Die fehlende Etappe:

14.6.2015

Da heute Sonntag ist, müssen wir vormittags einkaufen. Das ist jetzt eingeübt. Trotzdem fahren wir erst einmal los. Den Weg, der auf der Karte eingezeichnet ist über Lechatelet nach Pagny-la-Ville finden wir nicht. Am Saone-Ufer ist jedenfalls keiner. Wir entschließen uns also, den direkten Weg nach Pagny-le-Chateau zu nehmen. Besonders idyllisch ist der nicht. Aber wir sind schnell über die Autobahn, die hier gekreuzt werden muss und gleich darauf im Ort. Dort biegen wir nach links ab, um wieder auf den Radweg an der Saone zu treffen, was sich als lohnend herausstellt. Es gibt eine interessante Kirche und auch sonst ist das Dorf sehr hübsch. Jenseits der Saone liegt Pagny-la-Ville und der Radweg kommt genau dort über die Brücke, wo wir wieder auf das Flussufer treffen.

Bis Saint-Jean-de-Losne sind es jetzt 13 meditative Flusskilometer. Wir treffen zahlreiche Spaziergänger und Angler. Überall herrscht sonntägliches Treiben. Bei der Einfahrt in den Ort finden wir einen Colruyt und können unsere Einkäufe erledigen. Es ist recht warm. Im Ortszentrum findet ein Volksfest statt. Wir werfen nur einen kurzen Blick drauf und legen dann zügig das restliche Stück bis Saint-Symphorien-sur-Saone zurück. Hier zweigt der Canal du Rhone-au-Rhin ab. Mit einer Schleuse und einem großen Hinweisschild.

Wir überqueren den Kanal auf einer Brücke und biegen drüben auf den Treidelpfad ein. Die Strecke ist wieder perfekt ausgebaut. Bis wir die Departementsgrenze überschreiten. Ein großes Schild mit Jura l’inattendu. Was irgendwie auch stimmt. Mit dem Jura hatten wir nicht gerechnet. Aber mit so schlechtem Zustand des Radwegs auch nicht. Der Bootsverkehr ist stärker geworden. Deutsche, niederländische und belgische sind auch dabei. In den Schleusen ist reger Betrieb.

Bei Abergement-la-Ronce endet der Treidelpfad, so dass wir abbiegen müssen. Wir fahren einen Bogen über Damparis nach Tavaux. Es geht weg vom Kanal nur milde bergauf durch den Wald. Das Tal ist immer noch weit. Wir unterqueren die nächste Autobahn und erreichen bald darauf Dole. Das Tal ist hier deutlich enger. Der Ort türmt sich eindrucksvoll über dem Kanal auf. Das Panorama wird noch durch einen lebhaften Yachthafen verschönt. Wir beschränken uns drauf, uns Dole von hier unten aus anzusehen.

Weiter geht es am Kanal. Der Doubs verläuft jetzt parallel. Mal ist er mit dem Kanal identisch. Oder andersherum. Mal verlaufen sie getrennt. Auf der rechten Seite erheben sich bewaldete Berge. Links verläuft eine Nebenstraße und ein Stück weiter die Autobahn. Die Schleusen sind zum Teil außer Betrieb gesetzt. In diesen Becken baden diverse Menschen. Am Ufer ragen Felsen auf, die beklettert werden. Eine wunderschöne Landschaft. Kombiniert mit Sonntagsstimmung. Auch viele Radler sind in großen und kleinen Gruppen unterwegs.

Von der Planung her wollen wir in L’Isle-sur-le-Doubs übernachten. Dem letzten Campingplatz vor Mulhouse. Die halbe Strecke bis dahin wäre ein Stück vor Besancon. Der letzte eingezeichnete Platz vor Besancon bei Osselle. Da wir schon gelernt haben, dass die eingezeichneten Plätze nicht unbedingt existieren, stellen wir uns eine Übernachtung bei Dampierre vor. Zunächst einmal passieren wir den Platz bei Orchamps, direkt am Doubs-Ufer. Aber wir wollen noch weiter. Den bei Dampierre gibt es anscheinend nicht. Oder wir finden ihn nicht. Also Osselle. Inzwischen sind wir auch müde.

Bei Osselle liegt ein Freizeitpark an einem Seeufer. Alles ein bißchen vergammelt. Und von Menschenmassen überlaufen. Zelten darf man direkt am Strand. Es gibt Toiletten, die mit den Badenden geteilt werden müssen. Und eine Dusche mit Kaltwasser ohne Tür. Für diese Pracht sollen wir 18 € bezahlen. Faszinierend. Eigentlich haben wir dazu keine Lust. Und wir hätten auch gern eine schöne heiße Dusche. Es nieselt nämlich mal wieder seit einiger Zeit. Wir beschließen, diesem Nepp nicht Vorschub zu leisten. Unterstützt durch den Dreck rundum. Und schwingen uns wieder auf die Räder. Man ruft uns noch nach, das würde uns noch leid tun. Jetzt käme kein Campingplatz mehr.

Wir sind noch nicht weit gekommen, da zieht ein heftiges Gewitter auf. Es blitzt und donnert. An einem Flussbogen flüchten wir vor dem einsetzenden Wolkenbruch in einen Unterstand, um das Gröbste abzuwarten. Von da aus sehen wir zu, wie diverse Ausflügler das Tal entlang gerannt kommen, um neben uns in ihre Autos zu steigen. Erst einmal sind wir ganz entspannt. Aber bald fangen wir an zu frieren. Wir sind klatschnass. Da haben wir auch keine große Lust, trockene Sachen auszupacken und zu durchfeuchten. Das würden wir lieber im Trockenen tun. Es tropft immer stärker aus allen Richtungen. Der Regen wird schwächer. Er wechselt von Wolkenbruch auf starken Regen.

Wir haben im Grunde keine Alternative als schnellstens nach Besancon zu fahren. Es ist schon relativ spät. Also los. Nass sind wir sowieso. Und beim Radeln wird uns warm. Wir passieren einen kleinen Ort und kommen nach Thoraise. Immer noch den Kanal entlang. Vor uns türmt sich ein Berg auf. Oben drauf und drum herum liegt Thoraise. Unfreundlicherweise verschwindet der Kanal in einem Tunnel. Den Ausgang kann man nicht sehen. Neben dem Kanal bleibt ein Weg. Aber Schilder verbieten seine Benutzung. Sollen wir trotzdem? Lieber nicht.

Der Radweg turnt über den Berg. War also wohl nichts mit „schnell nach Besancon“. Aber was man raufklettert, kann man auch wieder runterfahren. Und bald sind wir an der Stelle, wo der Kanal den Tunnel wieder verlässt. Hier ist er so wirksam abgesperrt. Da wären wir nicht rausgekommen. Gut, dass wir das gar nicht erst versucht haben. Noch 17 km bis Besancon.

Viel kriegen wir von der Strecke, die sicher sehr schön ist, nicht mehr mit. Der Regen rauscht. Die Brille beschlägt. Das Wasser läuft in die Augen. Aber wir gehen davon aus, dass wir in Besancon leicht ein Hotelzimmer finden. Irgendwann türmt sich der Berg mit der Zitadelle vor uns auf. Wieder tunnelt der Kanal unter durch. Nur dass wir diesmal mittunneln dürfen. Während der Doubs in einem großen Bogen um die Innenstadt fließt. Wir biegen ab vom Kanal und kommen auf ein Schild Richtung Campingplatz zu. Gute Idee. Da brauchen wir nicht mühsam ein Hotel zu suchen.

Aber der Weg ist weit. Und es geht eigentlich nur bergauf. Immerhin ist uns nun warm. Neben uns verläuft die Straßenbahnstrecke. Und irgendwann kommen wir oben an. Nun geht es noch einmal auf einer Hauptverkehrsstraße rasant bergab und direkt in die Einfahrt von Hallenbad und Campingplatz. Bald steht unser Zelt mit dem Tarp davor. Man hat uns einen Platz zugeteilt, der ein sehr spitzwinkliges Dreiecke ist. Gegenüber zelten zwei junge Männer in Begleitung einer älteren Frau, die unermüdlich mit dem Auto kommt und wieder davon fährt. Erst essen die beiden noch friedlich. Dann schlagen sie brüllend aufeinander ein.

Die Bewohner der umliegenden „Gehöfte“ versuchen mäßigend einzugreifen. Ohne Erfolg. Es klingt, als dresche jemand auf einen Boxsack ein. Zwischendurch rollen sie am Boden herum. Als beide gemeinsam auf unser Zelt fallen, rufe ich ihnen zu, sie sollten das lassen. Naja. Irgendwann holt jemand den Platzverwalter. Bzw. will das tun. Der möchte aber lieber in seinem Büro bleiben. Er will eine Beschreibung der beiden. Das geht nicht so richtig. Die äußeren Merkmale, mit denen das leicht ginge, darf man nicht mehr benennen. Das ist in Frankreich offenbar genauso wie in Deutschland. Der gute Mann weiß aber offensichtlich sowieso, wen wir meinen und ruft die Polizei. Bald ist Ruhe.

Die Duschen erweisen sich als ausgesprochen komfortabel. Und bald liegen wir im Zelt und hören dem Rauschen des Regens zu.