5.6.2015

Heute geht es erst einmal zurück nach Villandry. Das dortige Schloss kennen wir noch nicht. Es ist berühmt für seine opulenten Gartenanlagen. Und wenn wir schon mal da sind, gucken wir uns das Schloss auch von innen an.

Es liegt direkt an der Straße, nicht weit von der Vienne. Schon jetzt, am frühen Morgen wimmelt es von Besuchern. Busse, Autos, Motorräder, eine endlose Reihe Fahrräder. Wir stehen eine Weile an, um Eintrittskarten zu erwerben und betreten dann als erstes die Gartenanlagen. Die Bewässerung arbeitet mit Hochdruck. Alles ist sattgrün. Zuerst einmal klettern wir hoch auf ein Plateau, um dort von einem Pavillon aus einen Überblick zu gewinnen. Es gibt Ziergärten, Gemüsegärten, Kräutergärten und einen Wassergarten. Alles penibel instand gehalten und barock. Also regelmäßig gestaltete Karrees. Besonders innovativ der barocke Gemüsegarten, wo bunte Bilder aus Rotkohl und Salat gepflanzt sind. Das habe ich so noch nicht gesehen. Der Garten ist groß und will erwandert werden. Fleißige Gärtner sind überall unterwegs.

Auf dem Flyer steht, dass alles streng ökologisch korrekt begärtnert wird. Das finde ich spannend. Wie geht man wohl mit dem Buchsbaum-Zünsler um? Oder ist er hier etwa noch nicht angekommen? Doch, ist er. Die Buchsbaum-Hecken, die all die Karrees umgeben, sehen schlimm aus. Man will sie gegen Ilex tauschen und hat das auch teilweise schon gemacht. Schade irgendwie. Aber gegen die Biester ist kein Kraut gewachsen.

Als wir genug Grün gesehen haben, gehen wir hinüber zum Schloss. Im 20. Jahrhundert wurde es praktisch komplett ab- und wieder aufgebaut. Ein vielversprechender junger Spanier, der eine Oligarchentochter aus den USA geheiratet hatte, kaufte 1906 das Schloss. Noch heute ist es in Privatbesitz. Die Innenräume, die besichtigt werden können, sind nett, aber nicht wirklich spektakulär. Es gibt die obligatorische Gemäldesammlung zu besichtigen und schöne Ausblicke auf die Gärten. Auch der junge Schlossherr tritt auf. Was man an den knicksenden dienstbaren Geistern erkennt. Außerdem ähnelt er dem Gemälde seines Ahnherren stark.

Über Savonnière geht es weiter Richtung Tours. Zunächst an der Stadt vorbei, immer der Vienne folgend. Nach Unterquerung einer Schnellstraße biegt der Radweg noch einmal weiter weg von der Loire ab. Wir umrunden einen Golfplatz, umrunden einen See, durchqueren einen Park und biegen schließen ab Richtung Zentrum. Der Radweg führt um den See herum zur Brücke über die Vienne. Hier liegen die Menschen im Gras. Im Schwimmbad ist Hochbetrieb. Sehr verlockend bei der Hitze.

Nachdem wir zwecks Orientierung in einem Cafe etwas Erfrischendes getrunken und den Stadtplan im Bikeline studiert haben, suchen wir zunächst die Altstadt auf. Hier ist es sehr touristisch. Aber die Fachwerkhäuser sind wunderschön. Dazwischen gibt es zahlreiche hübsche Einkehrmöglichkeiten. Aber man hält sich natürlich streng an die Essenszeiten. Und gerade ist keine. Also sind alle Restaurants geschlossen.

Am Rand der Altstadt besuchen wir Saint Martin. Die Kirche ist weder alt noch schön. Und überfüllt durch Dutzende Schulklassen. Am Eingang hängt das Poster mit der überall üblichen Warnung vor Taschendieben. Auf der Straße tummelt sich allerhand Volk, das wenig vertrauenerweckend aussieht. Wie gehen also getrennt in die Kirche, da wir unsere Räder nicht allein lassen wollen.

Wir hatten uns für diese Reise zwei gleichschließende Abus-Rahmenschlösser geschenkt. Verbunden mit einer Kette, mit der man sie sowohl zusammen als auch an irgendetwas anketten kann. Das eine der beiden Schlösser verabschiedete sich schon nach wenigen Tagen, so dass wir die Räder jetzt mit dem anderen zusammenketten müssen. Ohne Möglichkeit, mit der zweiten Kette beide zusammen an einem Lichtmast oder Ähnlichem zu befestigen. Irgendwie kriegen wir das im weiteren Verlauf der Reise dann doch hin. Alles eine Frage der Organisation. Wir machen es immer noch so. Auch nach einem halben Jahr ist Abus der Umtausch noch nicht gelungen.

Als ich die Kirche betrete, entscheiden sich die Menschenmengen spontan, sie zu verlassen. Es ist still und dämmrig. In der Krypta ist das Grab von St. Martin. Wenn er auch nicht mehr drinliegt – ein eindrucksvoller Platz, um an diesen Helden meiner Kindheit zu denken.
Zurück durch die Altstadt machen wir uns auf den Weg zur Kathedrale Saint-Gatien. Dort führt auch der Loire-Radweg vorbei, den wir hier wieder aufnehmen wollen. Zunächst besichtigen wir natürlich ausführlich die Kathedrale. Hier gemeinsam, da der Vorplatz sehr ruhig ist. Ein kleiner schattiger Park verlockt uns zu einer Rast. Genauso wie diverse andere Radfahrer und Wanderer. Hier führt der/ein Jakobsweg vorbei. Alle sehen ziemlich müde aus. Die Hitze fordert ihren Tribut. Kein Gedanke dran, dass hier Räder geklaut werden könnten. Die Solidargemeinschaft wacht.

Weiter geht es zur Brücke über die Loire. Der Radweg führt drüber und dort zunächst mit dicken Steigungspfeilen durch Weinberge, später weit weg von der Loire eine als stark befahren gekennzeichnete Autostraße entlang. Amboise, unser Ziel für heute, liegt auf derselben Seite wie Tours, direkt an der Loire. Dorthin führt eine Alternative. Also nehmen wir die.

Am Ufer führt eine unglaublich befahrene breite Straße entlang. Es gibt zwar einen Radweg, aber irgendwann biegen wir seitlich ab, weil es uns einfach zu laut und zu stickig ist. Laut Karte kommen wir quer durch die Stadt irgendwann auch nach Montlouis-sur-Loire. Und dabei sicherlich auch an einem passenden Supermarkt vorbei, um uns für den Abend einzudecken. Hier ist weniger Verkehr. Aber die Fahrt durch die vielen Vorstadtviertel ist ziemlich langweilig und zieht sich. Erst gegen Ende treffen wir auf Supermärkte. Beim Discounter sind gerade Flugtage. Oben am Himmel fliegen drei Formationsüberschallflugzeuge mit dem entsprechenden Lärm und blau-weiß-roten Kondenzstreifen. In der Ferne zieht ein Gewitter auf und grollt vor sich hin.

Schließlich kreuzen wir den alternativen Loire-Radweg und folgen ihm wieder. In einer Schlaufe geht es steil hoch zur Ortsmitte von Montlouis-sur-Loire. Unversehens schieben wir die schweren Räder eine steile Rampe hoch. Aber es lohnt sich. Oben finden wir ein hübsches Örtchen mit interessanter Kirche und einem eindrucksvollen Ausblick über das Loire-Tal. Und wo wir jetzt schon mal hier oben sind, führt der Weg weiter durch die Weinberge. Ohne Blick auf die Loire. Auf und ab über diverse Hügel. So richtig wissen wir jetzt die Landschaft nicht mehr zu würdigen. Wir sind müde. Es ist immer noch heiß. Die Insektenplage erreicht ein Rekordausmaß. Und das Gewitter kommt näher. Der uns entgegenstehende Ostwind frischt zu massiven Böen auf. Wir würden jetzt gerne in Amboise ankommen.

So verlassen wir die Hügel und nehmen entschlossen unten die Straße. Auf Amboise zu findet sich an ihrer Seite ein Radweg. Wir nehmen das Rennen auf. Wär doch gelacht, wenn wir nicht vor dem Gewitter unser Zelt aufgebaut bekommen. Der Radweg führt am Ufer entlang. Die Straße längst hoch über uns auf dem Damm. Amboise kommt in Sicht. Der Radweg führt nun über extremes Kopfsteinpflaster. Der Campingplatz liegt auf der Insel in der Loire. Wir müssen zunächst unter der Brücke durch, bis wir ein ganzes Stück dahinter eine Auffahrtsmöglichkeit finden. Die Brücke ist stark befahren und sehr eng. Böen kommen hier von der Seite. Wir nehmen den Fußweg. Es sind nur noch wenige Fußgänger unterwegs. Drüben finden wir Wegweiser und sofort darauf den Campingplatz.

Da stehen wir nun also in der Rezeption. Bedeckt mit Schweiß, Staub und unzähligen Fliegen. Die Rezeptionistin telefoniert. Sie erklärt der Besatzung eines Wohnmobils, dass sie nach 22 Uhr nicht mehr auf den Platz kommen. Zwanzig Minuten später tut sie das immer noch. Wir werden brummig. Aber irgendwann dürfen wir bezahlen und bekommen einen Platz zugeteilt. Hier ist auch die Zeltwiese durchnummeriert. Der Platz ist riesig. Und gut besucht.

Wir haben keine Lust, mutterseelenallein mitten auf einer Wiese, weit ab von den Sanitärgebäuden zu campen und ziehen um zwischen die anderen zeltenden Radler. Die haben das anscheinend schon genauso gemacht. Wir bauen unser Zelt neben einem netten niederländischen Paar auf. Und bis wir vom Duschen zurückkommen, ist das Gewitter Geschichte. Viel Regen hat es nicht gegeben. Wir kommen schnell mit unseren Nachbarn ins Gespräch. Sie sind mit dem Zug nach Nantes gefahren und wollen jetzt über den EV 6 und dann weiter den Rhein aufwärts zurück in die Niederlande fahren. Die anderen Radler sind so zahlreich, dass es nun nicht mehr möglich ist, mit jedem einen Schwatz zu halten.