping geschlossen.“ Ich solle woanders einen Platz suchen. Nebenbei erfuhr ich vom Campingwart, dass er seine Kneipe nur wenige Minuten zuvor geschlossen habe. Da ist die Frage, wo das Problem liegen soll? Ruhestörung für schlafende Dauercamper wohl kaum, Zutritt ohne Kenntnis des Hausherrn auch nicht. Aber nun, als Wahlschwabe muss man in Baden immer mal wieder mit Vertreibung rechnen. Es herrscht da ein erbitterter Wettkampf, wer kann unfreundlicher. Diesmal Punktsieg für Baden! Geld genug hat der Badener auch wohl. Neid! Soweit die Geschichte damit endete, dass ich mein Zelt irgendwo auf einer verwilderten Wiese unter einem Nussbaum und Blick auf die Rheinebene aufstellte – zu sagen: beste Lage! Nur hatte ich wegen meines angeschlagenen Knies die hygienische Umgebung der Sanitäranlagen eines Campings angestrebt. Um künftig nicht noch mehr unwillige Gastfreundschaft von Zeltplatzanbietern herauszufordern, werde ich meine Freicamping-Methode noch ausweiten – zumindest in der Schwarzwald/Oberrhein-Region. Nicht zuletzt stieß ich in der Schwarzwaldregion noch auf weitere Erlebnisse, die nahe legen, dass entweder der nomadisierende Radler nicht erwünscht ist (wegen der Übermacht von Dauercampern) oder einfach simpelste Serviceaspekte für Urlaub zur Urlaubszeit nicht gegeben scheinen. Darf man sich nicht wundern, wenn der Velopedalist lieber ins Ausland geht, z.B. als Exil-Touri ins Elsass. Im Nachklang sei noch erwähnt, dass ich gegebenen Vorfall auch beim Albtal/Schwarzwald-Tourismus auf der Stuttgarter Tourismus-Messe CMT vorgetragen habe. Beschwerde aber zwecklos, weil laut Tourismusvertreter jeder Betrieb sein eigenes Süppchen kocht und keinerlei Einflussmöglichkeit vom Verband bestünden. Es sei auch diesbezüglich durchaus abträglich einer gemeinschaftlichen Werbung und verbesserter regionaler Tourismusstrukturen durch gemeinsame Gestaltung und Absprachen wie etwa vernetzter Buchungssysteme usw. Ich kann an dieser Stelle nur individuell davon abraten, den Camping in Waldprechtsweier zu besuchen. Sa 6.8. Waldprechtsweier - Kuppenheim - Sinzheim - Rheinmünster Stollhofen - (R.-Söllingen) - Kriegersee - R.-Greffern || Fähre || Drusenheim - Dalhunden - Drusenheim - Bischwiller - Niederschaeffolsheim - Batzendorf - Wittersheim - Alteckendorf - Ringendorf - Kirrwiller - Bouxwiller - Weiterswiller - La Petite-Pierre108 km | 17,1 km/h | 705 Hm B: Festival Au Grés du Jazz: Richard Galliano/Philip Catherine 4tet 25 € AE: Flammkuchen Melange, Ww, Cafe Ü: H du Vosges (reg. vermutl. 69 € oFr/Fr 12 €) Der Sommer hält sich arg zurück, sodass angestrebter Baggersee-Aufenthalt kürzer ausfällt und noch Zeit für eine Umweg-Variante bleibt. Allerdings sei dazu gesagt, soweit man abseits der Moder-Route jenseits von Haguenau zu fahren gedenkt, sich immerzu nur schwer kalkulierbare Hügelstrecken auftun. Die Steigungen sind zwar selten ernst, aber doch fordernd und natürlich sehr bremsend, kam hier noch der Wind hinzu. Ein Kleinod findet sich zwischen Wittersheim und Minversheim. Geht man kurz vom Parkplatz in der Talmulde des Duerrbachgrabens hinauf, durchwandert man einen Hain mit teils gepflegten, wenngleich dicht überwucherten Becken, zuoberst gespeist von der Quelle St. Ulrich. Dem Wasser wurde therapeutische Bedeutung zugeordnet und im 19. Jahrhundert waren dort Wasch- und Schöpfplätze nach Glaubensrichtung unterschieden eingeteilt – zwei den Juden, drei den Katholiken. Heute ein besinnlicher Erholungsort mit Picknickgelegenheit, Konfession wird nicht mehr abgefragt und auch nach Schwaben oder Badenern nicht unterschieden. Gemessen an der Hügelstrecke zuvor stellte sich die Auffahrt von Weiterswiller nach LPP eher leichter als erwartet dar (auch eine Zwischenmulde dabei), obwohl sie mir bekannt gewesen sein sollte, da so exakt die selbe Strecke wie bei meinem Erstbesuch 2012. So war ich dann trotz der Winde und zermürbenden Auf und Abs zur geplanten Zeit an Ort und Stelle. Mit Richard Galliano konnte ich einen weiteren Genre-sprengenden Künstler der modernen französischen Musikszene in meine Live-Erlebnisreihe einfügen. Galliano und die New Musette stehen für die modern aus dem Jazz, der Klassik und weltmusikalischen Elementen angereicherte Traditionsmusik der Musette, die neben dem Chanson französische Identität widerspiegelt, den Klang de Clochards im fahlen Laternenlicht über mittelalterlichen Pflastergassen verkörpert, Sehnsucht evoziert zwischen Landidylle und Meeresweite, zwischen Wein und Baguette – auch immer eine Spur burlesk und lasziv – nicht zufällig auch eine instrumentale Nähe zum Tango oder hier zum Tango Nuevo. Galliano ist somit zu einem der faszinierenden, der meiner beliebten Grenzgänger hybrider Musikstile geworden. Und noch mehr hat mich auch die Welt des Akkordeons fasziniert, seitdem ich erkundet hatte, dass es jenseits einer Quetschkommoden-Volkstümelei zu den facettenreichsten, weltweit verbreitetsten Instrumenten zählt. Es hat dabei zu charakteristischen Weltenklangsprachen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen entscheidend beigetragen – ein Instrument, das eine nomadenhafte Geschichte hinter sich brachte, ein Abbild vieler Migrationsgeschichten, immer wieder an die neue Umgebung angepasst und integriert (wunderbar aufgegriffen in Annie Proulx’ Roman „Das grüne Akkordeon“). In gewisser Weise also auch ein dem Radnomaden geistesverwandtes Instrument. Richard Galliano bekam in LPP eine carte blanche – also Wahlfreiheit für Partner seiner Auftritte, derer er zwei absolvierte. Von allen Befragten gewürdigt der von mir verpasste Duo-Auftritt zuvor mit Sylvain Luc – ein kreativer Gitarrengeist, den ich bereits in Korsika beim Festival der Gitarre in Patrimonio (auch im Reisebericht hier von mir hinterlegt) mir zu Gehör führen durfte. Hier im Konzert mit Philip Catherine, belgischer Vertreter eines modernen Swingstils in der Gypsy-Tradition eines Django Reinhardt, agierte Galliano als Mastermind, als spiritus rector, der das Geschehen im Griff hatte, die maßgeblichen Akzente setzte – spielerische Swing-Leichtigkeit gepaart mit modernen Harmonie-Konstruktionen. Catherine, der auch ihm vertrautes Rhythmusgespann Philippe Aerts, Bass, und Hans van Oosterhout, Drums, mitbrachte, wirkte manchmal etwas gehetzt, den Ideen hinterher eilend, sodass seine Glanzpunkte mehr in den Solopassagen zu bewundern waren. Nur kurz stieß für einen Song Sylvain Luc hinzu und setzte gleich auch dort eine Duftmarke interaktiven Improvisierens – hellwach im Zuhören, schnell findig und einfallsreich in den nicht voraussehbaren gezupften Einwürfen. So 7.8. La Petite-Pierre - Loosthal - Col de la Tete du Christ (311 m) - Neuwiller-lès-Saverne - Bouxwiller - Obermodern - Pfaffenhofen - Haguenau - Oberhoffen - Rohrwiller - Drusenheim - Dalhunden - Drusenheim || Fähre || R-Greffern - Hügelsheim - Iffezheim - Rastatt 21:34 h || per Bahn || Stuttgart 23:25 h101 km | 17,8 km/h | 415 Hm AE (Lehners Wirtshaus, Rastatt): Burger m. Rösti, Pommes, Bier 19,10 € Die Landkarte sagte mir, dass ich auch auf einer kurzen wie schnellen Rückfahrt noch eine unbekannte Variante einschieben kann. Die Anfahrtsroute retour nur kurz angefahren, führt ein Abzweig zu einer mehr verschlängelten Route durch Buchenwald, zuweilen nur mit leichtem, unter der Sonne leuchtend grünem Blätterdach. Auch hier nicht ganz ohne Gegenanstieg, aber gleichwohl harmlos wie auf der Hinfahrtsroute. Hier ist noch weniger Verkehr als auf den bisher gefahrenen Alternativen, wenngleich auf keiner der Strecken nach LPP Verkehr eine ernsthafte Größe darstellt. Eine weitere Variante scheint mit weiterem Abzweig hier möglich über Johannistal, über eine südliche Ecke dann aber noch umwegiger nach Dossenheim am Vogesenrand. Zum immer wieder auf diese Strecke zwischen geschobenen Kriegersee bei Rheinmünster-Söllingen sei hier angemerkt, dass bereits 2016 die Zugänge erschwert wurden und die Sandflächen zum Sonnenbaden unschön planiert, weniger Badeeinstiege zum See möglich waren. Vom Betreiber der Kiesgrube galt das Baden am Kieswerk schon immer offiziell als verboten, wurde aber toleriert. Insbesondere an Wochenenden (ohne Werksbetrieb) war es ein beliebter Badetreff auch für Franzosen (deren Baggerseen meist ganz abgesperrt oder zum Angeln reserviert sind) – sogar ein Eiswagen kam regelmäßig vorbei (entsprechend eine Zufahrt offen war). Mit dem Jahre 2017 ist das Baden am Kieswerk endgültig vorbei. Der Pächter hat in Abstimmung mit dem Ordnungsamt nicht nur martialische Todes-Schilder überall aufgestellt, sondern auch rundum bis in den Wald hinein solche Hürden verbaut, dass es kaum noch möglich ist, das Gelände zu erreichen. Schließlich wurden nahezu alle Badeeinstiegs- und Liegebereiche so umgepflügt, dass ein Verweilen kein Genuss mehr wäre. Böses wer denkt, dass es dabei nicht nur um die Fürsorgepflicht von Aktenlesern gehe. Musikbeispiele: Richard Galliano & Philip Catherine:...ien (6:48 min.)Richard Galliano & Sylvain Luc „Homage à Piaf“, Jazz à Montréal 2015 (4:06 min.)Richard Galliano & I Solisti Dell'Orchestra Della Toscana „La Valse à Margaux“ (3:38 min.) Bildergalerie Tour V (25 Fotos, bitte auf Bild klicken):
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#1309286 - 05.11.17 16:06
Re: La Petite-Pierre revisited 2016
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias,
es tut mir leid, dass Dein Knie sich so beharrlich zu Wort melden will. Ich hoffe, dass das bald besser wird!
Danke, dass Du uns an Deiner Jazz-motivierten Tour teilhaben lässt. Ich bin kein besonders großer Jazz-Freund, aber die Gegend, in der Du unterwegs warst, finde ich umso reizvoller.
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Gruß, Arnulf
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#1309290 - 05.11.17 16:16
Re: La Petite-Pierre revisited 2016
[Re: Keine Ahnung]
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Danke, dass Du uns an Deiner Jazz-motivierten Tour teilhaben lässt. Ich bin kein besonders großer Jazz-Freund, aber die Gegend, in der Du unterwegs warst, finde ich umso reizvoller. Da musst du dich noch etwas gedulden, der nächste Beitrag wird auch wieder mehr Jazz und weniger Landschaft beinhalten. Zum Dritten kommt dann aber nochmal richtig viel Vogesen-Land mit viel Wasser und auch etwas tragischer Geschichte...
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Geändert von veloträumer (05.11.17 16:17) |
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#1309639 - 07.11.17 19:45
La Petite-Pierre revisited 2017
[Re: veloträumer]
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VI. LPP revisited 2017 feat. Trumpet Concepts – oder: Wiedersehensfreuden in und mit dem Zeitalter der Sintfluten11.-13.8.2017 | 3 Tage | 327 km | 2825 Hm Würfel brauchte ich nicht zu bemühen, um den Konzertabend zu wählen, nachdem sich Hans – diesmal wieder mit Frau Birgit – erneut zum Jazzfestival in LPP angemeldet hatte. Ein zusätzlicher Urlaubstag war auch diesmal nicht möglich, also fiel das Treffen mit „meinen“ Sachsen zwangsläufig auf den Samstagabend – ein Tribut an die Trompete, die jüngere Jazztrompete, zeitgenössische Blaskonzepte. Birgit und Hans weilten diesmal auch nicht das gesamte Festival dort, sondern etwa die Hälfte der Zeit. Das Wiedersehen mit Birgit und Hans war ja diesmal besonders kurzweilig, da ich mich im Vorjahr zu einer Spätnovemberreise in die Sächsische Schweiz und das Erzgebirge durchgerungen hatte ( Saxonia Bohemia Velogida) – nicht zuletzt um die beiden mal in ihrer Heimat zu treffen. Das Wetter war jahreszeitgemäß zwar nicht immer einfach, ermöglichte aber doch noch ein sehr gelungene Spätherbstreise in einer mir noch ganz neuen Region. Im diesjährigen August hätte man sich manches Novemberwetter aus dem Vorjahr gewünscht. An Instabilität war der Spätsommermonat nicht zu überbieten. Selten kalt, aber sehr feucht und launig wie der April – häufig an der Sintflutgrenze. Birgit und Hans erlebten so in LPP mehrere Konzerte nur in der Halle, auch an „meinem“ Abend beschwor die Trompeterin Airelle Besson das Publikum, sich Burg und Sternenhimmel bei der Musik in der überhitzten Ersatzlocation herbeizuträumen. Die Anreise war also recht ähnlich zur 2014er-Tour, nur dass diesmal die Hauptregenphase auf den ersten Tag, den Freitag entfiel. Das Prozedere war ansonsten ähnlich zum Vorjahr, ich checkte wieder im selben Hotel, sogar im selben Zimmer ein, Frühstück gegenüber. Ein Unterschied war, dass ich mich um eine noch frühere Anreise bemühte, um auch das erste Konzert des Abends zu erleben (bereits um 17 h). Ich versprach mir von diesem ohnehin den größeren musikalischen Genuss gegenüber dem Hauptact des Abends. Das sollte sich auch bewahrheiten. Radlerisch war natürlich auch diesmal keine große neue Linie zu erwarten. Der Samstag als elsässischer Anreisetag war ja zeitlich kürzer als in den Vorjahren und wettertechnisch stets auf der Kippe – also keine Einladung für größere Experimente. Ich konnte dennoch mit einer kleinen Variante eine Lücke im Modertal schließen. Am Rückreisetag hatte ich auch noch eine nie gefahrene Variante zur Querung des Schwarzwaldes zwischen Albtal und Pforzheim auserkoren, was sich aber ob der späten Abendzeit als kleine Tortur erwiesen hat, weil schwieriger und langatmiger als erwartet. Fr 11.8. Stuttgart - Leonberg - Rutesheim - Perouse - Friolzheim - Tiefenbronn - Pforzheim - Elmendingen - (Ittersbach) - Fischweier/Albtal - Moosalbtal - Völkersbach - Malsch - Muggensturm - Rastatt - Wintersdorf/Iffezheimer Staustufe111 km | 16,3 km/h | 1120 Hm AE (Lehners Wirtshaus): Röstiburger, Pommes, Salat, Bier, Apfelstrudel, Cafe 27,90 € Ü: C frei Das Wetter, ein stets zwielichtiger Gefährte des Radlers. Noch schienen die Schotten dicht – allerdings tiefstes Grau über den westlichen Hügeln der Stuttgart-Region. Ab Friolzheim schüttete es nun quasi die bekannten Katzen und Hunde Die leichtere, aber auch umwegige Würmtalroute brachte trotz mehr Blattwerk keine erhoffte Milderung gegenüber der offenen Höhenroute in Richtung Pforzheim. Viel Aufwärmen und Trocknen war nicht, wurde ich bereits früh aus dem ausgekühltem Vorstadt-Café der deutschen Goldwerksmetropole an Würm, Nagold und Enz rausgeworfen. Ohnehin trocknete besser der Wind – zumindest bis zum nächsten Regeneinsatz im unteren Moosalbtal. Der immerzu giftige Wind hielt noch die Balance zwischen Feuchte und Trockenheit. Kaum hatte ich aber Muggensturm für die letzten vier Kilometer nach Rastatt hinter mir gelassen, schüttete es aus allen denkbaren Schleusenöffnungen und der teils nicht asphaltierte Radweg wurde zur matschigen Seenplatte. Die Radfahrerkreuzungsampel vor Rastatt machte dann in Form ihrer Gedenkminuten klar, wer hier das Sagen hat – das Auto und die Autoindustrie (auch ein Daimler-Standort). Unmoralisch viel Rotlicht für das Tretvolk im grünen Bundesland. Im Lehners Wirtshaus – durch die häufigen Etappenenden in Rastatt schon bei mir zu einer kleinen Institution ob seines köstlichen Kellerbieres geworden, wenn auch Gastronomie mal so, mal so ist (diesmal war es wieder gut) – versuchte ich den Dauerwolkenbruch auszusitzen. Gegen 23 Uhr lockte eine Regenpause. Die hielt etwa bis Ausfahrt Rastatt. Das waren jetzt schon abenteuerliche Voraussetzungen für Camping – da spielt es keine Rolle ob offizieller Platz oder Wildnis. Offizielle Campings sind nach letztjähriger Erfahrung ohnehin keine gute Option in der Region. Das Glück brachte es mit sich, dass ich an einem Baggersee ein Vordach eines Kiosks vorfand, unter dem man nahezu trocken bleiben konnte. Das Zelt hätte ja wohl den Regen nach oben abwehren können – doch die Wiesen standen bald unter Wasser. Sa 12.8. Wintersdorf - Beinheim - Soufflenheim - Haguenau - Pfaffenhofen - Ingwiller- Wingen-s-Moder - La Petite-Pierre79 km | 14,9 km/h | 460 Hm AE (?): Flammku., Rw, Cafe Ü: H des Vosges (reg. 69 € oFr/Fr 12 €) B: Festival Au Grés du Jazz Airelle Besson, Nils Petter Molvær) Die ersten Hundespaziergänger mussten noch durch den Regen, die von Wetterberichten erwartete Besserung drohte auszubleiben. Gegen 8 Uhr und mit Überschreiten der Grenzbrücke nach Frankreich erbarmte sich der Himmel zur Schleusenschließung. Es blieb allerdings grimmig grau und durch den Wind wurde die elendige Gerade durch den Haguenauer Wald zur einer zähen Plackerei. Der o.a. neu erforschte Streckenteil reicht von Ingwiller bis nach Wingen, sowie über die Zufahrt auf die Straße Puhberg – LPP via Zittersheim. Der Teil an der Moder ist recht idyllisch gehalten, die Orte lieblich ohne Markantes, die Infrastruktur mager, obwohl nicht nur Abwanderung zu beobachten, wie einige neue Villen zeigen. Wingen, wo ich den Anschluss zur Rückreisetour in 2014 hergestellt habe, besitzt immerhin ein ausgeprägtes Sport- und Schulzentrum, sogar einen Camping – beides am oberen Ortsende gegenüber einer Pferdekoppel mit altehrwürdiger Villa. Soweit man die Aussichtsserpentine über Zittersheim hinter sich hat, geht es bis vor die Tore von LPP nur noch durch Buchenwald und ohne jede Aussicht. Das sind die Nordvogesen in ihrer unspektakulären Art – eine entschleunigte Landschaft, die sich sogar der fotografischen Inszenierung widersetzt. Es ist dann immer wieder verblüffend zu erleben, wie ohne Autokolonnen und Verkehrshektik in LPP Burgplatz oder Kulturhalle für die weltbekannten Jazzmusiker gefüllt sind. Ein Geheimnis sind die Bus-Shuttles, mit der die Gäste aus den stärker besiedelten Niederungen des Oberrheingrabens zu diesem Event in die Vogesen verbracht werden. So ist dann trotz guter Hotelauslastung und Ferienzentrum der Ort kurz nach Konzertende fast schon ein wenig unwirklich ruhig. Airelle Besson sorgte mit einem basslosen Quartett, darunter eine Vokalartistin (Isabel Sörling) mit elektronischen Verfremdungseffekten, für einen eleganten wie beschwingt erfrischenden Konzertauftakt. Ihre melodischen Ideen (die meisten sind ihre Eigenkompositionen) verpackt sie in leicht swingende, rhythmisch ausbalancierte Stücke. Für den treffenden Puls auf den Fellen sorgte Fabrice Moreau. Die Französin am Ventilschalltrichter vermag Jazz- wie auch Klassikharmonien auf natürliche Weise zu verbinden, sodass die Musik im Fluss bleibt. Die instrumentale Stimme mit elektronischen Effekten vermindert die Distanz der Instrumentalmusik, ohne dass diese wirklich aufgehoben wird. Zusammen mit den Effekten des Pianisten (Yvan Robillard) erreicht das Quartett damit einen zeitgemäßen Touch auf der Ebene ausgefeilter harmonischer Konzepte und doch tänzelndem Verve. Schön, frisch, geschmackvoll. Auch Nils Petter-Molvær spricht eine junge Generation an. Er setzt auf flächige Sounds, getragen von intensivem Trompetenton, durch Elektronik verfremdet, oft bereichert von Growl-Tönen in die umgekehrt gehaltene Trompete in den Trichter eingeflößt. Im Trio kommt keiner ohne ein Arsenal von Elektronik aus. Während der Schlagzeuger Samuel Rohrer trotz des Equipments eine sehr metronomische, aber banddienliche Monotonie als Rhythmusteppich auslegt, rauscht der Gitarrist Eivind Aarset bis zur Schmerzgrenze über die Tonskalen seines Griffbretts und seiner Regler. Die Spannung der Musik bezieht sich aus ihrer Verdichtung, der Mischung aus psychedelischer Rockassoziation und melodischer Sphärenmusik, gerne den Norwegern als „nordisch“ zugeordnet. Die Elektronik reizt dabei die improvisatorischen Blickwinkel aus. Eine konzeptionelle Meisterleistung, die harmonischen Linien zu solch einer berstenden Dynamik zu steigern. Das musikalische Ergebnis werte ich dennoch als strittig, frägt man sein Vogesen-Stille-getränktes Ohr. Im Hotel Aux Trois Roses werde ich als der grüne Radler wohl dauerhaft Schweißausbrüche auslösen, sollte ich dort nochmal auftauchen. Irgendwie falle ich da immer unangenehm als seltsamer Gast der Gäste auf. Die Flasche Pinot Blanc, die Birgit und Hans aus ihrem noch tagsüber erworbenen Weinvorrat spendierten, war noch nicht geöffnet, da hatte ich schon auf der verzweifelten Suche nach einem Lichtschalter die Alarmanlage ausgelöst. Zu konstatieren ist, dass das Personal pflichtbewusst und rasch reagiert hat – alle Winkel durchleuchteten, noch bevor ich die Auflösung des Vorfalls mitteilen konnte. Gewissermaßen habe ich also als versteckter Sicherheitsprüfer im Hotelgewerbe gearbeitet. Sagte ich nicht schon 2014, dass es sich um eine Art Dienstreise handeln würde? So 13.8. La Petite-Pierre - Sparsbach - Ingwiller - Pfaffenhofen - Haguenau - Soufflenheim - Beinheim - Wintersdorf - Niederbühl/Rastatt - Gaggenau - Michelbach - Moosbronn - Bernau - Rotensol - Neusatz – Schwanner Warte - Birkenfeld - Pforzheim || Stuttgart137 km | 17,3 km/h | 1245 Hm Den Farbschwall des Tages setzte der Morgen des Abschieds, für den Birgit als „Lady in Red“ meinen grünen Alien-Look kontrastierte. Die Rückroute entsprach zunächst dem umgekehrten Weg der 2014er-Anreise, zwischen Obermodern und Wintersdorf dann identisch zur Anreiseroute des Vortages. Da und dort zog ein feiner Niesel über das Land, ziemlich triste. Ab Haguenau gab es dann ein paar hoffnungsfrohe Aufhellungen. Alles ging etwas schneller als auf der Hinfahrt. Mit Überschreiten der Grenzbrücke kam allerdings der Regen zurück, fast wie ein Zeichen feindlicher Linien. Der Besuch des Baggersees, wo ich schon übernachtet hatte, erwies sich als Flop, denn der Regen setzte dann doch bald stärker ein. War aber auch wieder schlau – denn da gibt es ja ein Dach. Nun erzählten mir Einheimische noch von einer Störung auf der Rheintalbahnstrecke – ich müsse in jedem Fall nach Rastatt radeln. Ich hatte auch nichts anderes vor, glaubte aber, dass dann generell der Zugverkehr nach Karlsruhe gestört sei, evtl. nur noch zottelige S-Bahnen verkehren könnten. Da nochmal ein leicht sonniger, trockener Abend winkte, dachte ich es vielleicht quer rüber nach Pforzheim zu schaffen, also jenseits der Störlinie. Nun hatte ich versucht dem Radweg zu folgen, der aber aufgrund der Baustelle bei Niederbühl einen satten Umweg einschlägt, abgesehen davon, dass er sich nur sehr zäh über ein paar verwinkelt angelegte Pisten fahren lässt. Die Bahnbaustelle in Niederbühl war dann der Ort für die abgesackten Gleise gewesen ist, die einen fast zwei Monate dauernden Supergau für das europäische Schienennetz mit Wirkungen bis Genua und Rotterdam verursachten. Wohl war deswegen die kühne, provisorische Fußgängertreppe gesperrt und trieb sich ein Fotograf herum. So wurde ich auch noch zum Zeitzeugen eines dilettantischen Maulwurflochs, dessen historische Bedeutung meiner Wahrnehmung entging. Schon deutlich abgekämpft und weit in der Dunkelheit erreichte ich noch den letzten Zug in die Schwabenmetropole. Einmal kräftig durchpusten – am besten mit Trompete: Musikbeispiele: Airelle Besson Quartet „The Painter and the Boxer“, Jazz in Marciac 2017, (6:47 min.)Airelle Besson & Nelson Veras, div. ...tel (4:59 min.) Nils Petter Molvær „Maddagala“, live in Prag 2016 (6:27 min.)Nils Petter Molvær „Gilimanuk“ (3:50 min.)Bildergalerie Tour VI (22 Fotos, bitte auf Bild klicken):
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#1309646 - 07.11.17 20:11
Re: La Petite-Pierre revisited 2017
[Re: veloträumer]
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Tatsächlich viel Jazz . Mit dem Regen ist aber auch eine sehr schöne Gegend, wieder etwas weniger schön - zumindest ich empfinde das so. Einen Alarm in einem Hotel hatte ich schon miterleben müssen - alle Gäste mussten kurz nach Mitternacht das Hotel verlassen. Der Kollege, der versehentlich den Alarm ausgelöst hatte, war nicht dabei. Er legte sich trotz des Alarms schlafen - er war taub, was in diesem Fall zumindest günstig für die Nachtruhe war .
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Gruß, Arnulf
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Off-topic
#1309676 - 08.11.17 05:25
Re: La Petite-Pierre revisited 2017
[Re: Keine Ahnung]
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Die Berichte von Matthias kann ich mir ohne Jazzuntermalung gar nicht mehr vorstellen..... . Feueralarm im Hotel erinnert mich an eine Nacht in Honolulu als ich nur mit Unterhose und sonst nix, aber unter Sternenhimmel, auf der King Kamehameha Ave. stand. Aloha ohe.
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Gruss Markus Forza Victoria !
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#1309844 - 08.11.17 20:32
Grand Ballon d'Alsace - Natzwiller
[Re: veloträumer]
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VII. Vogesen Süd/Mitte: Grand Ballon d'Alsace - Vallée de la Meurthe - Natzwiller – oder: Les Peintures des Cascades et des Morts28.4.-1.5.2017 | 4 Tage | 319 km | 5005 Hm Mal wieder sorgte der Kalender für ein verlängertes 1.-Mai-Wochenende. Arbeitnehmerfreundliche Feiertagskonstellationen sorgten in den letzten Jahren – 2017 keine Ausnahme, eher ein grauseliges Musterbeispiel – für reichlich Verdruss. Temperaturen im Keller und dunkle Wolken über der Radmütze – nicht selten die Mithilfe der Kapuze der Regenjacke gefordert. Es machte da keinen Unterschied, ob frühes Frühjahr mit Ostern, spätes Frühjahr mit Pfingsten oder mittendrin eben der 1. Mai. Radreisen also eher als Härtetest – hier nicht anders. Sogar wollte ich die Überschrift wählen „Winter im Mai“, was vielleicht aber auch übertrieben wäre, denn überwiegend ist es ja Ende April und nicht ohne Lichtblicke gewesen. Erschütternd noch mehr, da zwei Wochen vorher Warmfronten zum trotzdem kalten Ostern fast sämtlichen Schnee von den Mittelgebirgskämmen verdrängt hatten. Alles für die Katz – zum Tag der Arbeit waren Schwarzwaldhöhen (dort wohl teils bis unter 700 m) und etwas weniger auch Vogesenkuppen neu eingepudert. Das Scheusal Wetter war in schon grotesker Weise einem Ziel meiner Reise angemessen, oder sagen wir umgekehrt, das Wetter zeigte sich angemessen trist und unbarmherzig kalt bis in alle Knochen hinein, als ich das ehemalige Konzentrationslager Struthof am Schlusstag besuchen wollte. „Wollte“ deswegen, weil es bei einigen Außenansichten blieb, derweil das Museum zwar nahezu das ganze Jahr geöffnet hat mit wenigen Ausnahmen. Im streik- und revolutionswilligen Land der egalité allerdings auch schon wieder fast zu erwarten: geschlossen natürlich am 1. Mai, wo der Arbeitnehmer eben frei hat. Da ist doch irgendwas nicht gut durchdacht. Gewiss, an diesem 1. Mai hätten sich nur wenige Besucher eingefunden, die Vogesen tauchten in wenig ausflugfreundliche Weltuntergangsstimmung. Es war dann die Eingebung vor Ort, den Bildern ästhetischer Schönheit von Wasserschwallen – trotz Wolkengrau und Niesel an Faszination nicht einbüßend, eher gewinnend; gemeinhin Wasser die Inkarnation des Lebens – der verstörenden Tristesse die Bilder des Todes gegenüberzustellen. Während Natzwiller mit dem Camp Struthof und dem Cascade de la Selva das gesetzte Ziel im Norden war, wollte ich im Süden die mir noch unbekannte Südanfahrt über den Ballon d’Alsace ab Giromagny und mit Saut de la Truite anschauen. Blieb die Forellenkaskade etwas hinter meinen Erwartungen zurück, konnte die Cascade du Rummel diese kleine Enttäuschung wieder kompensieren. Obwohl es in den Vogesen immer wieder eine Vielzahl fahrbarer Pisten gibt, muss ich hier auch zur Vorsicht mahnen. Denn nicht alles, was auf Wanderkarten als Pisten eingetragen ist, eignet sich für eine Beradlung mit gängigem Touren- bzw. Reiserad. Unter den Varianten, die ich an den südlichsten Vogesenausläufern zwischen Rougemont und Giromagny ausprobieren wollte, sorgte in Teilen für Probleme bzw. musste ich wegen offensichtlicher Unfahrbarkeit absagen. Dabei spielt die zu dieser Jahreszeit in den dunklen Wäldern noch gut konservierte Feuchtigkeit und damit rutschiger Steine wie tiefer Waldböden eine zusätzlich erschwerende Rolle. Ein Offroad-Highlight konnte ich dann doch noch entdecken, wenn auch an anderem Ort, wieder eher nahe Natzwiller, mit dem Col de la Perheux als Übergang von Waldersbach nach Wildersbach. Unter den Straßenrouten überzeugte – eigentlich erwartungsgemäß – das Vallée de la Meurthe als liebliches Wiesental mit gebirgstypischen Talschluss und sanftem Tourismus, während noch kurz zuvor im Vallée du Chajoux unrühmliche Liftanlagen- und Skipistenverbauungen die romantischen Eindrücke geringfügig eintrübten. Ein eher unattraktiver, auch schon mal stärker befahrener Pass ist der Col de Saales – und zwar zu beiden Seiten, also auch im Norden. Es macht im oberen Bruche-Tal daher Sinn, möglichst schnell alternative Routen über (östliche) Abzweigungen zu suchen. Man kann hier dann unter Einbezug kleinerer Pässe um den Berg Climont rum recht schöne Umwege fahren, eine möglichst nahe parallele Routenführung mit Ziel Schirmeck ist ebenso unter Einbezug von Pisten (Perheux-Pass) möglich, wobei ich allerdings selber eher im Zickzack zum Bruche-Tal eine solche Alternative nur in Intervallen gefahren bin. Zur Südseite zeige ich hier eine ebenfalls östlich gelegene, reizvolle Alternative auf, auch weniger anspruchsvoll als weiter entfernte Routen im Westen, mit nur kleinem Anteil auf dem oberen Teil der Saales-Passstraße. Fr 28.4. Stuttgart 12:59 h || per Bahn || 17:30 h Mulhouse - Dornach - Morschwiller - Burnhaupt-le-Haut - Guewenheim - Lauw - Rougemont-le-Château - Leval - Rougemont - Golf de Rougemont - Rougemont - San Nicolas (+)55 km | 14,6 km/h | 665 Hm AE (R Sur le Green, Golf de Rougemont): Aubergine-Crème, Morschelschaumsuppe, gedünstetes Fischfilet/Gemüse/Kart.quiche, Merengue m. Crème/Heidelbeereis/Fruchtsaucen, Rw, Café, 40 € Ü: C frei Wie schon oben angerissen, hatte ich noch durch die Fenster des Bahnwagens den ernüchternden Blickevergleich zu meiner in Teilen identischen Bahnanreise zur Ostertour. Bei Freiburg senkte sich die Schneegrenze der frisch eingepuderten Schwarzwaldhöhen bedenklich weit nach unten. Zwei Wochen zuvor war nirgendwo Schnee. Mir schauderte wohl, war es bereits ohne Schnee zu Mitte April nicht gerade eine Frühlingstour in vergleichbaren Mittelgebirgslagen. Das Schaudern bekam schon ausgangs Mulhouse neue Nahrung, da sich erste Regentropfen meldeten. Es blieb jedoch bei einer Andeutung, ungeachtet dessen musste ich die Zeltnacht bei Bodenfrost überstehen. Hatte ich am Bahnhof zu Mulhouse noch meinen jungen, auch mit Velo bewaffneten französischen Gesprächspartner aus dem Zug um eine Richtungsangabe zur Ausfahrt gebeten, erwies sich dessen Orientierungssinn in seiner eigenen Stadt jedoch als dürftig. So unterlag meine Ausfahrt ein paar unnötigen eckigen Verrenkungen, um auf meine geplante Route zu gelangen. Unweit der Straßenkreuzungen bei Burnhaupt-le-Haut steht dem geneigten Radler der Doller-Bahntrassenradweg zur Auswahl, die Straße ist aber auch kein Fehler. Ab Lauw ist es mit Flachradeln auch vorbei, wenngleich eher nur moderate Steigungen hoch zu einem Golfplatz. Das hier nur wenig unterhalb der Straße gelegene Restaurant verschmähe ich zunächst ob möglicher versnobter Kundschaft, doch treibt mich nach erfolgloser Alternativsuche in und um Rougemont der Hunger dorthin zurück. Die Küche dort ist schon ein Hauch Gourmet, das Ambiente eigentlich ganz passabel, nicht zu edel, die Toiletten aber mit technischen Eigenheiten bis zur Funktionsunfähigkeit. Eher erwartungsgemäß knallen den ganzen Abend Champagner-Korken in der Snob-Lounge – wohl feiert ein Clubmitglied Geburtstag – der Laden läuft trotz Krise rundum. Sa 29.4. San Nicolas - via Waldpisten - Le Trou du Loup (753 m) - Lamadeleine-Val-des-Anges - Étueffont - Giromagny - Saut de la Truite - Cascade du Rummel (exc. via Piste) - Col du Ballon d'Alsace (1173 m) - St-Maurice-s-Moselle - Le Thillot - Ferdrupt - via Rue Chatelet - Col de la Sure (745 m) - Les Pre Herque - Col de Morbieux (791 m) - Saulxures-s-Moselotte - Cornimont - La Bresse - dev. La Rételère/Vallée du Chajoux98 km | 11,6 km/h | 2110 Hm AE (Asia-R, La Bresse): div. gedünstete Teigtaschen, Ente/Reis, Ananas überb., Rw, Cafe 21,10 € Ü: C frei Mangels sichtbarer Freiräume radelte ich zur Nacht noch weit ins Tal hinein, das nach San Nicolas – mehr Weiler als Dorf, aber doch mit eigener Kirche – auch steiler ansteigt, bereits in Piste übergehend. Es blieb nur wenig Platz direkt neben einer Wegeverzweigung – eigentlich direkt am Abzweig zum Trou du Loup, eine Art Passhöhe mitten im dunklen Nadelwald. Abwärts nach Lamadeleine-Val-des-Anges ist die Piste im Gegensatz zu zuvor nicht mehr gut fahrbar und entwickelt Trail-Charakter – umgekehrte Routenführung nicht zu empfehlen. Zudem besteht ein Auszeichnungswirrwarr samt wenig plausibler bis widersprechender Wegesperrungen. Diese Waldpistenpassage bedeutet landschaftlich keinen großen Gewinn, wäre da nicht das Val des Anges hinunter nach Étueffont – eine gelungene Mischung verträumter Talwiesen, rauschender Bergbachpassagen, verwunschener Sumpfecken und idyllischen Weilern. Erst mit den Einkaufsmöglichkeiten in Giromagny darf der frühstücksbetrogene Magen wieder jubeln. Bleiben die Ortsansichten hier am Südfuß der Vogesen hinter dem Postkarten-Fachwerk des sonstigen Elsass eher zurück, darf man sich bei der Osteinfahrt von Giromagny über ein kleines Mühlen- und Schleusenidyll freuen. Trotz Feiertagswochenende, Einzugsgebiet Belfort und Ausflugs-Evergreen Ballon d’Alsace, und damit auch unvermeidlicher Motorradkolonnen (doch eher schwach) dünkte mich eher abfallende Gastronomie und schwächelnder Tourismus zu beobachten. Das bestätigte sich an der Belchenstraße mehr oder weniger deutlich – besonders auffällig in dem geschlossenen Hotel/Restaurant am Cascade de la Truite – einem Wasserfall direkt in der Straßenkurve. Während die Straße in Serpentinen aufsteigt, kann der Wanderer einen Wasserfallweg geradewegs hinauflaufen. Von einigen Serpentinen gehen Pisten ab, die diesen Wasserfallweg immer wieder kreuzen und gleichwohl für Wanderer oder aber auch Radler reserviert sind. Auf solcher Piste zweige ich ab zur Cascade du Rummel, die eher ein Ensemble verschiedener Fallstufen ist als ein einziger Strahl wie der Forellen-Wasserfall. Die Piste führt steiler und weiter ggf. auch zu einem Bergsee, indessen mir aber die Piste dahin zu schwierig sein will. Der mir neue Streckenteil endet mit der Einmündung der Ostanfahrt – weiter unten zu unterteilen in die Alfeld-See-Route und die einsamere, waldreichere Hirtzelach-Route. Noch eine weite Schleife unterhalb der Passhöhe, kündigt sich dieser aussichtsreiche und immer noch gut bewirtete Belchenberg meist durch Gleitschirmflieger an. Ich wähne mich im Glück, die richtige Ecke für die Tour ausgesucht zu haben, gibt es hier doch weniger (kaum) Schnee als am östlich sichtbaren Grand Ballon oder gar in den oberen Etagen des Schwarzwaldes. Eine Abfahrt hier ist dennoch ziemlich frisch, selbst wenn die Abendsonne den Tag nochmal erheitern kann. Den mit herrlichen Mooskaskaden begleiteten Col de Morbieux muss ich (gerne) wiederholen, wenn ich den mir noch unbekannten Col de la Sure auf einer Durchfahrtsroute erobern und auf Pistenexperimente verzichten möchte. Der Col de la Sure selbst kennt nur eine ganz kurze Pistenpassage im oberen Teil, in diesem Fall auf der Auffahrtsseite. Landschaftlich unterscheidet er sich deutlich vom Morbieux-Pass, geht es doch weitgehend über offenes Wiesen- und Weideland, auch lange an Gehöften oder auch normalen Siedlungshäusern vorbei – durchaus eine sehr lohnende Bereicherung in der Kollektion der Vogesenpässe. Erkaufen muss man sich diesen Reiz allerdings mit einigen heftigen Rampen, die zu beiden Seiten warten, und sich auch am Col de Morbieux wiederfinden – zumindest in einem Teil auf dessen Südflanke. Vielleicht war es falscher Ehrgeiz, die kompakte, mir bekannte Infrastruktur inklusive Camping des Dreh- und Angelpunktes Cornimont schon mehrerer Vogesentouren auszuschlagen, um noch etwas Strecke zu machen. Denn das scheinbar geschäftige La Bresse schrumpfte im Speisenangebot schnell zusammen ob überfüllter oder geschlossener Betriebe und der ausgewiesene Camping befindet sich mehrere Kilometer entfernt das „falsche“ Tal hinauf. Die Alternative Hotel ist nur mit einem teuren Haus präsent. Generell sind sowohl die weit verstreuten Übernachtungs- wie Gaststuben-Alternativen ohne Kilometerangaben und Öffnungsmodalitäten ausgewiesen – nicht gerade informativ für einen Radler, kommt noch eine anspruchsvolle Topografie hinzu. Wie schon tags zuvor steht eine Nachtfahrt im Bergmodus an, zieht sich die besiedelte Zone erstaunlich lange den Berg hoch, bevor sich Lücken zum Zeltaufstellen ergeben. So 30.4. La Rételère/Vallée du Chajoux - Lac de Lispach - Col des Feignes sous Vologne (955 m) - Le Collet Schlucht (1100 m) - Le Valtin/Vallée de la Meurthe - Plainfaing - Fraize - Col de Mandray (694 m) - Col des Chauffours (637 m) - La Croix-aux-Mines - Bertrimoutier - Combrimont - Lusse - Colroy-la-Grande - Col de Saales (554 m)/Saales - Bourg-Bruche - Col de Salcée (585 m) - Stampoumont - Colroy-la-Roche - St-Blaise-la-Roche - Fouday - Waldersbach - Col de la Perheux (699 m) - Wildersbach – Natzwiller92 km | 12,8 km/h | 1580 Hm AE (Auberge Metzger): Lachs m. pochiertem Ei, Ente/Spätzle/Pommes/Gemüse/Pilze, Eis m. Merengue, Rw, Cafe 42,50 € Ü: C frei Ich könnte ja jubeln, wenn morgens die Sonne sich am Horizont ankündigt. Doch die Horizontüberwindung im Vallée du Chajoux dauert und indessen haben sich die Finger in Froststäbe verwandelt. Vom Zelt muss ich das Eis abklopfen. Nur wenig weiter aufwärts erreiche ich gar einen See, anbei auch ein Betrieb mit Campinggelegenheit und Gastronomie. Doch war dieser ohnehin geschlossen wie die meisten Betriebe fortan insbesondere beim zweiten See, dem Lac de Lispach, wo sich weitere Liftanlagen befinden. Alles Winterbetrieb, für den See gilt gar Badeverbot – quasi fast die Regel für Vogesenseen, von wenigen kommerziellen Aqua-Hotspots abgesehen (etwa Gerardmer). Die Wege nun immer noch kalt durch dunklen Nadelwald, erst ab, dann auf zur Straße zum Col de la Schlucht, die ich nur wenig unterhalb der Passhöhe überquere. Unmittelbar gleich wieder hinunter ins Meurthe-Tal, der Sonne gegenüber günstiger gelegen, daher langsam ein Hauch von Wärme spürbar. Hat man die halboffene Waldpassage mit Serpentinen hinter sich, öffnet sich bei Le Valtin ein Tal mit lieblichen Auen. In Le Valtin gibt es Ballon-Unterkünfte mit durchsichtigen Himmelblickkammern – die Talromantik soll sich in die Träume hineinarbeiten. Der Maien-Monat wird in Fraize schokoladig zelebriert – hier sind Maiglöckchen und Spargel aus süßem Pralinenschmelz augen- wie gaumengerecht gefertigt. Die Confiserie des Hautes Vosges, ein Pilgerzentrum für Süßkinder mit Fabrikverkauf, eigentlich auch eine meiner Zieladressen dieser Reise, nur wenig zuvor oberhalb Plainfaing gelegen, hatte allerdings am Sonntag geschlossen. Eigentlich dürfte ich anfangs geäußertes Wettergemecker gar nicht so laut herausschreien, ist es an solchem Tage sogar möglich ein Sonnenbad zu nehmen. Wären da nicht überall die Mengen an Zecken, der Vogesen-Wildheit sei schuld. Nach dem mir schon bekannten Col de Mandray geht es schneller als erwartet hinunter in weitere liebliche Tallandschaft mit dörflicher Sonntagsstille. Aus dieser schreit auf ein Schrecken im Blicke, nicht zu hören, weil die Schreie still – die Kreuze der Soldatentoten in Bertrimoutier. Diese Friedhöfe sind im Elsass schon eine Art charakteristisches Landschaftselement, Plantagen-Mahnmale der menschlichen Verbrechen. Ich zweifle, ob die Kreuzfelder reichen werden, den Frieden dauerhaft gemahnend zu ernten und die immer wieder neu zündelnden Worte des Hasses zu verbannen? Hier bei der Kirche achte man auf den Abzweig in Richtung Combrimont – eine schöne Parallelstrecke zur verkehrsreichen Saales-Passstraße, wie schon eingangs erwähnt. Hangelt man sich leicht wellig weiter bis Lusse (und unweit des Vogesen-Autotunnels, der St-Die mit Ste-Marie verbindet) setzt sich die Parallelroute nun stärker hügelig und einsamer fort. Auch in Colroy-la-Grande geht diese Route noch weiter, schließt später zur Bahnlinie auf und passiert ein Motocross-Gelände, das nur noch wenig entfernt von der D420 liegt, auf der man nun nur noch eine kurze Strecke bis nach Saales – ebenso Ort wie Passhöhe – zu absolvieren hat. Von Saales kann man auf eine Radroute umsteigen, was sich bei schneller Marschrichtung bis zum Abzweig in Bourg-Bruche kaum lohnt. Das Seitental dann beginnt recht hübsch, wird nach oben zum Salcée-Pass aber langweiliger. Wer es noch nicht kennt, sollte ein Stück weiter über den Col de Steige fahren, wo sich der dem anliegenden Berg gleichnamige Marmeladenhersteller (auch Süßwaren) Climont befindet, der auch Führungen zur Produktion anbietet. Die von mir eingeschlagene Nordroute ab dem Col de Salcée steigt nunmehr stärker an und überwindet ein kleines bäuerlich besiedeltes Hochtal. Wie schon o.a. muss ich es hier offen lassen, ob von Colroy-la-Roche ein brauchbarer Pistenübergang nach Bellefosse bzw. Waldersbach existiert. Eher dürfte mein Straßenweg ohnehin schneller gewesen sein, denn auch von Fouday nach Waldersbach fährt man in einem noch eher flachen Wiesental auf. Im Bruche-Tal wird allerdings gleich das hohe Verkehrsaufkommen deutlich. Etwas überraschend verfügt Fouday über eine Nobelherberge mit großer Parkanlage, die immerhin öffentlich zugänglich ist. In Waldersbach ist dann aber gleich wieder Vogesenstille – oder aber auch Stillstand, denn die einzige Auberge hat geschlossen. Noch immer ein Rest Abendsonne, entschloss ich mich zum Durchstieg über den Col de Perheux, obwohl ich über die Pistenqualität nicht zuverlässig informiert war. Die Asphaltpassage in Waldersbach besteht aus einer heftigen Rampe, die Piste dann deutlich gemäßigter, zwischenzeitlich sogar mal fast flach. Der Zustand ist zudem sehr ordentlich, etwas rutschiger nur ein kurzes Stück abwärts im Norden, dann aber bald wieder Asphalt, auch ein Bauerngasthof (ungewiss ob geöffnet). Auch die Nordseite ist heftigste Rampe abwärts einschließlich der Ortsdurchfahrt Wildersbach. Landschaftlich gewinnt man eine aussichtsreiche Auffahrt, eine Höhenallee nebst Heidelandschaft zur Rechten. Zur Nordseite dann sehr eng und schluchtig, Wildersbach schon kühn und alpin ins Tal gestaffelt, erinnerte mich spontan an ein Nebental des Krippenbachtals bei Reinhardtsdorf in der Sächsischen Schweiz. Es hätte hier auch eine abkürzende Höhenroute nach Neuviller-le-Roche und Natzwiller gegeben, die ich aber mangels Kartenstudium und wegen der steilen, zu flotten Falllinie in Wildersbach übersehen hatte. So geht es recht weit unten erneut nach oben, die Steigung ist aber zumindest bis zum unteren Ortsteil von Natzwiller nicht so prominent. Die Auberge Metzger scheint eine recht angesagte Adresse, wohl auch wegen sehr üppiger Portionen. Gewiss kann man dort bequem übernachten, doch suchte ich ja das Abenteuer in der Wildnis und den Test des neuen Zeltes – das auch gleich versagte. Wasserfälle bieten ja manchmal ganz gute Biwakiermöglichkeiten – hier jedoch weniger. Zur Cascade de la Selva steigt die Straße bereits innerorts steil an, der folgende Weg jenseits des Parkplatzes ist dann als Piste eher zu steil zum Radeln. Mo 1.5. Natzwiller - exc. Cascade de la Serva (Wanderung, ~ 2,5 h) - Natzwiller - Struthof (camp, musée de la resistance) - Col de Chenagoutte (840 m) - Mullerplatz (980 m) - Champ du Messin (984 m) - Col de la Rothlach (952 m) - Klingenthal - Ottrott - Obernai - Meistratzheim - Erstein - Nonnenweier - Lahr 19:38 h || per Bahn || 22:40 h Stuttgart74 km | 16,1 km/h | 650 Hm Gewiss, die Nacht war die mildeste von allen, ohne Frost. Das konnte nun aber nur ein schlechtes Zeichen sein – ein Wetterwechsel. Die noch relativ stabile Lage der vorausgegangenen Tage wich einer heftigen und durchgreifenden Eintrübung, die sich schon nachts über Regen anmeldete. Es sah zunächst nach Dauerregen aus und zumindest eine Wanderung zum Wasserfall schien da ganz passend. Die Piste hier war nicht nur steil, sondern durch den Regen auch tief und klitschig – also in der Tat unfahrbar, zumindest aktuell. Zudem lohnt es für die Erkundung den auch ausgewiesenen Wegen zu folgen, die von der Hauptpiste abweichen und teils nur einen Pfad beschreibt. Der Cascade de la Selva mag nicht unter den Top-Attraktionen der Vogesen rangieren, das kann aber nur ein Fehler sein. Dabei ist nicht nur die letzte und höchste Gefällstufe der Blickfang, sondern das ganze Ensemble von Kaskaden im oberen Viertel des Weges. Oberhalb des Hauptfalles gibt es die einzige Rastmöglichkeit. Die Wanderung mag bei trockenem Wetter etwas kürzer ausfallen, ist aber zeitlich auch nicht zu unterschätzen. Meine Taktik schien zunächst aufzugehen, ebbte der Regen doch sichtbar ab und machte sogar eine kurze Pause. Dadurch wurde die Fahrt zum Camp Struthof – bei recht starker Steigung – nicht unbedingt gemütlicher, sorgten Kälte und Wind für die nunmehr passende Begleitung des schaurigen Ortes des kollektiven Verbrechens. Schon der nüchterne, quaderförmige Museumsbau sorgt mit einem dunklen Aschgrau für beklemmende Stimmung. Wäre er heute zu betreten gewesen, hätte man das Gefühl nicht vermeiden können, in einen Sarg zu treten. Noch zuvor und unterhalb gibt es einen eigenen Abzweig zum Krematorium. Die Asche der Toten verteilten die SS-Leute in ihren Gemüsegärten. Die Laterne der Toten – im oberen Barackengelände zu finden – gedenkt, gemahnt, schreit stumm. Hier oben führt ein Weg zu der mächtigen Gedenksäule „Nekropole des Mémorial national de la Déportation“, von einer aufsteigenden Fläche von Kreuzen umgeben. Ich lese z.B. Marcel Chapuis, politisch Deportierter, Tod im Februar 1945 – das Ende des Schreckens schon greifbar nahe. Der Blick fällt durch Stacheldraht hinunter auf gestaffelt gereihte Baracken, ein verzweifelter Versuch dem Verbrechen ein Angesicht von kleinbürgerlicher Ordnung und Sauberkeit zu geben. Wenn auch der Zugang heute nicht offen ist, ist das Bild auch ohne Worte und Informationstafeln das der Tragödie – ja, es sind Bilder des Todes, eine Ästhetik des Grauens, die sich unter dem fahlen Himmel ins Lichtbildgerät eingraviert. Nur wenig weiter ein Abzweig in eine versteckt erkennbare Steinbruchlandschaft. Es waren die Häftlinge, die hier roten Granit abbauten für Prestigebauten der Nazis und den deutschen Straßenbau. Eine nicht seltene Zwangsverwendung der Gefangenen, wie auch ein Blick auf die Geschichte des KZ Buchwald noch im selben Monat anlässlich des Forumstreffens in Erfurt zeigen sollte. Mehr gegen Kriegsende veränderten sich die Tätigkeiten in die Hallen des Lagers zum Säubern und Reparieren von Flugmotoren. Die Mörder waren nicht verlegen darin, ihre als nutzlos bezeichneten Opfer gleichwohl zum eigenen Nutzen auszubeuten, eine kalkulierte Schizophrenie einer verirrten Ideologie – am Ende nur ein Haufen Elend aus Heuchelei und Perversion. Mir kommt in den Sinn, das kalkulierte Schizophrenie auch heute bei den Rechtsauslegern eine Strategie ist – nur inhaltlich manchmal etwas verändert gelenkt. Struthof liegt bereits weit oben, gegen 800 m hoch, die Zuordnung zu Natzwiller nur nachvollziehbar, legt man die Luftlinie ins Tal zur anderen Seite, welches auf der Route kaum einsehbar bleibt. Bald öffnet sich nun bei weiterem kräftigen Anstieg die Moor- und Heidelandschaft um Champ du Feu. Offene Flächen wechseln mit Nadelwaldhainen. Bei welliger Topografie und um die 1000 m Höhe strebt man nicht unbedingt aufregend gegen Rothlach – eigentlich nur eine Auberge mitten im Wald mit kleiner Lichtung. Hier war ich wieder auf bekanntem Kurs aus vergangenen Touren. Was ich jenseits von Camp Struthof zu sehen bekam, war schlicht bescheiden, denn es setzte ein Gemisch aus Regen, Schneeschauer und Eisregen ein, getrieben von heftigem Wind bis in die Schräglagen. In Rothlach schien die Lage fast aussichtslos, dass sich die Wetterlage beruhigen würde und ich bei Besuch der Auberge nicht mehr wegkommen würde. Ich entschloss mich zur radikalen Härtetestlösung und ging die Abfahrt an durch eine Wasserwand. Versuche in Obernai in einem Café die Sachen, insbesondere Schuhe zu trocknen, waren nur von bescheidenem Erfolg. Besser sorgte fortan der Wind in der elsässischen Rheinebene für Trockeneffekte. Doch auch das war umsonst, ereilte mich mit Grenzübertritt nach Deutschland erneut heftiges Schauerwetter, in Nonnenweier angewachsen zu einem Dauerwolkenbruch. Erneute Einkehr im Gasthof, wo ungeachtet des Mai-Wetters Mai gefeiert wurde. Blieb noch die Flucht zum nächst gelegenen Bahnhof in einer Regennachlasspause. Mensch, Mai-er, wo bleibst du nur!? Route auf GPSiesBildergalerie Tour VII (116 Fotos, bitte auf Bild klicken):
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#1309894 - 09.11.17 08:14
Re: Grand Ballon d'Alsace - Natzwiller
[Re: veloträumer]
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Moderator
abwesend
Beiträge: 13.167
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Hallo Matthias, nun also der Jazz-freie Teil des Berichts, bei dem ich mir überlege, ob Ende Mai oder Juni nicht die bessere Zeit wäre, die von Dir besuchten Regionen per Rad zu erkunden. Dennoch macht Dein Bericht Lust auf einen Besuch der Region, die ich zwar zum Teil schon befahren habe, in der es aber noch viel zu entdecken gibt. Im November eines Jahres wusste ich bisher eigentlich schon immer, wo ich im nächsten Jahr meine Tour machen wollte. Dieses Jahr bin ich völlig unentschlossen. Vielleicht doch wieder einmal nach Frankreich (früher bin ich mit meinem Freund dort viel unterwegs gewesen) oder nach Norwegen und in die baltischen Staaten oder ... Dein Bericht lässt mein Entscheidungspendel wieder etwas mehr Richtung Frankreich (Pyrenäen, Vogesen, ...) ausschlagen.
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Gruß, Arnulf
"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot) | |
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Off-topic
#1309898 - 09.11.17 08:20
Re: Grand Ballon d'Alsace - Natzwiller
[Re: Keine Ahnung]
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Frankreich ist gut ! Vogesen noch besser ! Da kann man Mütze besuchen
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#1309947 - 09.11.17 13:04
Re: Grand Ballon d'Alsace - Natzwiller
[Re: Keine Ahnung]
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Mitglied
Themenersteller
abwesend
Beiträge: 17.338
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...ich mir überlege, ob Ende Mai oder Juni nicht die bessere Zeit wäre, die von Dir besuchten Regionen per Rad zu erkunden. Grundsätzlich sind die Vogesen gemäß bevorzugter Westlage in Europa ab Ende April gut zu besuchen, auch die Vegetation ist normalerweise dann gut fortgeschritten (Grün bereits bis weit in die Mittellagen). Ab Mitte Mai kannst du dann auch bis in die Hochlagen mit grünen Bäumen rechnen. Gegen Kaltwettereinbrüche ist man zu keiner Zeit gefeit, wie nachzulesen war es ja sogar im August zu LPP mal richtig kalt. Ostertouren sind Mitte April auch schon gut denkbar - kommt dann auf die konkrete Wetterlage an - auch ob der Winter lang oder kurz war. Für Besonderheiten wie Narzissentour muss man sogar noch früher ran, weil die eben früher blühen. 1.-Mai-Tour in den Vogesen waren auch schon deutlich sommerlicher als diese letzte. Ich war dieses Jahr auch Pfingsten unterwegs (Anfang Juni), ähnliche Gegend, nämlich gegenüber im Südschwarzwald (auch ein Bericht wert, aber dieses Jahr garantiert nicht mehr). Das Wetter war da auch ganz schwierig, ein halber Tag Dauerregen, sonst teils sonnig, aber teils auch triste und ziemlich kühl - eigentlich ziemlich ähnlich dem 1. Mai in den Vogesen. Nachtfröste gibt es dann aber i.d.R. aber nicht mehr. Vogesen würden sich gut anbieten, wenn du wieder eine Anschlusstour zum Forumstreffen planen solltest - ideale Jahreszeit dann auch. Dein Bericht lässt mein Entscheidungspendel wieder etwas mehr Richtung Frankreich (Pyrenäen, Vogesen, ...) ausschlagen. Hast du "Glück", dass ich nicht alle meine "Bücher" in absehbarer Zeit fertig bekommen werde - da ist noch einiges "französische" dabei. Kann dir aber doch noch Hoffnung machen, in Kürze geht es weiter mit Frankreich (nicht nur), aber nicht in diesem Thread und auf eine etwas andere Art, wie man sie von mir immer mal wieder befürchten muss...
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#1309958 - 09.11.17 14:05
Re: Grand Ballon d'Alsace - Natzwiller
[Re: veloträumer]
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Moderator
abwesend
Beiträge: 14.761
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Dein Bericht lässt mein Entscheidungspendel wieder etwas mehr Richtung Frankreich (Pyrenäen, Vogesen, ...) ausschlagen. Hast du "Glück", dass ich nicht alle meine "Bücher" in absehbarer Zeit fertig bekommen werde - da ist noch einiges "französische" dabei. Als Moderator kommste hier zu nix. Doch ich gebe mir alle Mühe, meine letzten zweieinhalbtausend Kilometer durch Frankreich in diesem Winter nachzuerzählen. Lieber Matthias, auch wenn mir deine Leistung spanisch vorkommt, ich mit dem verlinkten Jazz noch wenig anfangen kann, gefallen mir die ausgewählten Speisen außerordentlich. Gleichzeitig stelle ich auch auf meinen letzten Touren fest, dass das Preisniveau im Restaurant erheblich anzieht. Mir gefällt, wie penibel Du deine Kurztrips zusammenfasst und für einen Interessierten Radler mit Akribie aufbereitest. Danke dafür und nen herzlichen Gruß Jürgen
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#1310062 - 10.11.17 11:50
Re: Grand Ballon d'Alsace - Natzwiller
[Re: Juergen]
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Themenersteller
abwesend
Beiträge: 17.338
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Gleichzeitig stelle ich auch auf meinen letzten Touren fest, dass das Preisniveau im Restaurant erheblich anzieht.
Ich meine festzustellen, dass nach einigen Preisteigerungen in Frankreich in den letzten Jahren, die Preise dort jetzt wieder etwas stagnieren, während man nun im eher lange Zeit billigen Deutschland den Geldbeutel weiter öffnen muss. Wenn man in Deutschland bei entsprechendem Niveau eine französische Menüfolge bestellen würde, würde man mittlerweile meistens die frz. Preise erreichen oder gar übertreffen. So neu ist es allerdings auch wieder nicht, wenn ich es recht überlege.
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#1480124 - 26.09.21 13:55
Re: Vogesen-Tripel 2012
[Re: veloträumer]
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Bonjour Veloträumer, ich möchte am kommenden Sonntag von Schirrhein/Alsace bis nach La Petite Pierre radeln, um 12.00 h habe ich einen Tisch im Restaurant reserviert. Kannst Du mir eine Route bzw. auch eine Radtourenkarte für diese Region empfehlen? Danke + Grüße, Chris
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#1480143 - 26.09.21 18:45
Re: Vogesen-Tripel 2012
[Re: chrisli]
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Ich bin zwar nicht der angesprochene, aber weil sich die Gegend in meinem erweiterten Tagestourenbereich befindet, bin ich da gelegentlich schon auch unterwegs. Ich fahre gerne durch den Wald von Hagenau (da hats mehrere bestens geteerte Radwege) und Orte wie Ingwiller sind auch recht hübsch und liegen auf dem Weg. Wenn Dus eilig hast, fährt Du durch Hagenau durch , das geht am schnellsten, wenn man einfach die Hauptstraße herunterrauscht. Schön ist das aber nicht, deshalb fahre ich gerne um Hagenau herum über Soufflenheim und Betschdorf (ganz nette Töpferdörfer), dann Walbourg und Niederbronn-les-Bains. Dann schön am Vogesenrand entlang über Ingwiller und Sparsbach zum Ziel. Oder Du hältst Dich an die Moder, hier gibt es auch einen Radweg, falls Du Straßen nicht so sehr fahren magst und fährst hinter Wingen-sur-Moder auf die Hochfläche bei Petite-Pierre hoch. Viel Spaß Gruß Nat
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#1480234 - 28.09.21 12:52
Re: Vogesen-Tripel 2012
[Re: chrisli]
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Beiträge: 17.338
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Hallo Chris, Karten: Soweit du dich nicht über die üblichen Straßen bewegst, reichen die Michelin Straßenkarten (Michelin 242 Alsace/Lorraine 1:200.000 oder Michelin 315 Bas-Rhin, Haut-Rhin, Territoire Belfort 1:150.000). Wenn du mehr auch in Forststraßenbereiche offroad hineingehen möchtest, lohnt die IGN 112 Strasbourg/Forbach 1:100.000. Ich habe alle drei.
Den möglichen Rahmen hat bereits natash abgesteckt. Von Schirrhein ist eine Nordroute über Betschdorf aber wohl wenig sinnvoll, bis 12 Uhr in LPP dann auch zu ambitioniert. Zwangsläufig bist du schnell in Haguenau, in dem Fall sogar ohne die ewig langen Geradeausrouten durch den Haguenauer Wald (das muss man auch mögen, weil es auf Dauer langweilig wird). Die direkteste Route und auch recht hübsch führt dann über Pfaffenhoffen (die bemalten Häuser). Die D919 verlässt du dann noch vor Ingwiller in Richtung Uttwiller (nicht nach Bouxwiller!), um dann auf die D7 zu gelangen, die dich waldreich nach LPP führt (oben vor dem Ort auch noch etwas roter Fels).
Die Variante über Ingwiller und Wingen-sur-Moder würde dich mehr an der oberen verwunschen auen-sumpfigen Moder entlangführen, Querroute von Wingen nach LPP ist aber nicht so der Brüller, insgesamt Route länger ohne echten Mehrgewinn. Die entrückteste Alternative würde über Bouxwiller, Neuwiller, dann über die D134 zum Col de la Tête du Christ, wo man eine Nebenroute zur D134 über Loosthal fahren kann (sehr schmale Straße). Insgesamt etwas verwinkelt und mit zusätzlichen Höhenmetern anspruchsvoller als die anderen Routen. Die D134 selbst geht natürlich auch bis LPP. Mehr Sumpftal bekommst du an der Zinsel, wenn du in Neuwiller zunächst nach Dossenheim und dann nach Westen auf der D133 fährst, dann streng nach Norden nach LPP abzweigen. Wäre aber eindeutiger Umweg, wenn auch sehr hübsche Route.
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#1480552 - 03.10.21 17:32
Re: Vogesen-Tripel 2012
[Re: veloträumer]
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Bonjour und danke nochmal. Ich bin 40 min. vor der Zeit angekommen und habe für die letzten 8 km 40 min. gebraucht. Am Ende war ich ganz schön am Ende, aber glücklich, es geschafft zu haben. Und dann gab's ein leckeres 3Gang-Menü bei Estelle und Frédéric Jung! A bientôt,Chris
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#1480633 - 04.10.21 18:37
Re: Vogesen-Tripel 2012
[Re: chrisli]
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Ja, man unterschätzt die Strecken dahin etwas. Aber Hauptsache, es hat gemundet.
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