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#1379711 - 20.03.19 20:30 EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen
veloträumer
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Beiträge: 17.178
Dauer:1 Monat, 6 Tage
Zeitraum:16.6.2018 bis 21.7.2018
Entfernung:2620 Kilometer
Bereiste Länder:frFrankreich
esSpanien

Grünbrille bewegte sich nicht einen Millimeter. Es schien, als sei er im Stehen eingeschlafen. Aber dieser Eindruck täuschte. In Wirklichkeit war er hellwach und harrte gespannt der Dinge, die da kommen sollten.
Bernardo Atxaga


Tour de EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen

Pays Basque (Iparralde): Labourd (Lapurdi) – Basse-Navarre (Benabarra/Nafarroa Beherea) – Soule (Xiberoa/Zuberoa)

Navarra (Nafarroa)

País Vasco (Euskadi):
Gipuzkoa (Guipúzcoa) – Biskaia/Bizkaia (Vizcaya) – Araba (Álava)


]



Zeitraum*: 16.6.-21.7.2018 | 36 Tage
Distanz*: 2620 km | 73 km/d | 11,3 km/h
Anstieg*: 46200 Hm | 1283 Hm/d | 1784 Hm/100 km (barometrisch gemessen) | ca. 90 Pässe
Mitfahrer: Casco Nuevo (als blinder Passagier)
Fotos (hier präsentiert): ca. 1390

* ohne An- & Rückreisetag mit Bahntransfers, Paris-Transits & Oberrheinstrecke Strasbourg – Rastatt; jedoch mit Nachtanfahrt Bayonne – Golf Chiberta/Plage d‘Anglet

Digitalspur (in GPSies am PC nachgebaut): Euskal Herria

Hinweis zum GPSies-Track: Obwohl recht pedantisch gearbeitet, ist der Track in einigen Fällen falsch gezeichnet, wie ich teils nur zufällig im Nachhinein bemerkt habe. Das betrifft nicht nur Stadtkurse, die ich wie üblich absichtlich willkürlich markiert habe, um anzudeuten, dass ich da querbeet geradelt oder auch nur zu Fuß flaniert bin. Im Bereich Anglet bin ich ein paar radfahrverbotene Strandbohlenwege gefahren, was tagsüber bei Strandbetrieb nicht zu empfehlen ist und hier wohl auch nicht exakt wiedergegeben ist. Ähnliches gilt für den Weg zum Pointe St-Barbe in St-Jean-de-Luz.

Insbesondere verläuft meine tatsächliche Route zwischen Villafria de San Zadornil und Herrán mit der Desfiladero del Rio Purón über Ribera und weiter über den Wandertrail direkt durch die Schlucht (nicht fahrbar, heikle Hebepassagen). Die eingezeichnete Piste hingegen ist recht schottrig mit tiefem, weichem Geläuf, im Gegensatz zum Wandertrail aber vermutlich durchgehend befahrbar für MTB, für Reiserad weniger zu empfehlen, soweit ich das überblicken kann. Wohl aber eine Möglichkeit, ohne Hebepassagen die Route einzuschlagen. Da so die Schlucht umgangen/umfahren wird, müsste man dann das Rad unterhalb abstellen und sie dann zu Fuß von unten begehen. (vgl. EUS-9)

Weiters habe ich bemerkt, dass beim Bertiz-Park, der Track vom Parkplatz aus nicht dem Weg hinter dem abgezäunten Pavillon-Park folgt, es sieht so aus, als wäre ich wegen einer Sperre zurück zur Straße und einen Zugang später eingefahren. Dem ist nicht so. Noch unerklärlicher hat sich der Track am Gorramendi/Gorramakil verbogen. Dort bin ich vom Gorramendi aus keinen Wandertrail als Rundkurs gefahren, sondern auf selbiger asphaltierter Anfahrtsstraße auch wieder zurück. (vgl. EUS-2)




Vorbemerkung: Themenblöcke vs. Chronologie

Die Berichtsblöcke nach der Einführung folgen teils in nicht (!) durchgängig chronologischer Weise, weil ich so zusammenhängende Regionen besser herausstellen möchte. Die zugehörigen Etappen mit den Fahrdaten werden meist den Regionalkapiteln vorangestellt, am Datum ist dann erkennbar, ob sie aufeinander folgen oder zu einer versetzten Zeit gefahren wurden. Dabei fließen verschiedene Regionen auch manchmal in einer einzigen Etappe ineinander, wobei dann die entsprechende Etappe dort aufgeführt wird, wo die Kernbereiche des Tages gelegen haben. Im Zweifel führe ich die Etappe unter beiden Kapiteln auf, wobei der relevante Teil fett markiert ist. Insbesondere habe ich Anfang und Ende der Reise gleich am Beginn auf eine etwas andere Art zusammengefasst. (Dazu wären Vorkenntnisse aus meiner Pirineosaurus-Legende hilfreich.) Näherungsweise ist aber die zeitliche Abfolge auch der rote Faden. Wie üblich arbeite ich mit ausgelagerten, verlinkten Bildergalerien, die über den Klick auf das Einladungsbild am Ende jedes Kapitels zugänglich sind. Einige Bilder aus den Galerien dienen zudem der Illustration des Textes.




Inhaltsverzeichnis
(mit Direkt-Links zu den jeweiligen Kapiteln)

EUS-0 Einführung

EUS-0a Kleine Landeskunde
Euskara für Anfänger
Euskaldunak/Euskal Herria – ein Volk ohne Staat, eine Identität ohne Nation
Das Baskenland – zwischen allen Stühlen, auch geografisch

EUS-0b Erlebnisalltag Radreise
Wasser marsch! – das klimatische Puzzlespiel
Harte Berge ohne Höhenrausch
Natur und Industrie – Klischee und Lebensrealität
Spanisch-baskische Küche – eher überschätzt
Bett & Bike

EUS-0c Mehr Fakten, alte Geschichten, neue Horizonte
Mein baskisches Reisebuch
Karten mit Fehleranalyse
Lese- & Musiktipps

EUS-1 Jeder Anfang hat ein Ende: Der Wiederschein des Pirineosaurus im Höhlenraum – Die Côte Basque und das gepfefferte Hinterland zwischen Biarritz, La Rhune, Isturitz und Bayonne, manchmal etwas vernebelt

EUS-2 Weit mehr als ein „El Camino“ – Farnwälder & Hochweiden, Forellen & Pottoks, schwarze Schafe & Schweinisches, Wein & feinste Schokolade: Das atlantische Pilgergrenzland zwischen Ordiarp und Irún im nordwestlichen Pyrenäenendbogen mit Französisch-Iraty, Kintoa, dem Valle de Baztan und dem Naturpark Señorío de Bertiz

EUS-3 Knorrige Buchen, herzliche Gastfreundschaft, berauschende Bergflüsse, Parade der Windräder, Silberspiegel der Stauseen, Goldglanz der Weizenfelder, Gruß der Sonnenblumen, Hemingway im Geiste: Das spanische Pilgereck am südwestlichen Pyrenäenfuß rund um Pamplona zwischen Rio Irati und Puente la Reina

EUS-4 Standhafte Leuchttürme, schmackhafte Pintxos, kuriose Steinlöcher, millionenalte Flyschkrusten, goldene Muschelstrände, farbige Fachwerkkulissen: Die Costa Vasca von Gipuzkoa zwischen Irún und Mutriku mit seinem Küstengeopark

EUS-5 Flussrouten auf Vias Verdes und einsamen Straßen an rauschenden Wassern: Die atlantischen Regenwälder mit Bidasoa, Urumea, Leitzaran und den Naturparks Pagoeta und Aiako Harria

EUS-6 Enge Bergtäler & moderne Städte, gefleckte Kühe & nüchterne Fabriken, traditionelle Feste & prähistorische Höhlenkunde: Das gut besiedelte Bergland von Gipuzkoa und der östlichen Bizkaia-Provinz zwischen Tolosa und Urkiola-Naturpark

EUS-7 Südseeinseltraum, verschlungenes Delta, bemalte Bäume, Krieg & Frieden: Die Costa de Vizcaya (Teil 1) zwischen Ondarroa und Mundaka mit dem Parque Natural de Urdaibai

EUS-8 Steile Klippen, Bergbaulöcher, Ölraffinerien, Belle-Époque-Villen & Jazz-Groove: Ein schwebender Brückenschlag an der Costa de Vizcaya (Teil 2) zwischen Bermeo und Balmaseda mit der Bilbo-Agglomeration

EUS-9 Im Zeichen von Eiche und Fels – Schluchten, Tafelberge und Wasserfälle: Der Südwesten mit Blick über die Grenzen zwischen Balmaseda und Ebro mit Parque Natural de Gorbeia und Parque Natural Valderejo

EUS-10 Salinenterrassen, Hauptstadteleganz, Weingutland und Regenbogen: Von Gesaltza-Añana über Vitoria-Gasteiz durch Rioja Alavesa und den Izki-Naturpark nach Salvatierra

EUS-11 Schau, die Buche, sagt die Eiche – Weidehaine, Hinkelsteine, Geierfelsen, Dorfjuwelen, Blau-azur, Käse-bleich: Durch die Bergwelten Urbasa, Andía, Aizkorri-Aratz, Aralar und das Valle de Ollo nach Puenta la Reina

EUS-12 Der Kreis des Pirineosaurus – Schluss ohne Ende, aber mit Gedicht



Fortsetzung folgt
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen

Geändert von veloträumer (31.03.19 21:53)
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#1379712 - 20.03.19 20:41 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
veloträumer
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EUS-0 Einführung

EUS-0a Kleine Landeskunde

Euskara für Anfänger

Das Baskenland ist sicherlich auch ein Reiseland, international jedoch nur in kleinen Ausschnitten und nicht in der obersten Touristenliga. Eine 5-wöchige Radreise durch Euskal Herria ist da doch eine selten praktizierte Detailerkundung. Das Baskenland lässt sich im Zweifel in ca. 2 Tagen durchradeln, wenn man eine schnelle Ost-West-Achse (oder umgekehrt) fährt, etwa als rasender Jakobswegpilger. Ob man dann das baskische Wesen in Landschaft und Kultur nachhaltig erlebt hat, ist sicherlich mit einem Fragezeichen zu versehen. So wie die häufig vernebelnden Wolken über dem Land unterliegt das Baskische immer wieder anderen Schattierungen, beschreibt etwas nicht ganz Fassbares, Geheimnisvolles. Mancher Ort will nochmal besucht werden, weil er sich beim ersten Mal vielleicht verschlossen hat.

Zunächst sei aber auf die Besonderheit der baskischen Region und Sprache hingewiesen. Baskisch ist vor Ort sicherlich nicht nötig zur Kommunikation, vom Ausländer wird das nicht erwartet. Ein paar übliche Bezeichnungen sind allerdings hilfreich für den Reisealltag lesen zu können, weil es häufig keine alternative Bezeichnung gibt (mehr in Spanien als in Frankreich), etwa: ongi etorri = willkommen, kommunak = Toilette, jatetxea = Restaurant). Das Baskische ist immer wieder Anlass, um kulturhistorische Thesen über die Herkunft zu diskutieren, geklärt hat es sich bis heute nicht eindeutig. Einer der bekanntesten zeitgenössischen Schriftsteller des Baskenlandes, Bernardo Atxaga – zum Glück auch in mehreren deutschen Übersetzungen vorliegend, lässt in den „Memoiren einer baskischen Kuh“ sogar die Basken Teil des babylonischen Sprachgewirrs werden, dessen Chaos ob der fehlenden Verständigung zufolge die Basken aus dem Morgenland auswanderten und vielleicht der unvollendete Turmbau zu Babel dem Fehlen baskischer Steinhauer geschuldet sein könnte.

Ich kann und werde hier nicht alle Orte in zweisprachiger Form darbieten, habe aber in einem Kernbereich meiner recherchierten Daten bei den Pässen mich darum bemüht. Dazu vorweg: Alto, Puerto, Collado und baskisch Lepoa zur Bezeichnung einer Passhöhe werden synonym und austauschbar benutzt (Alto ist zudem auch für Berggipfel gebräuchlich – ähnlich zu „Höhe“ in Österreich/Deutschland, also nicht immer eindeutig). Die baskische Bezeichnung „Lepoa“ findet sich kurioserweise überwiegend nur bei französischen Pässen (dort die eher unbekannten, sonst wird auch vor den baskischen Passnamen das französische „Col“ gesetzt). Die spanischen Passschilder, vornehmlich in Euskadi, führen i.d.R. den Passzusatz Puerto etc. gar nicht, sondern weisen nur den Namen aus, zusammen mit einem einheitlichen Symbol in Form eines Berggipfels (und der Passhöhe in m). Die meisten Pässe sind so ausgezeichnet, allerdings auch nicht alle. (Eigentlich eine vorbildliche Kennzeichnung, die man international problemlos übernehmen könnte.)



Anderseits spiele ich gerne mit den verschiedenen Varianten von Sprache einschließlich Fremdsprachen und verwende aus unterschiedlichen Gründen mal diese oder jene Schreibweise. Das fördert auch das Verständnis für potenziell Reiseinteressierte, denn zum Karten-, Schilderlesen und Nachfragen vor Ort ist es zwingend erforderlich, die verschiedenen Namen zumindest mal gehört zu haben. Oft hat man mich samt Karte mit fragenden Gesichtern angeschaut, weil es meist nur einen gebräuchlichen Namen gibt (hier geht es nicht nur um die Sprache, sondern auch um Ortsteile vs. Gesamtgemeindebezeichnung), der dem Fremden aber nicht bekannt und auf Karte kleiner geschrieben ist als der ortsübliche Name, ggf. aber auch gar nicht vermerkt ist.

Neben einer spanischen (kastilischen) und baskischen Schreibweise existieren nicht selten noch weitere Schreibweisen, insbesondere aufgrund der verschiedenen baskischen Dialekte. Im Französischen existiert zudem noch ein gaskognische Variante. Für die Suchfunktion im Forum (sogar in GoogleMaps) ist das natürlich verheerend – so sollte man also stets verschiedene Schreibweisen ausprobieren. Kein Reisender braucht die Sprachen zu lernen, aber ein gewisses Verständnis für Ortsnamen braucht es schon für eine längere Baskenreise, sonst radelt man an der baskischen Kultur ganz vorbei.

Euskaldunak/Euskal Herria – ein Volk ohne Staat, eine Identität ohne Nation

Das Baskische als Sprache ist unmittelbar mit der Kultur und politischen Geschichte der Basken verbunden. So ist etwa das Wort Euskadi in seiner Bedeutung verschieden von Euzkadi (letzteres betont den baskischen Charakter und wird daher gezielt von radikaleren Nationalisten verwendet, ehemals auch eine Zeitung). Das „Baskenland“ existiert in verschiedenen Namen auf zwei Staaten verteilt. Das französische Baskenland fungiert unter Pays Basque und umfasst die drei historischen Provinzen (Labourd, Basse-Navarre, Soule, vgl. a. Untertitel des Berichts), die nicht mit heutigen Verwaltungseinheiten übereinstimmen. In Spanien heißt es País Vasco. Beide Begriffe sind jedoch nicht eindeutig, ob sie alle baskischen Regionen umfassen oder nur Teilbereiche, etwa den spanischen bzw. den französischen. Hinzu kommt die spanische Region Navarra, deren überwiegender und insbesondere „grüner“ Teil des Baskischen ist. Mittlerweile gibt es die einvernehmliche politische Bezeichnung Euskadi für die Autonome Gemeinschaft Baskenland, die die Provinzen Gipuzkoa, Bizkaia und Álava umfassen. (Achtung! Euskadi ist auch die Bezeichnung eines Rennstalls im Profiradsport.)

Die Provinz Navarra hat einen eigenen Status und war bzw. ist Teil des Konfliktes mit der spanischen Zentralregierung, in welcher Weise Navarra letztlich in ein „spanisches“ Baskenland vereinigt werden sollte. Weiterhin ist im geregelten Sprachgebrauch Euskal Herria – Land des Baskischen – die offizielle Bezeichnung für alle baskisch geprägten Regionen, also auch das französische Baskenland und Navarra plus Euskadi. Gleichzeitig muss man aber damit leben, dass mit Euskal Herria zuweilen nur das spanische Baskenland Euskadi plus Navarra gemeint sein kann. Eine wichtige Bemerkung dazu: Euskal Herria wie auch kein anderer Begriff sollte mit „Großbaskenland“ übersetzt werden, wie es zu Zeiten der Höhepunkte des ETA-Terrorismus teils von fremdländischer Presse gemacht wurde. Ein Bestreben nach einem echten „Großbaskenland“ hat es nie gegeben, so ist zumindest die Ansicht von Ingo Niebel (vgl. auch „Lese-Tipps“ weiter unten). Nicht zuletzt dürfte die zerrissene politische Struktur von Volk und Region diesen begrifflichen Wirrwarr mitverursacht haben. Aus den Karlisten(kriegen) resultierten ebenso republikanische wie auch faschistische Strömungen. Die nationale Grenze Spanien/Frankreich ist vielleicht doch bedeutender als es manch baskisches Bekenntnis vermuten lässt. Die diktatorische Isolation von Franco-Spanien in der aufstrebenden Demokratie des Nachkriegs-Westeuropas tat ihr Übriges, Gesellschaftskonsens und Nationalgefühl zu beiden baskischen Seiten verschieden zu entwickeln.



Die politische Geschichte des Baskenlandes und deren Unabhängigkeitskampf möchte ich hier nicht weiter vertiefen, dazu gebe ich einen einschlägigen Literaturhinweis. Trotzdem wird es Orte geben, die eng mit der baskischen Geschichte verflochten sind, umso mehr, wenn man weiß, dass die baskischen politischen Entscheidungen mit stets hoher Symbolkraft getroffen wurden – also den gewählten Entscheidungsorten eine symbolische Bedeutung zukam. Eine authentische Volksmeinung zum Baskenkonflikt konnte ich gleichwohl einfangen, demnach ich eine Frau aus Arrasate befragte, die mich bei einem Gewitter in ihre Wohnung eingeladen hatte, weil sie einen Bruder hat, der zur gleichen Zeit mit Rad auf dem El Camino unterwegs war.

Wie mir die Frau erklärte, die als Dolmetscherin in der Hauptstadt Vitoria-Gasteiz arbeitet und daher des Deutschen gut mächtig ist, sei derzeit der Kanon der politischen Forderung ruhig (in Euskadi, in Navarra könnte es anders aussehen) und man habe sich auch nicht von dem Unabhängigkeitsbestreben der Katalanen aufwiegeln lassen, da man doch gerade eine zufriedenstellende Situation erreicht und den Frieden gefunden hat. Wie u.a. der jüngste Roman „Patria“ von Fernando Aramburu zeigt, geht auch die baskische Gesellschaft jetzt den Weg, die Geschichte aufzuarbeiten, Versöhnung zu finden und die Gewalt der ETA auch jenseits von politischen Forderungen zu hinterfragen. Wie die Frau meinte, wollten die Katalanen derzeit zu viel und alles zu schnell. Es gibt also sogar eine verbreitete kritische Distanz zur katalanischen Unabhängigkeitsbestrebung, was noch mehr überrascht, wenn man um die historische Verbundenheit der Basken und Katalanen als die führenden antifaschistischen Volksgruppen in Zeiten des Spanischen Bürgerkrieges weiß.

Das Baskenland – zwischen allen Stühlen, auch geografisch

Auf der Suche nach brauchbaren Karten im Web fand ich einmal mehr nur bedingt geeignete Varianten. Eine topografische Karte den wichtigsten Städte findet sich hier. Eine Untergliederung von Euskadi in die Landkreise bietet diese Karte. Die beiden weißen Flecken innerhalb von Euskadi sind Exklaven von Kantabrien (Nordwest) und Castilla y León (Provinz Burgos, südlich Vitoria). Eine Unterteilung Navarras zeigt folgende Karte, hier deutlich die ziemlich genau in der Mitte verlaufende Trennlinie der baskischen Nordprovinzen und dem kastilischen Süden, wobei auf der Reise diese Südregionen unberührt blieben, wie auch die östlichen Pyrenäenregionen Lumbier und Roncal-Salazar.

Ohne größere Geografiediskussionen anstoßen zu wollen, müssen ein paar Sätze zu den Gebirgszügen gesagt werden. Die atlantischen Pyrenäen werden im Westen unterschiedlich abgegrenzt. Nimmt man die engste Interpretation als am Cabo Higuer auslaufenden Gebirgsbogen, bildet das Bidasoa-Tal bzw. die Achse Pamplona – Irún die Grenze. Schaut man sich den geologischen Sockel an, verläuft diese Achse aber noch mitten durch einheitliche Gebirgszüge wie z.B. die Montes Bidasoa und dem Parque Natural de Aiako Harria, auch das Landschaftsbild ist noch typisch „pyrenäisch“. Andere (und auch meine) Interpretationen setzen daher die Grenze westlicher mit der Achse Pamplona – Donostia, also mit der Leitzaran-Autobahn bzw. besser mit den Flüssen unterer Arakil, Larraun, Araxes und unterer Oria, bzw. in Städten verbunden Pamplona – Irurtzun – Lekunberri – Tolosa – Andoain – Donostia. Für die Kapitelteilung hier im Bericht hat sich zugleich einmal die Bidasoa-Grenze angeboten wie auch einmal die Araxes/Oria-Grenze. Letztlich wurde mehr die Leitzaran-Route (Fluss) zu meiner Kapitelgrenze. Diesen westlichsten Teil der Pyrenäen mit dem Parque Natural Aiako Harria habe ich hier noch um den kleinen, außerhalb dieser Grenze liegenden, noch westlicheren Parque Natural de Pagoeta erweitert, dessen Landschaftsbild den atlantischen Pyrenäen noch sehr nahe kommt.



Zur Gegenseite reicht der Sockel des Kantabrischen Gebirges im engeren Sinne nur bis zu den westlichen Randgebieten des Baskenlandes, also mit dem Rio Nervión und der Bilbo-Bucht. Zwar findet sich für den Zwischenraum die Bezeichnung des Baskischen Gebirges (Montes Vascos), jedoch beschränkt sich dessen Sockel auf die Sierras de Urbasa, Andía, Saralar, Urkilla, Urkiola und Gorbea, ggf. noch die Montes Vitoria. Das Küstengebirge mit dem dahinter liegenden Bergland schwebt dabei aber im Ungewissen. Geologen zählen nicht nur deswegen die Montes Vascos mit zum erweiterten Kantabrischen Gebirge, das dann sämtliche baskischen Bergketten abdeckt und lassen die Cordillera Cantábrica direkt an die Pyrenäen angrenzen. In dieser Betrachtung wird auch die westlichere Grenze der Pyrenäen vorgezogen. Letztlich werden beide Gebirgszüge auch als geologische Einheit eines einzigen nordspanischen Gebirgszuges gesehen, was hier aber keine Rolle spielen soll.

Fortsetzung folgt
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#1379725 - 20.03.19 23:15 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
veloträumer
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EUS-0b Erlebnisalltag Radreise

Wasser marsch! – das klimatische Puzzlespiel

Donostia hätte ich nicht unterschiedlicher erleben können – einst im Jahre 2004 bei herrlichem Sonnenschein am Nachmittag, diesmal fast kalt und regnerisch-wolkig am Abend. Damit bin ich bei der Witterung, die eine Ursache für den bescheidenen Tourismus im Baskenland sein dürfte. Das atlantische Klima der Biskaya trägt stets Regenwolken heran – in schlechten Jahren wie diesem in ungeheuren Mengen. Strandtage werden zum Lotteriespiel – gewiss kann sich das immer sehr schnell am Tage ändern. Ich erlebte heuer die Fortsetzung der Starkregenfälle, die im Frühjahr und Frühsommer ganze Teile Europas in Besitz nahmen, darunter auch große Teile Spaniens. Zwar waren die Regenmengen nicht mehr ganz so stark, aber doch ungewöhnlich häufig. Insofern gab es auch Parallelen zur Vuelta Verde 2008 und auch zu 2014. Ein Unterschied war jedoch gravierend, nämlich die Erscheinung von Gewittern (selbst bei kühler Luft) inkl. Hagelschlag. Gewitter sind mir trotz meiner zuvor 5 Reisen in die erweiterte Pyrenäen-Region unbekannt gewesen – besonders im Westen. Es ist hier also schon ein Phänomen festzuhalten, das auch Ausdruck des Klimawandels sein könnte.

Während 2008 und 2014 in Deutschland vergleichbar auch schlechte Sommer einhielten (also das Biskaya-Wetter durchzog), war es diesmal anders. Es dürfte mit verschiedenen Effekten zu tun haben, insbesondere aber mit der stabilen Omega-Wetterlage, wobei das Baskenland eher an den instabilen Rändern des Omegas lag. Wohl eher die Ausnahme waren die Rückreisetage, wo sich in allen Teilen von Bayonne nach Toulouse und von Paris bis in die Oberrheinebene ein Schlechtwetterband ausgebreitet hatte. Das ließ mich zunächst irrtümlich spekulieren, dass auch in Deutschland der Sommer feucht und kühl gewesen sei. Die Lufttemperaturen überstiegen selten die 25-°C-Marke, sicherlich nicht öfter als 7 Tage von den insgesamt 5 Wochen (was nicht bedeutet, dass es in der Sonne heiß geworden wäre und ausreichend Schweiß geflossen ist).



Eine weitere Charakteristik macht die Biskaya-Region zu nur einer bedingt günstigen Radreiseregion – die Luftfeuchte! Es handelt sich mehr oder weniger um atlantische Regenwälder, die man durchfährt (gewiss gilt das weniger für südlichen Landesteile). Die hohe Luftfeuchte macht das Atmen schwer und lässt den Schweiß schneller als bei trockener Luft austreten, verdunstet nicht. Die Wolken senken sich bis in die untersten Lagen auf bereits 50 m über Meereshöhe, auch beginnen enge Bergtäler schon auf diesem niedrigen Niveau. Zuweilen ist das Klima durchaus mit den Tropen vergleichbar, obwohl die Temperaturen niedriger sind. Gleichzeitig fühlen sich die niedrigen Temperaturen angenehmer an, zumindest wenn der Wind sich in Grenzen hält. Dieser war mitunter heftig zugange, um das Bad im Meer zu verhindern und den Sprühregen ins Gesicht zu treiben, wirkte aber selten als Bremse. (Die oft diskutierte Frage, ob man wegen vorherrschender Westwinde besser eine West-Ost-Achse im nordatlantische Spanien fahren solle, muss ich hier erneut mit eindeutigen „Nein“ beantworten.)

Die Witterung führt noch zu einem anderen Phänomen. Weil sich immer Wolken über die Berge und Täler legen, versinken Orte oft schon am Tage in großer Düsternis. Es ist nicht zu unterschätzen, dass dies auch depressive Gefühle hervorrufen kann. Die Seele hellt sich auf, wenn man in die wuseligen Kneipentreffpunkte der Dörfer oder Städte eintritt, wo immer eine kommunikative Atmosphäre herrscht, das Leben blüht. So gesehen ist die Region wenig geeignet, sich alleine mit Kocher vors Zelt zu setzen. Die besonderen Witterungsbedingungen der Biskaya und vermeintlich „kleine“ Pässen mit extremen Rampen stellen eine psychisch wie auch physisch große Herausforderung dar.



Harte Berge ohne Höhenrausch

Das Baskenland ist vor allem im französischen Teil nicht einfacher zu beradeln als schwere Alpen- oder Pyrenäenpässe in den Hochlagen, viele Steigungen enorm, nur spielt sich alles etwa 1000-1500 m niedriger ab und ganz lange Anstiege fehlen letztlich (ohne dass dies auffällt). Geografisch gibt es verschiedene Gründe dafür, dass sich heftigsten Steigungen in den französischen Westpyrenäen und wieder ein wenig mehr auch im äußersten Osten von Euskadi sammeln. Beide Gebiete liegen noch im Kernsockel der Pyrenäen einerseits und dem Kantabrischen Gebirge andererseits (s.o.). Hochgebirge entwickeln nicht selten in ihren unteren Höhenzonen markante Gefälle oder Schluchten, worauf ich hier im Detail nicht eingehen möchte.



Neben der allgemeinen Typik von Hochgebirgen kommt im französischen Baskenland ein eher sozioökonomischer, agrarischer Grund hinzu. Die eher gemäßigten Bergkuppen eignen sich nahezu alle komplett zur extensiven Bewirtschaftung mit Schafen, Kühen und Pottoks – ganz im Gegensatz zu den schrofferen, mehr zerklüfteten und trockeneren Ostpyrenäen zum Mittelmeer hin. Entsprechend wurden die meisten Winkel mit Almwegen erschlossen, mittlerweile fast alle asphaltiert oder betoniert. Die Straßen haben aber nur lokale Bedeutung, dienen nicht dem Transit von Waren oder Menschen – und wenn, waren es Fußpilger. Entsprechend hat man diese Wege selten nach der Kunst des bergaffinen Straßenbaus angelegt, sondern eher improvisiert, letztendlich also häufig übermäßig steil. Auf der spanischen Seite ist das auch aus topografischen Gründen weit weniger ausgeprägt.



Dem höchsten Berg in Euskadi, dem Aizkorri mit 1548 m (diverse abweichende Höhen werden angegeben, auch unterscheidet man die Dreiergipfelkette noch, sodass auch Aitxuri als höchster Berg angegeben wird, was aber nicht dem üblichen Sprachgebrauch vor Ort entspricht) kam ich in Zegama am nächsten. In der Höhe blieb ich auf dieser Tour aber mit ca. 1100 m auf dem Niveau meiner „niedrigsten“ Reisen überhaupt, obwohl der Schwierigkeitsgrad eher im oberen Bereich lag. Entscheidend höhere Straßenpunkte sind auch kaum zu finden, in meinem Zielgebiet wohl nur der Pico Orzanzurieta (1567 m), der vom Ibañeta-Pass erreichbar ist und meiner Streichliste zum Opfer fiel. Weitere Berge und Pässe, die ans unterste Hochgebirgsniveau heranreichen, finden sich erst im hier nicht beradelten östlichsten Baskenland des Pyrenäenkamms zwischen Spanisch-Navarra und Französisch-Soule.

Radlerisch musste ich gleich zu Anfang einige Abstriche machen, weil ich mich mit meinen Planungen selbst überfordert hatte. Opfer wurden vor allem schwierige Stichstraßen auf exponierte Berge, sodass einige „Prestigeprojekte“ ausfielen, darunter auch der symbolträchtige La Rhune. Ein weiterer größerer Ausfall wurde die Nordwestecke mit einer geplanten Grenzüberschreitung nach Kantabrien und einer weiteren prähistorischen Höhle (Cueva de Covalanas). Die Tour war insgesamt gesehen letztlich ein Stück schwieriger als es vielleicht die Zahlen sagen. Starke Schwankungen etwa in den Berggradienten waren nicht selten, sodass der Tagesmittelwert nichts über die realen Schwierigkeiten einzelner Abschnitte sagt.

Wie schon zu erahnen, machte auch die Witterung Adhoc-Änderungen nötig. Mangelnde Fitness besonders zu Anfang der Reise tat ihr Übriges. Dabei zeigte sich einmal mehr eine gute Planung mit flexibler Routenführung, weil ich darauf vertrauen konnte, einige Kürzungen auf spätere Abschnitte zu verlegen, die ich als weniger attraktiv bzw. landschaftlich redundant einschätzte. Zum Schluss musste ich mir einen Puffertag erarbeiten, weil nicht klar war, ob ich sonst den Pyrenäenkamm überwinden kann und rechtzeitig Baiona erreichen würde (diese Sorge erwies sich als berechtigt).



Natur und Industrie – Klischee und Lebensrealität

Generell ist Euskadi, insbesondere die Nordprovinzen Gipuzkoa und Bizkaia, ziemlich dicht besiedelt, enge Bergtäler werden ähnlich wie in Andorra auch baulich stark ausgereizt, vielfach in die Höhe (nicht selten denkt man an Plattenbauten, manchmal aber auch sehr modern und schick bemalt wie etwa in Eibar oder Vitoria, nicht selten mit Fahrstühlen die Stadtteile verbunden), weil der Platz fehlt. Fabriken (alte wie neue) strecken sich entlang der engen Täler. Agrarisches Leben mit Kühen, Schafen und Pottok-Ponys auf Bergweiden stehen oft neben solchen Gewerbeanlagen. Es gibt dazwischen auch immer wieder entschleunigte Orte und einsame Wald- und Bergrouten, man muss aber auch stets mit plötzlich auftretender Urbanisation und Industrieanlagen rechnen. Es ist wohl auch deswegen nicht ganz verwunderlich, dass es zwar viele Naturparks gibt, keinen einzigen Nationalpark aber.



Euskadi (etwas anders als das französische Baskenland und Navarra) ist also kein herausgeputzter Touristenfleck und pure Natur, sondern ein lockerer Cluster aus Natur- und Kulturlandschaft, aus stimmungsvoller Stille, landwirtschaftlicher Idylle und gewerblichen wie verkehrsintensiven Aktivitäten nahe nebeneinander. Wer einem ungestörten Naturideal hinterherläuft, ist hier eher falsch, denn die Naturteile des Landes muss man auch immer wieder auf Wegen überbrücken, die eine moderne Gesellschaft in Gänze abbilden – es ist wenig Platz zum Verstecken. Umso mehr lernt man den Blick für Natur schätzen, die nicht immer das ist, was man als spektakulär bezeichnen würde, aber doch ein Pol der Besinnung und schweigenden Schönheit wie etwa die zahlreichen Wälder, die meist ein Stück urtümlicher sind als das, was wir aus den mitteleuropäischen Wirtschaftswäldern kennen (was aber nicht heißt, dass es dort keine Forstwirtschaft gibt). Nicht zufällig ist der Baske auch ein eifriger Wanderer, obwohl er hochgebirgige Sensationen nicht erwarten kann.

Die Wohnungen der Blockbauten sind selten gemütlich oder geräumig, wie ich in Arrasate auch mal von innen sehen konnte. Hier zeigt sich doch das niedrigere Einkommensniveau gegenüber Deutschland, was wiederum auf dem Marktplatz oder in Pintxo-Bars manchmal nicht so sichtbar ist. Das Leben verlagert sich mehr nach außen, und die Bescheidenheit macht sich am privaten Besitz aus. Hingegen spart man weder an Kindereinrichtungen, noch an öffentlichen WCs oder den überall zu findenden Trinkbrunnen. Was die Fabriken fertigen, konnte ich nur selten erkennen, häufig und traditionell sind Papierindustrie (auch wegen der Wasserkraft in den gefällstarken Tälern), moderner Plastikformen, Logistikunternehmen, Maschinentechnik, Informationstechnologie oder auch Nahrungsmittelindustrie wie etwa Konserven für Gastronomiebetriebe. Die Spuren der Textilindustrie und von Eisengießereien in den Pyrenäen Navarras sind hingegen schon weitgehend zu verwunschenen Orten eines naturüberwucherten Zeitenzerfalls geworden.



Spanisch-baskische Küche – eher überschätzt

Der Frischeaspekt im spanischen Baskenland steht doch dem in französischen Teil recht stark nach, was sich in den weit weniger stattfindenden Märkten ausdrückt. Auffällig sind einige Besonderheiten, etwa dass Spargel auch in Restaurants als Konservenprodukt und Spezialität angeboten wird (aus Navarra) und Spargelkonserven manchmal die Dimension von Fischdosen oder Oliven in den Regalen einnehmen (die man dort eher erwartet).

Im spanischen Baskenland war die Restaurantküche leider häufig enttäuschend. Die lieblose Darreichung von nahezu unbegleiteten Fleisch- oder Fischgerichten lässt nicht vermuten, dass das Baskenland zu den Gourmetregionen zählen soll (wie häufig zu lesen). Restaurant mit Tischgedeck ist nach wie vor auch keine Domäne, in mittleren Orten oft kaum zu finden. Es werden dort ausschließlich Pintxos (Tapas) gereicht – also ein für mich gewöhnungsbedürftige Häppchenkultur, selten mit geeigneten Sitzgelegenheiten. Andererseits werden die Pintxos wiederum mit großer Liebe zubereitet, was einen auffälligen Kontrast zum Restaurantessen aufzeigt. Oft kann man Pintxos schon als Frühstück einnehmen. Bessere Pintxo-Bars sind natürlich eine Kostenfalle. Hat man sich durchprobiert, ist nicht selten Geld in Menühöhe weg.



Menüs gibt es in Restaurants auch selten, à la carte sind sie meist überteuert. Nimmt man hingegen nur Platos Combinados (vollwertige Tellergerichte) oder Snacks ein, kann es günstig werden. Eigenartig ist die räumliche Trennung beider Darreichungsformen, manchmal nur durch eine Banderole getrennt und durch die Tischdeko. Meist kann man Restaurantessen nicht draußen einnehmen, sondern muss Innenräume, evtl. Keller aufsuchen, wo dann nur wenig Leute in steifer Atmosphäre sitzen. Undenkbar etwa in Frankreich, aber auch in Deutschland. Wiederum selten finden sich typische Pintxo-Bars auf französischen Boden, die natürlich einen Teil des spanischen Straßenlebens ausmachen, das ja auch seine schönen Seiten einer unkonventionellen, flexiblen und redseligen Verköstigung hat. Ich bleibe da etwas gespalten zurück – manchmal finde ich das gut, manchmal weniger.

Die Sterne- oder Besserrestaurants beschränken sich auf wenige Orte, die man zuvor studieren sollte, ergeben sich nicht logisch aus einer Restaurantfülle umher (das Gourmetrestaurant des in Spanien bekannten Fernsehkochs Karlos Arguiñano entdeckte ich zufällig unweit des Stadtstrandes von Zarautz – allerdings außerhalb der Betriebszeit am Morgen). Die besten Zufalls- bzw. Durchschnittsergebnisse zu Tische bekommt man in Landgasthöfen, die mal in kleinen Dörfern oder alleinstehend zu finden sind, aber nicht überall. Die Esskultur ändert sich in der eher kastilisch geprägten Rioja-Region Álavas, wo sich sowohl luxuriöse Bodegas, teils mit Hotelbetrieb, mitten auf dem Land anbieten, ebenso wie das Restaurantessen zu Tisch auch in den Orten eher schon Standard ist.



Bett & Bike

Es sei hier auch erwähnt, dass eine derartige Reise nicht ohne Wildcampen zu praktizieren ist, denn Campings sind im spanischen Binnenland eine Seltenheit und selbst Festunterkünfte sind abseits der Pilgerrouten nicht ausreichend vorhanden. Es gibt auch abgelegen häufiger Ferienwohnungen, die sich aber nicht unbedingt für Spontanbesuche und Einzelreisende eignen. Nicht zuletzt kam es daher auch wieder zu recht abenteuerlichen Nachtplätzen, die nicht der Etikettennorm des Radreiseforums entsprechen dürften. Trotz der manchmal abenteuerlichen Bedingungen landete ich so nur einmal in einer Festunterkunft, einem Agroturismo-Betrieb/Landgasthof, wo das Rad gleich ins Zimmer gefahren werden durfte (zwischen Elorrio und Elgeta).



Große Störungen und Defekte, Unfälle etc. hatte ich nicht, trotzdem lernte ich viele Radläden kennen. So ersetzte ich ausgeleierte Radschuhe, eine defekte Sonnenbrille, die Wandersandalen (die nicht bewandert wurden), ließ mein Kurbel nachziehen, kaufte Radhandschuhe und Radsocken. Meine für diese Reisen erworbenen Reifen Continental Contact Traveller haben sich nicht bewährt, waren zu schwer und laufunfreundlich und ich wäre mit leichteren, mehr straßenaffinen Reifen wie Schwalbe Marathon Racer (oder jetzt Supreme) auch auf den Offroad-Strecken zurecht gekommen. Einige Probleme ließen sich ohnehin nicht ausschalten, etwa wenn auf nebel- bzw. sprühregenfeuchte Straße dünne Moosschichten oder Schafskot diese zu glitschigen Rampen machen, auf denen die Räder durchdrehen.

Fortsetzung folgt
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Matthias
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#1379726 - 20.03.19 23:24 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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Mein baskisches Reisebuch

Eine Liebe hält ein Leben lang, heißt es oft. Die Legende von Pirineosaurus (2014), mit Schnittmengen zum französischen und spanischen Baskenland bis hin zur Côte Basque, ist eine Ode an die ständige Wiederkehr eines Reisenden an seine geliebtesten Orte, eine Art Heimatbekenntnis aus prähistorischer Zeit, das nie endet und sich auch in der Wiedergeburt unterschiedlichster Wesen immer wieder erneuert. Eine Liebe dauert also länger als ein irdisches Wesen leben kann – ein metaphysisches Gen, das immer wieder ein Wesen befallen kann. Ganz unphilosophisch beschreibt Pirineosaurus bereits überschneidende Orte vor allem aus den Anfangs- und Endtagen meiner hier zu berichtenden Baskenlandreise. Eine kleine Erinnerung an eine denkbare Fortsetzung der Pirineosaurus-Legende habe ich hier eingebaut, eine komplett arrangierte literarische Fortsetzungserzählung übersteigt allerdings aktuell meinen zeitlichen Rahmen.

Eine eher flotte West-Ost-Querung mit schlicht einem Binnenknick kennzeichnet den baskischen Teil meiner Vuelta Verde (2008), auf der ich nebst der Bilbo-Agglomeration das Urkiola-Gebirge durchquerte, über Leitza ins Baztan-Tal abglitt, die Nebelwand am Col d’Ispéguy in Richtung Pilgerzentrum St-Jean-Pied-de-Port durchstach und ein ebenso dramatisches wie skurriles Erleben von Iraty hatte, das mich an den Rand des Machbaren brachte. Niemand wäre nach solchem Ungemach an solchen Ort zurückgekehrt, auf mich wirkte es wie Magie – die Region wurde zum Kristallisationspunkt des pirineosaurischen Gedankens und zeigte das baskische Wesen, dass die Wiederkehr belohnt wird mit einem öffnenden Vorhang und alles wieder anders aussehen kann. Was 2014 Glückshormone in mir auslöste, war auch diesmal nicht ohne Wirkung – Irati ließ die Augen wieder feucht werden (womit ich schon jetzt nachdrücklich auf das Ende des Berichts verweisen möchte).



Eine weitere Radreise, „meine“ Tour de France (Pyrenäen – Auvergne – Jura) führte mich im Jahre 2004 längs des Pyrenäenkamms wechselweise nach Frankreich und Spanien, nach Pamplona, San Sebastián und Bayonne u.a. auch mit Teilen des Bidasoa-Tals, dass ich diesmal im unteren Teil nochmals ausgefahren bin – diesmal weitgehend auf dem dort noch recht neu eingerichteten Bahntrassenradweg. Eine Überschneidung bzw. eine Ergänzung setzte ich im Naturpark Aiako Harria, den ich seinerzeit schon mal über die Route der Cinco Villas ab Lesaka querte, diesmal auf einer nördlichen Variante und zur westlichen Randzone mit dem Urumea-Fluss. Nachgeholt habe ich den Besuch einiger Attraktionen des Baztan-Tals ebenso wie des sehenswerten Seebads Biarritz mit Strandabschnitten in Richtung St-Jean-de-Luz sowie die Jaizkibel-Panoramaroute mit ungewöhnlichen Steinformationen zwischen Hondarribia und Errenteria.

Karten mit Fehleranalyse

Michelin Zoom „Pays Basque/Nord de la Navarre“ 1:150 000 (deckt das Meiste übersichtlich ab)

Michelin Regional Espagne „País Vasco/Euskadi, Navarra, Rioja“ 1:250 000 (eigentlich zu klein, braucht man aber für die westlichsten Randgebiete)

IGN 166 „Pau/Bayonne“ 1:100 000 (empfiehlt sich für detailliertere Blicke auf den frz. Teil und Grenzpassrouten, insbesondere zwischen Irati- und Bidasoa-Tal, eine detailliertere IGN-Karte 1:75 000 vermittelt m.E. keine neuen Infos, evtl. also noch einen noch größeren Maßstab suchen, wenn das gewünscht ist (Wandern, Offroad-Trails, zur Straßenfindung dann aber weniger geeignet)



Je nachdem, welche Wege man fahren möchte, stößt man schnell an Grenzen, weil etliche Pisten, aber auch Straßen im doch recht kleinteiligen Baskenland auf den gängigen Straßenkarten nicht eingezeichnet sind. Spezialkarten gibt es nur zur französischen Seite, zur spanischen Seite wird es schwierig, weil auch bewährte spanische Wanderkartenanbieter ausfallen, da sie sich auf die gewichtigen Bergregionen Spaniens beschränken – also quasi zwischen Pyrenäen und den Picos de Europa eine Lücke besteht. Schon kurios ist, dass selbst auf den lokalen Karten bei den Informationszentren der Naturparks vor Ort gewichtige Wanderwege und sogar Pisten/Forststraßen nicht eingezeichnet waren (so etwa im Falle des P.N. de Valderejo). Für den P.N. de Gorbea/Gorbeia hatte ich vorab mir Routen in die Straßenkarte eingezeichnet, die nach Recherche fahrbar sein sollten (tatsächlich vor Ort auch als Radrouten ausgewiesen, wenn nicht sogar Lokalstraße). Letztlich blieben mir alle denkbaren Routen in diesem Park verborgen, weil man die durchgängige Fahrbarkeit nicht immer annehmen kann. Eine Piste wäre mir dabei auch tatsächlich zu schwer gewesen, die für ausgewiesene MTBer vielleicht durchgehend fahrbar sein könnte.

In einigen Fällen versagt übrigens auch GoogleMaps, was die Durchfahrbarkeit angeht. Hier sind zumindest auf einer Papierkarten (seltsamerweise versagt die detailliertere IGN-Karte im Gegensatz zur gröberen Straßenkarte) durchgehend Wege eingezeichnet (die falschen für den Straßenweg!), aber die durchgehende Asphaltierung aus keiner Karte ersichtlich, nicht einmal aus der lokalen Wandertafel (Sorgain/Aztakarri/Aztakarriko, hatte das aber anderweitig im Web ausgespäht) und die örtliche Ausschilderung verwirrend, weil nur angrenzende Wanderwege ordentlich ausgezeichnet waren, nicht aber die Straße. Verkehrswegweiser verschweigen die Übergänge ins Nachbarland (Sorgain, Orgambide), zumindest auf spanischer Seite. In einem Fall endete mein recherchierter Übergang (Leranotz – Etsain) auf einer Kuhweide, obwohl ein Einheimischer den Weg bestätigt hatte und Google behauptet, da geht was. Wohl hätte ich die Kuhweide schiebend überbrücken müssen um ggf. zur anderen Seite eine Fortführung der Piste zu finden. Die Folgen der starken Regenfälle taten ein Übriges. Dergleichen fehlte es hier an Wegweisern und vertrauenswürdigen Perspektiven, sodass ich mich am Ende im Kreis gedreht hatte.

In Summe käme man zwar mit meinem Kartenmaterial gut durch, sollte aber separate Recherchen einbeziehen (die mit diesem Bericht natürlich schon getan sind) und muss auch eigene, schwierige Abwägungen treffen (und dabei Fehler akzeptieren), weil Angaben örtlicher Personen auch immer wieder im Ungewissen stecken bleiben. Digitale Navigation hätte nur wenige dieser Probleme lösen können, die meisten der Fragezeichen aber nicht. Manche digitale Karte erzeugt sogar neu Probleme, wie etwa bikemap 24, wo sowohl Siedlungsmarkierungen fehlen wie auch mal eine ganze Straße fehlen kann, die längst bekannt ist. Ergänzendes Info- und Kartenmaterial sammelte sich auf der Reise einiges an, ward aber nicht immer gebraucht, für manche zusätzlichen, reizvolle Optionen fehlte dann auch die Zeit.



Lese- & Musik-Tipps

Andreas Drouve: Nordspanien mit Jakobsweg (Bielefeld 2016, 8., kompl. überarbeitete Aufl., Reise Know-How Verlag)

Der Reiseführer enthält sowohl das spanische Baskenland Euskadi wie auch die Nord-Regionen Navarra und Aragonien bis in die Pyrenäen hinein auf der Höhe Somport-Pass/Jaca. Diese Ausweitung nach Osten ist nicht zufällig dem Zusatzthema des Reiseführers, dem Jakobsweg, geschuldet, der maßgeblich ab Somport/Jaca auf der spanischen Seite begangen wird. „Nordspanien“ ist hingegen noch weiter nach Osten nicht abgedeckt (mehr Pyrenäen, Katalonien), was dem häufig missverständlichen Sprachgebrauch geschuldet ist, demnach Nordwestspanien gerne mit Nordspanien gleichgesetzt wird. Dieses Missverständnis wird hier leider weiterbefördert.

Trotzdem bleibt ein erheblicher Teil über Euskadi hinaus übrig, der nicht zu dem hier behandelten Reisegebiet gehört. Folglich bleiben die Erkenntnisse für Insider eher dürftig, viele Landesteile werden erwähnt (etwa einige Naturparks wie Gorbea, Urkiola, Valderejo), aber mit dem Hinweis auf weiterführende Infos schnell abgehakt. Andere Teile werden wieder überraschend ausführlich behandelt (Park Señorio Bértiz, Wald von Oma, Baztan-Tal), wobei Navarra erwartungsgemäß mehr Aufmerksamkeit erhält als Euskadi. Das gilt auch für die ausgegliederten Sonderkapitel mit Hintergrundgeschichte. Gut geraten sind generell die Stadtkapitel zu Donostia, Bilbo und Vitoria-Gasteiz, zumal der durchschnittliche Reiseradler die Städte nicht noch ausführlicher beackern dürfte. Je mehr noch eine Ausweitung der Tour (oder weiteren Touren) nach Nordwesten bis Galicien geplant ist, desto mehr lohnt sich der Reiseführer, wie auch rundum die Pilgerroute des Camino Frances gut geschaut wurde.

Joëlle Darricau: Die Höhlen Isturitz & Oxocelhaya – Natürliche Sehenswürdigkeiten des Hügels von Gaztelu (Elkarlanean S.L., ISBN 978-84-9783-051-5)

Ein kleine (26 Seiten), illustrierte und gelungene Broschüre mit Hintergründen zu den Höhlen und der Menschheitsgeschichte vom Neandertaler zum Homo Sapiens. Die Texte sind sehr persönlich gehalten, damit auch Einblick in die Forschungs- und Familiengeschichte von der Entdeckung an bis zur touristischen Nutzung heute und den Perspektiven in der Zukunft, immer angetrieben davon mehr zu erfahren, wie Mythologie und Wissen der noch lückenhaften Frage des Menschwerdens sich zu nähern versuchen. In verschiedenen Sprachen vor Ort erhältlich.

Ingo Niebel: Das Baskenland – Geschichte und Gegenwart eines politischen Konflikts (Wien 2014, 2., überarbeite und erweiterte Aufl., Promedia Druck- und Verlagsges.)

Wer eine detaillierte parteipolitische Aufbereitung des baskischen Konfliktes insbesondere mit der spanischen Zentralregierung (Frankreich spielt nur eine Nebenrolle) sucht, wird um dieses Buch nicht ganz herumkommen. Die Details verlieren sich aber in einer kaum nachvollziehbaren Einordnung in der politischen Agenda des 20./21. Jahrhunderts. Wer erwartet, dass hier eine gesellschaftliche und historische Reflektion des Baskenkonflikts bzw. des ETA-Terrorismus versucht wird, dürfte eine deutliche Enttäuschung erleben. Dem Autor gelingt es dabei nicht, inhaltliche Komponenten so hervorzuheben, dass sie die taktischen Manöver der politischen Akteure inhaltlich erklären. Vielmehr ist er von der Idee besessen, das Wirken der ETA als logische und legitime Entwicklung eines verfehlten politischen Prozesses darzustellen. Dabei wird er nicht müde, andere politischen Akteure jenseits von der abertzalen Linken und dem terroristischen Arm der ETA – insbesondere die spanische Zentralregierung – in die Nähe eines undemokratischen Folterregimes zu rücken und die spanische Demokratie und Gesellschaft auf eine postfranquistische Leitkultur zu reduzieren, die verschwörungstheoretisch einem manipulierten Politik-Medienkonglomerat aufsitzt – sogar international.

Gegensichten zum Dogma des Autors kommen gar nicht ins Spiel oder werden konstruiert abgewürgt, wie auch die Opfer des ETA-Terrorismus derart verharmlosend, banal und kurz abgefertigt werden, dass es für ein Buch mit wissenschaftlichem Anspruch schon ein Eklat ist. Die jüngere Debatte zu Wunden der Terrorzeit und den Wegen zur Versöhnung auch innerhalb von gespaltenen Familien, die mit dem faktischen Ende der ETA und durch Intellektuelle wie Bernardo Atxaga und Fernando Aramburu angestoßen wurde, könnte Niebel ebenso wenig erklären wie die Zurückhaltung der Mehrheit der Basken gegenüber der ETA selbst und den aktuellen katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Das Buch zeigt einmal mehr, dass fleißiges Zusammentragen von zahlreichen Fakten und Details weder Zusammenhänge erläutert, noch eine geeichte Werteordnung eines Autors ersetzen kann, die nachvollziehbar ist und von transparenten wissenschaftlichen Kriterien getragen wird.

Was macht die baskische Seele aus? Worauf gründen sich die Besonderheiten der baskischen Geschichte und der so vehement eingeforderten Sonder- oder Unabhängigkeitsrechte des baskischen Volkes? Wie lauten die inhaltlichen Positionen, die die machtpolitischen Forderungen zur Unabhängigkeit begründen? Warum beteiligte sich die ETA und ihre Anhängerschaft als antifranquistische Front nicht konstruktiv an dem demokratischen wie europäischen Prozess der neuen parlamentarischen Monarchie seit 1976? Wie wurde die angeheizte politische Stimmung im Baskenland in den Alltag der Basken und ihre Familie hineingetragen? Welche Initiativen suchten alltagsbezogene oder politische Brücken zwischen französischen und spanischen Basken jenseits von ETA-Terrorismus? – Hier gibt es dazu keine schlüssigen Antworten. Sehr ärgerlich!



Anm. zum Bild: José María Arizmendiarrieta, ein Priester des 20. Jh., trieb neue Bildungswege durch die Gründung einer Berufsschule voran. Er initiierte eine genossenschaftliche Kooperative, die später auch größere Wirtschaftsbetriebe einband (bis heute etwa die Handelskette Eroski) und u.a. wirksam der Ölkrise 1973 widerstand. Bemüht die Katholische Soziallehre real umzusetzen, forcierte die Kooperative überdurchschnittliche Sozialleistungen und stand Pate für die Gründung mehrerer Studiengänge an der Universität Mondragón wie Ingenieurwesen, Wirtschafts-, Erziehungs- und Humanwissenschaften, die einer sozialen und umweltverträglichen Ethik verpflichtet sind.

Bernardo Atxaga: Obabakoak oder das Gänsespiel (Zürich 1995, Unionsverlag, TB-Ausgabe der dt. Erstausgabe im Schönbach Verlag, aktuell nur antiquarisch erhältlich)

In Sachen Fabulierkunst gilt „Obabakoak“ als Bernardo Atxagas Meisterwerk. Der mit mehreren Preisen ausgezeichnete baskische Autor – einer der wenigen, dessen Werke in verschiedene Sprachen übersetzt wurden – lässt hier Geschichten zwischen Fantasie und Realem zerfließen, Geschichten an verschiedenen Orten der Welt, aber immer auch verbunden mit einem fiktiven Provinznest in den baskischen Bergen. Was hier Spaß macht, ist die kultivierte Erzählkunst, mit Sprache zu spielen, die Perspektiven für das Komische, Rätselhafte zu einer erlebnisreichen Wirklichkeit werden zu lassen. Man kann auch von einer Sammlung von Geschichten, Briefen und Gesprächen sprechen, ein multiples Gedankenmosaik. In den Sog des Erzählens wird man unmittelbar wie auch mal mysteriös hineingezogen: „Gegen Mittag legte sich der Nebel über das Dorf, und als ich meine Siebensachen ausgepackt hatte und einen Blick aus dem Fenster warf, erschien mir alles wie in ein eisiges, weißliches Linnen gehüllt. Etwas unbeholfen eingehüllt, denn da lugte ein Dach hervor, dort die nackte Krone einer Ulme, dazwischen die Kuppel des Kirchturmes – blasse Schatten, gespenstische, in der Luft schwebende Trugbilder, die einen frösteln ließen. Sie wirkten bedrückender als der Nebel selbst.“ (S. 113) Und schließlich ertappe ich mich auch noch selbst im Spiegel des Erzählers (S. 377): „Doch die Arbeit, die ich mir vorgenommen hatte, dauerte länger als geplant … ich will damit sagen, dass die Schilderung jener Reise gar nicht so einfach war, wie ich anfänglich gedacht hatte: im Gegenteil. Die Tage vergingen, und ich kam nicht von der Stelle. Das letzte Wort wollte und wollte nicht auftauchen.“

Bernardo Atxaga: Memoiren einer baskischen Kuh, (München 1995, Altberliner Verlag, aktuell nur antiquarisch erhältlich)

Vielleicht ist es der neugierig machende Titel des Werks, der die „Memoiren einer baskischen Kuh“ in Deutschland zum populärsten Buch von Bernardo Atxaga machte, weniger beachtet hingegen in seiner Heimat. Fehl geht man mit dieser modernen Fabel allerdings keineswegs, denn sie versteht auf humorige Weise feinsinnige Gespräche dem Leser nahezubringen. Die Kuh Mo verweigert sich dem für sie bestimmten normale Kuhleben und sucht sich eine intelligente Kuh, um ihre Weisheiten der kleinen Landwelt zu erzählen, nicht ganz ohne philosophischen Gehalt, der leicht nebenbei vermittelt wird. Der Ausgangspunkt könnte kaum ungünstiger sein: „Mein Leben erschöpfte sich in den täglichen Gängen vom Stall zur Weide und dann wieder von der Weide in den Stall. Genauso wie die Fliege am Honigglas klebt, klebte ich an den Wänden des Bauernhofs… Ich kriegte nichts mit, verstand überhaupt nichts, null.“ (S. 62) Was kann eine solche Kuh lernen? – Erstaunliches, wie z.B. Spiele gegen Langeweile wie dieses (S. 90 f): „Bei diesem [Blatt-]Spiel musste ich erraten, wann ein bestimmtes Blatt vom Baum fallen würde. Ich ging in den Wald, legte mich auf einen weichen Platz und suchte mir ein bestimmtes Blatt auf einem der umstehenden Bäume aus. Es musste ein hellgrünes Blatt sein, das eher ein Frühlingsblatt als wie ein Herbstblatt aussah. Dieses Blatt ließ ich dann nicht mehr aus den Augen, einen ganzen Tag lang, zwei Tage, drei, solange wie nötig. In der Regel nahmen sich die Blätter ziemlich viel Zeit, um sich vom Ast zu lösen, sich dem Wind anzuvertrauen und schließlich auf den Boden zu fallen.“ Wir erfahren, dass Mo bei richtiger Prognose Luftsprünge machte. Zu kindisch für Kulturleser? Dann mal hier weiter: „Mozart, Beethoven und Haydn // sind der Kuh die schönsten Weiden.“ Ein Lesespaß! Das Kleine, das augenscheinlich Naive wird hier ganz groß erzählt!



Bernardo Atxaga: Der Sohn des Akkordeonspielers, (Frankfurt/Main 2006, Insel Verlag, aktuell nur antiquarisch erhältlich)

Muss es noch ein Werk von Atxaga sein? – Es darf, denn mit „Der Sohn des Akkordeonspielers“ setzt er Zeichen in der politischen Debatte um den ETA-Terrorismus und entfächert seine Wunden, die gerne bis heute verschwiegen wurden. Als Romankulisse dient die zerbrechende Jungenfreundschaft, Liebe und Verrat sind die Zutaten, wie sie in den Literaturspiegeln bedeutender historischer Prozesse immer wieder zu finden sind. Nichts aber wäre Atxaga mehr zuwider, als abgegriffene Plattitüden zu verwenden, um den ernsten Stoff in das Gedächtnis zu rufen. Dem Autor gelingt es mit erzählerischer Klasse, entscheidende Gewissens- und Schuldfragen zu thematisieren, sie zur Diskussion zu stellen, ohne den erhobenen Zeigefinger zu bemühen.

Peter Frey/Gunter Brettschneider (Hg.): Wie man den Teufel und andere Menschen überlistet, (Zürich, pendo-Verlag, Serie pendo-euskariana, aktuell nur antiquarisch erhältlich)

Schon eine kleine Rarität, bietet dieses Buch eine Sammlung von 29 Legenden und Volkserzählungen, die etwas von der baskischen Geschichte und Seele auf amüsante Weise vermitteln. Die Herausgeber haben sich auf drei Sammlungen konzentriert, die um 1930 veröffentlicht wurden. Dabei beziehen sich zwei auf das französische Baskenland im Labourd-Dialekt und die dritte auf eine kleine Region bei Tolosa. Für Sprachbegabte ist die Ausgabe eine Lehrübung, gibt es die Texte neben der deutschen Übersetzung auch im originalen Euskara. Zusammen mit einem Professor für vergleichende Sprachwissenschaften der Universität Vitoria-Gasteiz haben die Autoren auch noch einige Besonderheiten des Baskischen zusammengestellt, welches über nicht weniger als 15000 Verbformen verfügen soll. Die erste baskische Grammatik des Jesuitenpaters Manuel de Larramendi aus dem Jahre 1729 trägt übersetzt den vielsagenden Titel „Das Unmögliche besiegt“, und ist gleichwohl eine Sage überliefert, demnach selbst der schlaue Fuchs am Erlernen der baskischen Sprache gescheitert sein soll.



Anm. zum Bild: José Maria Iparragirre führte ein rebellisches Leben, um sich für die Sonderrechte der Basken einzusetzen. Er verbrachte große Teile seines Lebens im Exil, innerhalb Spaniens ebenso wie in Europa später auch in Uruguay. 1853 schrieb der Dichter und Sänger mit Gitarre die inoffizielle Hymne der Basken „Gernikako Arbola“, dem nationalen Symbol der Basken, der Eiche von Gernika gewidmet.

Jimmy Arrabit Trio: Jimmy Arrabit Trio (errabal ER029)

Jimmy Arrabit, gebürtig im französischen Navarra, ist ein vom Rockidiom beeinflusster Schlagzeuger, der aktuell recht großes Ansehen in der baskischen Jazzszene genießt. Er verbindet moderne Elektro- und Ethnopop-Elemente mit Coltrane’sken und Miles-Davis’schen Modalstrukturen, nicht unähnlich im Ergebnis wie bei Esbjörn Svensson. Auf CD mit Fred Feugas (p) und Xabi Habat (b) liefern die drei ein recht spätes, aber dafür fulminantes Debüt im Trioformat ab. Eine Kostprobe des Albums hier: Gau Beilako Eleak (4:58 min.).



Volksmusikalische Hörfunken

Zur Musik mit traditionell in der baskischen Musik verankerten Instrumenten wie Akkordeon und Txalaparta verweise ich auch auf meine Tipps in der Pirineosaurus-Legende. Kaum hierbei zu umgehen der aus Bilbao stammende Trikitixa-Spieler Kepa Junkera, z.B.: Sandinderi (7:17), stets vielschichtig zwischen Kleingruppen und Großprojekten unterwegs.

Noch volkstümlicher unterwegs ist Enrike Zelaia, der zahlreiche Tribute an die verschiedenen Regionen des Baskenlandes eingespielt hat. Sein Album „Danzak“ (elkarlanean) konnte mich allerdings nicht überzeugen. Sein Staccato-Stil betont die tänzerischen Linien besonders stark, schwelgt zuweilen bis ins Marschierende hinein. Zwei Beispiele, in denen auch die im Baskenland auf traditionellen Festen charakteristischen Pfeifen (txistu) einfließen – zum besuchten Weinort im alavesischen Rioja: Jota de Laguardia (2:41 min.); – oder mit Blick auf die Region Bizkaia, schon an okzitanische, mittelalterliche Tänze erinnernd: Dantzariari (3:18 min.).

Wer mehr in Richtung gesungene Volksmusik gehen möchte, findet sich ggf. hervorragend intoniert bei Oskorri wieder: Gaztelugatxe (4:13 min.).

Fortsetzung folgt
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Matthias
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#1379727 - 21.03.19 00:31 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
iassu
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Beiträge: 24.797
Bin wie immer beeindruckt ob deines quasi maximalumfänglichen Himtergrundwissens, Detailkenntnis und Übersicht. Wie immer gilt sowohl in Stuttgart, Tübingen, Spanien und europaweit: wenn du Fragen hast, frag nicht irgendwelche hergelaufenen Eingeborenen, frag Matthias. Du solltest im MM-Verlag eine Radführerabteilung eröffnen und leiten.
...in diesem Sinne. Andreas
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#1379754 - 21.03.19 08:51 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
Keine Ahnung
Moderator
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Beiträge: 12.863
Lieber Matthias,

das Lesen Deiner Berichte verschiebe ich immer auf das Wochenende. Die vielen interessanten Details möchte ich in Ruhe lesen können. Das wird sicher wieder eine schöne Lektüre werden. Vielen Dank.
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1379846 - 21.03.19 17:20 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
max saikels
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In Antwort auf: veloträumer
Grünbrille bewegte sich nicht einen Millimeter. Es schien, als sei er im Stehen eingeschlafen. Aber dieser Eindruck täuschte. In Wirklichkeit war er hellwach und harrte gespannt der Dinge, die da kommen sollten.
Bernardo Atxaga

Tour de EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen

Das ging aber jetzt schnell! schmunzel
Hast du eine Leseempfehlung zu Bernardo Atxaga? Nachdem ich anderthalb Jahre für den Roman gebraucht habe, den ich auf spanisch gelesen habe, bin ich auf der Suche nach neuem und interessantem Übungsstoff.

Das hier lese ich in Ruhe durch; schonmal vielen Dank vorab.
Grüße, Stephan
Touren 2023
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#1379855 - 21.03.19 18:17 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
max saikels
Mitglied
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Beiträge: 1.607
In Antwort auf: veloträumer
Lese- & Musik-Tipps

Vale, hab jetzt doch alles gelesen und schon was gefunden. In die Musik muss ich mich noch ein bisschen reinhören.
Bin schon gepannt auf die Fortsetzungen.
Grüße, Stephan
Touren 2023
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Off-topic #1379886 - 21.03.19 21:27 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: iassu]
veloträumer
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Beiträge: 17.178
In Antwort auf: iassu
Du solltest im MM-Verlag eine Radführerabteilung eröffnen und leiten.

Was ich hier mache, ist alles Old School, nicht gefragt. Ich war heute wieder mal im Wittwer (für alle: größter Buchladen in Stuttgat), da gibt es in Sachen Fahrrad(reise)literatur nichts, was es nicht gibt. Es geht auch immer mehr auf Optik, Layout, neue Seriengestaltung usw., neuartige Bildbände (ich fand u.a. einen großformtigen Band zu E-Bike als neuer Lifestyle verkündet) - mehr Buchmacherarbeit als Autorenarbeit (nicht zuletzt Folge des Wandels desselbigen Arbeitsmarktes, Lektoren werden immer mehr Web- & Desktop-Designer und Marketingstrategen). Mittlerweile ist ein Teil der Regale auch Fun-Zubehör - Klingeln, Sattelbezüge, Kinderhelme, Accessoires.
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
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#1379888 - 21.03.19 21:45 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
veloträumer
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EUS-1 Jeder Anfang hat ein Ende: Der Wiederschein des Pirineosaurus im Höhlenraum – Die Côte Basque und das gepfefferte Hinterland zwischen Biarritz, La Rhune, Isturitz und Bayonne, manchmal etwas vernebelt

Sa 16.6. [Stuttgart Fr 15:00 h ICE || Paris Gare de l'Est – Paris Gare Montparnasse TGV || Fr 23:50 h] Bayonne – Phare de l'Adour – Golf Chiberta |||| Plage d'Anglet – Biarritz/Rocher de la Vierge – Bidart/Plage Etxerri – Plage Parlamantia – Guéthary – via Velodysée – St-Jean-de-Luz/Point de Ste-Barbe – via D 918 – Ascain – Col St-Ignace (169 m) – Sare – Ainhoa – Col de Pinodiétta (176 m) – Espelette – Camping Beeper Gorri – Espelette – Haranéa (+)
84 km | 11,0 km/h | 1195 Hm
Ü (Golf Chiberta): C frei, (Haranéa): C frei
AE (Espelette): H/R Chez Tscheoneke: Omelette m. Speck & Pfeffervariationen; Hähnchenfilet m. Kart., Karotten & Saucenvar.; Melone m. Zitronensorbet, Sirup & Basilikum; Rotwein, Café 33,90 €

Fr 20.7. St-Étienne-de-Baïgorry – Eyheralde – La Bastide/Bordazar Berfoa (300 m) – Eyheralde – Eyharce – Osses – Irissarry – Hélette – Grottes d'Isturitz et d'Oxocelhaya – Isturitz – Hasparren
63 km | 12,7 km/h | 950 Hm
B: Grottes d’Isturitz et d’Oxocelhaya 11 €
Ü: C Terrasses Xapitalia 17,50 €
AE: H/R Les Tilleuls: Salade Gourmande m. Ziegenkäse; Ente m. Kart. & Gem.; Zitronecème; Rotwein, Weißwein, Café 36,80 €

Sa 21.7. Hasparren – Route impériale des Cimes (D 22) – Bayonne 16:55 h Intercités || 20:21 h Toulouse Matabiau 22:58 h Intercités Nuit || 7:00 h (So) Paris Gare d'Austerlitz
33 km | 13,0 km/h | 510 Hm
AE (Toulouse): u.a. Rinderfilet mit Beilagen, Bier

[Fortsetzung Rückreise, nicht Teil des Berichts: So 22.7. Paris Gare d'Austerlitz – Gare de l'Est 8:21 h Intercités || 12:45 h Strasbourg – Etang de Blauelsand – via Rheindamm – Barrage de Gambsheim – Drusenheim – Beinheim – Rastatt 22:34 h || 23:56 Karlsruhe-Durlach – Grötzingen – Durlach || Stuttgart (Mo-Morgen) (97 km)]

Ein Morgen, nebelfeuchte gepflegte Wiese, kraklige Kiefern, vom Küstenwind gezeichnet hängen fast horizontal in der Luft. Golfplatz am Meer, Wellenrauschen unter dunklen Wolken, unwirklich entließ mich der Bahnhof in die feuchte Nebelsuppe der Nacht. Ich war etwas gerädert. So heißt es, wenn er Radler konfus ist. Eigentlich mehr benebelt. War jetzt Freitag oder Samstag? Sogar der Morgen war nicht eindeutig, es könnte auch Abend sein. Ein Bruch der Welten, hier am Meer, die Möwen, Sand hinaufgeweht auf die Blanken des Küstenlaufweges, Fahrräder verboten, dahinter schmucke Bürgervillen in rotem Fachwerk. Nur wenig deutet auf Schickeria hin, eher ein verschwiegener Fluchtpunkt am Ende der Welt. Die See rau, wild, laut und schweigend zugleich. Über die Dünengräser streift eine vertraute Luft, ein Hauch von Heimat – auch Rückkehr ist immer eine Form von Heimatgefühl. Mein weiß nie, welche Vorgeschichte die Gene hatten. Ich begann mich meines Auftrages zu besinnen, an Pirineosaurus zu denken.



Ich hörte Gerüchte. Es sollte neue Schriften von Pirineosaurus geben. Und Höhlenzeichnungen. Bis zum Hügel von Gaztelu war es nicht weit, nicht mehr als eine Tagesetappe, wenn die Schotten dicht halten. Ich sehe eine Möwe am Meeressteg in Biarritz neben den ausgehöhlten Felsbögen, vom Salzwasser perforiert, die Brandung spritzt weit in die Höhe. Mit durchdringendem Blick mustert mich eine Möwe als wollte sie etwas sagen. Die Möwe von Cerbère? Ich begann zu träumen. Ich weiß nicht mehr wie lange. Es könnten fünf Wochen gewesen sein.

Später, nach einem Traum, früher Abend, das Land liegt unter Wolken, grau, leichte Tropfen rieseln alsbald.
„Es gibt zwei Höhlen – Isturitz und Oxocelhaya“, betonte die Höhlenführerin und drückte mir einen Stapel Papier in die Hand.
„Pirineosaurus“, vermerkte ich trocken. Die braunen Augen der Frau weiteten sich zu fragender Größe, ohne dass dabei ihre Gesichtszüge unsympathischer wurden.
„Pirineosaurus? Nein, hier gibt es keine Saurier, besser: es gab sie nicht. Es sind Höhlen, einst von Menschen bewohnt, auch von Tieren ja. Aber keine Saurier. Schauen sie mal im Museum da vorne“, versuchte die Dame belehrend zu erläutern. Sie war offensichtlich nicht ganz im Bilde. Pirineosaurus war ja vielleicht gar kein Saurier. Aber man müsste ihn kennen hier, wenn man Höhlenexpertin sein will. Die Hieroglyphen des Papiers waren nicht zu entziffern. Ich fotografierte die Seiten, auch wenn ich große Schwierigkeiten auf mich zukommen sah, das Geschriebene jemals entschlüsseln zu können.

Während des Höhlenrundgangs mit Felszeichnungen von Tieren und der zweiten Höhle mit Tropfsteinen – herrliche Kathedralen der Stalagmiten und Stalaktiten! – bemerkte die Höhlenführerin etwas von einer dritten Höhle, noch nicht ganz erforscht, so eine ausflüchtige Randnotiz. Man gebe sich Mühe sie demnächst zugänglich zu machen. Diese Geheimnistuerei – offensichtlich möchte man unangenehme Fragen verhindern, denke ich. Wahrscheinlich werden Beweise beseitigt und Spuren manipuliert. Aber ich bleibe höflich und schweige.



Die Ausgangstür ist weiter unten, eine Treppe hoch zum Eingangsbereich. Wieder Tageslicht, wenn auch wenig. Ich starrte auf die Kopien des Papiers, letzte Besucher verließen den Platz. Dann vernahm ich ein tiefes Brummen und Grollen, als käme es aus der Höhlentür. Es entstieg Wolkennebel, noch mehr Nebel, dichter, immer mehr Wolkennebel und hörte nicht mehr auf. Ich musste mich fortwärts beeilen. In Hasparren hat es einen Camping., hoffentlich außer Reichweite der Wolke. Empfang freundlich.

„Wo fahren Sie denn rum?“ fragte die Empfangsdame
„Von Bayonne nach Bayonne, ein langer Traum, abseits der Welt, auch auf die Fußball-WM kann ich verzichten“, antwortete ich.
„Die ist ja jetzt vorbei…“
„Ach, tatsächlich? – habe gar nicht mitbekommen, wer Weltmeister wurde“, warf ich gleich ein.
„Ach, das kann doch nicht sein!“ staunte sie ungläubig.
„Doch, doch“, fügte ich an und gab Interesse vor. „Wer hat denn jetzt den Pott gewonnen?“
Die Dame lächelte breit und zeigte auf sich. Also Frankreich. Und ich dachte, hier wären alle Basken? Ich gratulierte trotzdem artig. Es kam mir unwirklich vor: War ich jetzt auf Reise gewesen oder nicht? Sicher war aber – schon unheimlich: Wieder schnüffelte ich auf einer vermeintlichen Reise in dem Land, dass dann auch Welt- oder Europameister wurde. Zwar nicht am Tag des Finales, aber drumrum. Als Maskottchen musste ich für Frankreich schon im Jahr 2000 herhalten – zur EM. Andere profitierten auch: Italien (WM 2006), Spanien (EM 2008). Ich unterließ es, der Frau meine übersinnlichen Fähigkeiten zu unterbreiten. In Spanien schüttelte mir deswegen ein Hotelier so sehr die Hand, dass sie fast abfiel. Das muss ich nicht nochmal erleben.

Nur blieb die Frage, wie die Zeit schon vorbei sein konnte. War ich nicht erst gestern in Bayonne eingefahren? Freitag oder Samstag, ich konnte es nicht mehr auseinanderhalten. Was passierte dazwischen außer einer Fußball-WM? Die Wolken waren ja fast gleichgeblieben – nur jetzt noch größer. Es zeigte sich, lange würde der Camping auch keinen Schutz bieten – vor dieser Höhlenwolke von Isturitz.
Im Ort noch mehr freundliche Menschen. Ich erzählte im Restaurant einem Hotelgast etwas von Pirineosaurus. Er schien nicht alles zu verstehen, fühlte sich aber doch zu Dank verpflichtet und spendierte mir den Rest seiner Weinflasche. Hatte ich dann passend Weißwein zur Ente und Rotwein zum Ziegenkäsesalat.



Wieder Samstagmorgen, oder immer noch? Der Höhlennebel des Vorabends hatte das ganze Land in tiefste Wolken gelegt, keine Sicht, nicht auf die hohen Pyrenäen nach Süden, nicht einmal die Hügelchen der Route impériale de Cimes im Norden trauten sich durch die atlantische Gicht zu schauen. Ich musste fort, um nicht ganz blind zu werden – trotz Markt in Hasparren – Gâteau Basque mit Kirschen, 7 Euro das Stück, Spezialitäten haben ihren Preis. Die Wolken – es war mir bald verdächtig genug: es musste der Atemnebel von Pirineosaurus sein. Alle Geschichten, aller Glanz des Landes sollte in Geheimnisse getaucht werden.

Baiona, Stunden später. Ich kam aus dem Nichts. Über der Stadt klarte es langsam auf, die Nebelwände nach Süden bleiben dicht. Später vom Zug aus noch deutlicher: die ganzen Pyrenäen hüllten sich in einen tiefgrauen Wolkenschleier, auch in Lourdes, dem Wunderort. Wunder – kann ich sie entschlüsseln?

„Nein, eine solche Sprache kennen wir nicht. Es ist vielleicht ein ganz alter baskischer Dialekt, Aber es gibt keine Wörterbücher dafür. Das dürfte kaum einer übersetzen können“, so kommentierte die Buchhändlerin im elkar am Place de l‘Arsenal mit Spezialsortiment baskischer Literatur meine Kopien von Pirineosaurus‘ Aufzeichnungen. Ich musste mich am Kopf kratzen, wie sollte ich die Geheimnisse entschlüsseln? Ohne Hilfe von Wörterbüchern, ohne Literaten, die die prähistorischen Dialekte noch kennen? Ich suchte stattdessen baskische Musik aus. Vielleicht hilft sie mir bei Einfällen. Gegenüber gibt es ein Pub „Le Pétit Velo“, Mann mit grünem T-Shirt in der Tür. Noch so ein komischer Zufall, denke ich. Zufälle gibt es nicht, denke ich später.



Ich deckte mich mit Spezialitäten aus Espelette-Pfeffer ein: Brotaufstrich aus Schokolade, Schokolade selbst, Konfitüre, Senf, Fleur de sel – alles mit rotem Pfiff. Schinken diesmal keiner, aber noch ein Malwerk – die steilen Fassadentürme Bayonnes, eigener Stil, schöne Sandfarben, auf Holz aufgetragen. Noch einmal Wind am Kai, dann war die Reise zu Ende. Oder am Anfang. Mal wieder hatte ich das Zeitgefühl verloren. Die Schriften von Pirineosaurus arbeiteten schwer in mir. Aber ich verstand sie nicht mehr. Den Dialekt, die Sprache hatte er geändert. Und mir schossen Bilder durch den Kopf. Keine prähistorische Erzählkunst, aber so könnte es mal wieder gewesen sein, als Pirineosaurus unterwegs gewesen war.

Vieles spricht sogar dafür, dass er dort gelebt hat. Nicht nur die Papiere aus Isturitz. Oder er lebt. Dieser unglaubliche Nebel, mehr als ein Biskaya-Tief verbreiten kann. Es musste dafür andere Gründe geben. Vielleicht die dritte Höhle, die unbekannte. Das Grollen im Berg mit der Stahltür. Dann kam eine weitere Erinnerung in mir hoch. Auch in Ekain – wie konnte ich da gewesen sein? – gab es ja diese seltsamen Felsritzungen, auch dort schüttete es aus gigantischen Wolken, Eiskugeln dazu. Verstärkt finden sich die Höhlen an vielen Orten zwischen Lascaux und Kantabrien. Manchmal mitten in den Pyrenäen, mal an den Rändern. Pirineosaurus, vielleicht auch ein wandernder Künstler, vielleicht auch nur immer mal zeitweiliger Gast in den Höhlen? Aber unzweifelhaft, es war – ist? – sein Revier, seine Heimat, immer wieder tauchen seine Spuren auf, wenn ich in die Nähe komme.



Dann steigen mir wieder profane Ferienbilder in den Sinn. Strände erwachen in der Sonne, Strandspaziergängerinnen promenieren mit betont nackten Pobacken, Wellenreiter durchstechen die Schaumkronen, Füße setzen Abdrücke in den goldenen Muschelsand, Meerwasser umschmeichelt prickelig die Haut. Am Horizont taucht der La Rhune mit blitzender rot-weißer Säule auf, so Rot-Weiß wie die Fassaden hier spielen, die Pfefferschoten in den Gassen von Espelette hängen. Die Zunge schmeckt die pikanten Finessen, gebackene Schinkenscheiben erheben sich wie brennende Drachenflügel aus dem Teller, feinster Kakaoschmelz entfaltet seine herb-süßen Aromen im Gaumen. Immer mehr steigen rauschende Farbsinfonien auf, die Kugeln von Früchten, Eis und Pralinen mischen sich mit pastelligen Hortensienbüschen, bis Urwälder in leuchtenden Grüntönen darüber wuchern, im Geruch von Moosfeuchte und Schafskot, eingefangen vom Bouquet aus den Weingläsern über wiederum rot-weißen Tischdecken. Die Gehörgänge füllen sich mit dem Geplätscher der Bergbäche, erheben sich zu tosenden Schwallen der Kaskaden, dazu seltsame Pfeifen und Trommeln ertönen – und doch immer wieder diese hörbare Stille unter Nebelschwaden – diese Quelle von Legenden, Geheimnissen und Träumen – diese Welt zwischen dem Abtauchen und Erwachen, diese Erneuerung von Zellen und Geist in der Unwissenheit, im Schwebezustand.

Wohl besser, wenn ich ein wenig hier davon darstelle, was sich so bei mir abbildete. Als wäre es eine echte Radreise gewesen. Oder als wäre Pirineosaurus unterwegs gewesen. Es ist alles etwas nüchterner als Pirineosaurus es schreiben würde, vielleicht können aber die Bilder in den Schwebezustand entführen. Vielleicht fehlt mir auch die Inspiration, weil ich den Schnaps verweigerte, den mir auf Rückkehr aus Bayonne ein Geburtstagskind im Durlacher Letschebacher Stüble anbot. Da träumte ich auch schon, dass ich irgendwo in Afrika schlief unter Akazienbäume und Giraffenhälsen und mit irgendeinem Abdul durch dunkle Straßenzüge Rad gefahren wäre… Aber es ist eben geträumt – hoffentlich gut genug, um echt zu wirken…

Bildergalerie EUS-1 (99 Fotos, bitte Bild anklicken):



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Geändert von veloträumer (22.03.19 21:06)
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#1379993 - 22.03.19 20:03 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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EUS-2 Weit mehr als ein „El Camino“ – Farnwälder & Hochweiden, Forellen & Pottoks, schwarze Schafe & Schweinisches, Wein & feinste Schokolade: Das atlantische Pilgergrenzland zwischen Ordiarp und Irún im nordwestlichen Pyrenäenendbogen mit Französisch-Iraty, Kintoa, dem Valle de Baztan und dem Naturpark Señorío de Bertiz

Dieser und das nächste Kapitel sind sehr eng verbunden, weil ich die Grenze häufiger gewechselt habe, französische und spanische Teile nicht chronologisch abgefahren wurden, auch die Etappen überfließen. In Iraty (frz.) und Irati (span.) zu unterteilen, scheint gewagt. Dennoch gibt es Unterschiede in den Landschaften, überwiegt auch in den hier behandelten spanischen Teilen das atlantische Klima mit entsprechender Vegetation, sind Farnwälder noch weit ausgeprägter. Nicht weniger schwierig abzugrenzen sind die Pilgerrouten, denn diese scheinen überall zu sein. Welche Wege die des Camino del Norte sind, welche die des Camino Frances, welche Zubringer aus welcher Himmelsrichtung, bleibt oft im Ungewissen – zumindest für den Ungläubigen, nicht nur hier.

Und obwohl einige Pilgerrouten abseits der bekannten Wege zu liegen scheinen, so werden doch viele attraktive Alternativen verschmäht. Es ist wohl auch manchmal Zufall, denn auf der für Radler bekannten Ibañeta-Passroute traf ich keinen einzigen Pilger, obwohl im Ausgangsort St-Jean-Pied-de-Port ebenso großer Pilgerbetrieb herrschte wie im spanischen Verbindungsort Roncesvalles (dort aber keine Radler). Diese Strecke entpuppte sich unter den Alternativen als die landschaftlich magerste mit einem relativ glattstämmigen Buchenwirtschaftswald und nur kleinen Bergausblicken, soweit mal nur die französische Seite betrachtet.



So 17.6. Haranéa – Col de Légarré/Legarreko Lepoa (345 m) – Predoenea – Legordia Borda – Berrrandotz/R St-Pierre Félix – Col de Méhatché (719 m) – Col des Veaux/Eguzkimendiko Lepoa (572 m) – Venta Esteben Borda – Gorospil Lepoa/Muga Lepoa (662 m) – via Piste – Collado Lizarzu (676 m) – via Piste – NA 2655 – Collado Inzulegui (698) – Otanarte (1064 m) – via Piste – Gorramendi (1071 m) – Collado Inzulegui – Puerto de Otxondo (602m) – Urrasun – Erratzu – Gorostapolo/Wanderung Cascata Xorroxin (ca. 1 h) – Erratzu – Urrasun – Arizkun – Bozarte – Urrasun – Erratzu
73 km | 9,2 km/h | 1980 Hm
Ü: C Baztan
AE (Urrasun): Entrecôte, Pommes, Gem., Salat; Crème Caramel, Café 18,20 €

Mo 18.6. Erratzu – Col d'Ispéguy (672 m) – St-Etienne-de-Baïgorry – Otikoren – via D 615 – Itzalguy – Uretako/Urtzateko Lepoa (379 m) – Jaxu – Col des Palombières (337 m) – St-Martin/Lantabat – Col d'Ipharlatze/Iparlatzeko Lepoa (328 m) – Aguerria – ? (355 m) – Juxue – Pagolle – Kakueta (409 m) – Musculdy – Ordiarp
79 km | 10,0 km/h | 2105 Hm
Ü: C frei
AE: SV

Di 19.6. Ordiarp – Col de Napale (529 m) – St-Just-Ibarre – Ibarolle – Askonzalat/Azkonzabal Lepoa/Col de Gamia (504 m) – St-Jean-Pied-de-Port – Arneguy – Puerto de Ibañeta (1057 m) – Roncesvalles – Urrobi Camping
72 km | 10,0 km/h | 1860 Hm
Ü: C Urrobi
AE (Hostel Roncesvalles): Spiegelei & Speck, Pommes; Flan Caramel m. Eis; Rotwein, Café 12,20 €

Fr 22.6. Banca – St-Étienne-de-Baïgorry – Col d'Aharza (734 m) – Col d'Urdanzia/Urdantzeko Kurutzea (872 m) – via Piste – Urdiako Lepoa (925 m) – ? (950 m) – Chuhy – Espila – ? (765 m) – Irigoyen – Haira – teils via Piste – Col d'Hauzay (965 m) – Urepel – Col de Paradar (610 m)
72 km | 9,0 km/h | 2130 Hm
Ü: C frei
AE: SV

Sa 23.6. Col de Paradar – Urepel – Larateia – Arcainmotca – D 58/ NA 138 – Collado de Urkiaga (890m) – Olaberri – Puerto de Artesagia (996 m) – Meaka Lepoa (636 m) – Irurita – Oronoz – via Piste Parque Natural Señorío de Bertiz – Parking NA-4453/Bertiz (535 m)
62 km | 10,7 km/h | 1305 Hm
Ü: C frei
AE: SV

So 24.6. Parking NA-4453/Bertiz – Collado de Esquisaroy/Ezkisaroi Lepoa (518 m) – Urtzumeatza Lepoa (535 m) – Etxalar – Puerto de Lizarietta (441 m) – Istilharte/Lehenbiskai – Collado de Lizuniaga (250m) – Bera – Collado de Ibardin (317 m) – Herboure – Urrugne – Col de Courlecou (104 m) – Béhobie/Isla de los Faisanes – Irún – Hondarribia – Faro de Higuer
85 km | 11,4 km/h | 1520 Hm
Ü: C Faro de Higuer 12,20 €
AE (dito): Schnitzel, Pommes, Paprika, Spiegelei; Eis; Rotwein, Café 21,30 €

Vom entsagungsreichen Pilgern zur Völlerei. Essen in Frankreich, auch immer wieder eine Herausforderung in den einsamen Regionen. Urepel ist so ein Dreh- und Angelpunkt gewesen, weil hier verschiedene Varianten zusammenlaufen – der Übergang nach Sorgain, zum Ibañeta-Pass, zum Urkiaga-Pass, Vallée d’Haya – alles auch für Pilger Alternativen, aber man sieht keine. In Urepel gibt es eigentlich ein nettes Restaurant – einmal zu früh am Abend, ein anderes Mal war geschlossen, schließlich habe ich beim dritten Mal doch nur ein schnödes Sandwich zum Frühstück bekommen. Aldudes noch ärmlicher. Drei Radler haben gleich ihr Zelt bei der Ortsbrücke aufgestellt. Einmal habe ich noch eine Passhöhe gestürmt und Fischkonserven verdrückt, ein anderes Mal bin ich noch bis Banca durchgerauscht.



In Banca gab es dann Kintoa-Schinken. Keine Japaner oder Hula-Hula-Tänzerinnen aus Hawaii, das sind wohlgenährte Schweine, die besonderes Fleisch hergeben, Kintoa (Quinto Real, Pays Quint) heißen Region, Wald und Schwein. Benannt nach einer königlichen Steuerabgabe, erfuhr der Landstrich einige Turbulenzen in seiner Geschichte und ist heute im südlichen Teil spanischer Staatsteil (Navarra), steht aber unter französischer Verwaltung. Sau und Ferkel hatte ich vorher fotografiert – dann darf ich sie auch essen? (Die entsprechende Etappe nach Banca ist im nächsten Kapitel aufgeführt, die Bilder zwischen Urepel und Banca aber bereits hier in der folgenden Bildergalerie.) Anbei (zwischen Urepel und Aldudes) gleich ein Schinkenrestaurant – aber nur tagsüber geöffnet. Gute lokale Gerichte gibt es in Banca im H/R Erreguina, ganz steil den Berg hoch – aber das ist in Banca normal. Das Dorf besteht nur aus Rampen. Zelten in einer Bauecke – mehr Platz gibt es nicht. Neben Kintoa-Schinken ist das Aldudes-Tal für Forellen bekannt, die silbern blitzend in Zuchtteichen ihre Flossen schlagen. Logisch: Nächster Gang, Forelle, bitte!

Aber auch das gibt’s: In St-Étienne-de-Baïgorry steht eine Kaschemme namens Arce. Habe ich mich von der schönen Lage blenden lassen. Hotel 4 Sterne, das Restaurant versucht sich an Gourmet-Gerichten. Zunächst störte die Empfangsdame mein Fahrrad in der Garten- und Terrassenanlage, selbst außerhalb des Sichtfeldes, draußen wurde nicht einmal serviert. Die Anzahl der Kellner und Gäste hält sich etwa die Waage. Die Portionen lassen allerdings keine Waage ausschlagen. Nein, das ist nicht Gourmet, wenn drei Makkaroni vom überbackenen Käse trocken verbrannt mit Lineal aufgelegt werden, wenn die meisten Sardinen schon weggeschwommen waren, bevor der Teller überhaupt serviert wurde. In jedem italienischen Gefängnis würde das eine Revolte auslösen. Der geschmacklich durchaus gelungene Pfirsichschaum zum Abschluss flüsterte sinnbildlich Luft in den Darm wie das gesamte Menü. Auf nüchternen Magen musste man auch noch ein Flasche Wein bestellen, 0,375 l für schlichte 18 Euro. Da sind schnell 49 € fürs Menü weg. Immerhin konnte ich guten Gewissens das Trinkgeld für den Etikettenschwindel sparen.



Beglückender Ausgleich im selben Ort: Das kleine Café Laia mit hervorragender Chocolaterie einschließlich heißer Schokolade als Spezialität. Feinste Schokolade und Pralinen aus Bayonne werden auch im Atelier du Chocolat in St-Jean-Pied-de-Port verkauft. Ein lokaler Meister dort unweit der Zitadelle kreiert in seiner Fabrique de macarons besonders schmackhafte Makronen. Konkurrenz erwächst indes im Nachbarland: Im Café Arkupe in Irurita (Stammlokal in Elizondo) mundet die heiße Trinkschokolade mit besonders sämiger Konsistenz und herausragendem Geschmack noch besser als in St-Étienne-de-Baïgorry. Der Laden vermarktet auch hervorragende Marmelade von einem lokalen Hersteller. Grenzüberschreitende Konkurrenz aber auch beim Schinken: Neben Kintoa-Schinken aus Aldudes und Bayonne-Schinken (auch Trockenwürste und Fleischkonserven) im Maison du Jambon, St-Étienne-de-Baïgorry, wartet ein weiteres Schinkenhaus (auch Käse, Konserven, Obst & Gemüse) an der Ibañeta-Straße im spanischen Valcarlos mit versammelten baskischen Spezialitäten.

Zur spanischen Seite sind natürlich auch größere Lücken bei der Versorgung zu beachten, selbst im scheinbar dichter besiedelten Baztan-Tal. Das Camping-Restaurant in Erratzu hatte geschlossen, die meisten Bars dort boten nicht mehr als bescheidene Tortillas, sodass ich eine ziemliche Irrfahrt für einen größeren Happen hinlegen musste, als ich in Erratzu das Zelt aufschlug. Der Hunger war indes berechtigt, lag auf der Eröffnungsetappe dieses Kapitels mit dem Col de Méhatché gleich einer der härtesten Rampen an, für den Gipfel des Artzamendi reichten die Kräfte nicht mehr – nebst ohnehin unfreundlicher Wolkensuppe. Tipp für Erratzu: Wanderung zu einem schmucken Wasserfall (Cascata Xorroxin), etwa zur Hälfte anfahrbar auf Piste oder Straße.



Beim Parque Natural Señorío de Bertiz steht man parkausgangs nach der fahrraderlaubten Forstpiste in einem kaum besiedelten Gebiet, das recht zeitraubend durch mehrere Auf und Abs sich bis zu nächsten Orten hinzieht (Dantxarinea, Urdax, Zugarramurdi, Etxalar, am Otxondo-Pass gäbe es Schutzhütte mit Picknickeinrichtung und Toilette). Es empfiehlt sich also Unterkunft beim offiziellen Parkeingang zu suchen (zwei Jugendherbergen und ein Hotel). Im agrarischen Zwischenland jenseits des Bertiz-Parks steht noch ein Forellenrestaurant – ungewiss aber, ob regelmäßig geöffnet. Wählt man etwa zum Wandern im Bertiz-Park als Basisort Etxalar, bestehen dort mehrere einladende Einkehrmöglichkeiten – aufgrund des heimeligen Ortsbildes die vielleicht beste Empfehlung für einen Etappenstop in dieser Ecke. Noch pittoresker, aber schon mehr an einer betriebigen Achse, gibt sich Bera an der Schnittstelle zum Bidasoa-Tal (Kap. EUS-5).



Bleiben wir noch beim Parque Natural Señorío de Bertiz. Es gibt eine einzige Fahrstrecke, die für Fahrräder erlaubt ist. Die Schotterpiste führt vom Parkplatz beim eintrittspflichtigen botanischen Garten, Villa und Pavillon aus Zeiten des gönnerhaften Parkgründers zu einem eher unauffälligen Parkplatz am östlichen Parkrand an der NA-4453, welche die asphaltierte Alternative außerhalb des Parks darstellt (eher empfohlen). Obwohl man die besondere Atmosphäre dieses Farnwaldes dabei einfangen kann, erweist sich der obere Teil als sehr rumpelig, steil bis unfahrbar, nicht selten schlammig und wegen des dichten Schattens auch von zahlreichen Mücken bevölkert. Und trotz der offiziellen Fahrerlaubnis für Radler hat man auch noch das Ausgangstor oben abgeschlossen, sodass man mühevoll das Rad mit abmontierten Taschen über eine Barriere hieven muss. Ich empfehle ggf. im unteren Bereich ein paar Eindrücke zu sammeln oder zu wandern, entsprechend auch weitere Wege einladen, und dann außen rum aufzufahren (oder wohin auch immer). Die eintrittspflichtigen Garten- und Gebäudeanlagen waren zu meiner späten Abendzeit gerade geschlossen worden, sodass ich nur flüchtige Eindrücke durch die Sichtsperren erheischen konnte.

Der mythisch beladene La Rhune, mit der panaromareichen Zahnradbahn (Bahnhofsseite bereits in Kap. EUS-1) zu einem nicht selten überbevölkerten Touristenmagneten geworden, lässt sich nach meinen Erkenntnissen nur von der spanischen Südseite ohne besondere Mountainbike-Ausstattung beradeln (kaum erkennbarer Abzweig westlich des Collado de Lizuniaga), konnte die Trasse aber nicht austesten. Die Weiterfahrt über Bera und das französische Gebiet zum Atlantik geht in eine zunehmend aufgeräumte Landschaft über, gewiss auch mit verstärkter Besiedlung. Trotzdem bleiben stark ländliche Elemente um den Col de Courcelou (Passname kennt keiner vor Ort) quasi bis über die Autobahn hinaus vor die Tore der Agglomeration am Bidasoa-Delta erhalten (Bilder und Anmerkungen zu Irún – Cabo Higer in Kap. EUS-4).



Sprung zurück nach Osten. Den aufstrebenden Wein der Region – Irouléguy – hatte ich ja teuer genug im Restaurant Arce gekostet. Ein guter Tropfen (moderner Weingut-Shop in St-Étienne-de-Baïgorry nahe dem Camping), den ich mir redlich mit den steilen Rampen in den Weinbergen auf dem Weg zum Col d'Aharza schon in der ersten Reisephase verdient hatte (Etappe 22.6.). Die Passnamen kennt da keiner, ich habe gleich eine ganze Schulklasse samt Lehrerinnen und Lehrer damit ins Schwitzen gebracht. Nur ein kleiner Teil oben beim Urdiako-Pass ist Schotter. Wenn man dort nicht nach Banca abfährt, geht es in einer Auf-und-Abschleife ins Vallée d’Haya (allerdings auch unten aus dem Aldudes-Tal in Banca direkt durch eine enge Kluse erreichbar). Ein wildes Tal, sehr reizvoll. Oben wird es dichter Wald und hart, unten lange leicht zu radeln. Auch Schotter teils, aber meist auflösende Straße, ganz oben sogar glatter Asphalt. Man kann ohne Urepel gleich zum Ibañeta-Pass nach Osten überfahren – die Verbindung habe ich ausgelassen. Auf keiner Karte als Straße eingetragen, ist aber! So wie oben schon erwähnt Sorgain.



Noch ein Exkurs führte östlich von St-Jean-Pied-de-Port bis in die östlichste französische Baskenprovinz Soule, zugleich nördlicher Teil des Bosques d‘Iraty. Die meist agrarisch geprägten Routen kombinieren Auen, Hügelkuppen und Waldpassagen mit kleinen Bauerndörfern oder Weilern abseits von fast jeglicher touristischer Infrastruktur, selbst im schon mal besuchten Bunus mit Campingplatz hatte der einzige Dorfladen mit Café geschlossen, das äußerlich adrett hergerichtete Restaurant mit ähnlich undurchschaubaren Betriebszeiten wie ehemals. Einige heftige Rampen warten auf die Wadenmuskeln mit den Pässen Napale und Uretako oder die Bergkuppe zwischen Juxue und Pagolle. Der hier gefahrene Col des Palombières bei Jaxu darf nicht verwechselt werden mit dem nur wenig weiter südlich gelegenen gleichnamigen Pass zwischen Bunus und Lecumberry, den ich als extrem steile Rampe vier Jahre zuvor kennen lernte. Im Vergleich hier dieser Palombières bei Jaxu eine deutliche Spur leichter, wenn auch noch kein Selbstläufer.

Landschaftlich darf man den panoramareichen, mit weiten Serpentinen umwundenen Col de Gamia aus dieser östlichen Schleife als schönsten Übergang hervorheben, wohl auch den Col de Napale, der sich allerdings in dichtesten Wolkennebel hüllte. Dem liegt das idyllische Pilgerjuwel Ordiarp mit seiner Steinbogenbrücke und Kirche zugrunde. Wer aber gesicherte Unterkunft und Verpflegung sucht, muss nach Mauléon-Licharre ausweichen, denn viele ländlichen Gastbetriebe in dieser Region fallen eher durch unstete und häufige Schließzeiten auf. Ein mitfühlender Anwohner stockte großzügig meine Nachtvesper mit einer Pâte Basque und Äpfeln auf, wenngleich die nebst geöffneter Toilette vorhandene öffentliche Dusche nicht in Betrieb war.

Bildergalerie EUS-2 (158 Fotos, bitte Bild anklicken):



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Geändert von veloträumer (22.03.19 21:11)
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#1380093 - 23.03.19 20:53 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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EUS-3 Knorrige Buchen, herzliche Gastfreundschaft, berauschende Bergflüsse, Parade der Windräder, Silberspiegel der Stauseen, Goldglanz der Weizenfelder, Gruß der Sonnenblumen, Hemingway im Geiste: Das spanische Pilgereck am südwestlichen Pyrenäenfuß rund um Pamplona zwischen Rio Irati und Puente la Reina

Beginnen wir dort, wo die Reise bereits Abschied nimmt, die Rückfahrt über den Pyrenäenkamm von Punte la Reina nach St-Étienne-de-Baïgorry (der frz. Teil ist noch in Bildern dokumentiert, hier aber nur am Rande erwähnt).

Mi 18.7. Puente la Reina – Legarda – Puerto/Alto del Perdón (770/776 m) – Perdón (1037 m) – Sta. Cruz – via Piste – Subiza – Campanas – Otano – Zabalceta – Urroz-Villa – Agoitz – Nagore – Oroz-Betelu
82 km | 11,4 km/h | 1380 Hm
Ü: C frei
AE: R Zaldu: Salat Gallagas; Fleischplatte m. Steaks, Würsten usw., Pommes; Milchreis; Rotwein, Café 27 €

Do 19.7. Oroz-Betelu – Olaldea – Alto de Garralda (941 m) – Aribe – Orbaitzeta – Fábrica de Orbaitzeta – Azpegi Gaina (1060 m) – Col d'Orgambide/Organbideko Lepoa (988 m) – Béhérobie (H/R Source de la Nive) – Esterencuby – St-Jean-Pied-de-Port – Anhaux – Irouléguy – St-Étienne-de-Baïgorry
73 km | 11,6 km/h | 1115 Hm
Ü: C Municipal 6,80 €
AE: H/R Arce: Sardinen m. Tomatenkruste, Ei, Gemüsecarpaccio; Filet, Maccharoni, Bohnen; Sorbet mit Pfirsich-/Aprikosenschaum; Rotwein 49 €

Puente la Reina ist Pilgerort pur. Zwar prägt die Steinbogenbrücke das schöne Ortsbild, jedoch bleiben weitere Sehenswürdigkeiten eigentlich aus, also doch deutlich bescheidener als das französische Gegenstück StJPdP. Immerhin hat man eine große Auswahl an Lokalitäten. Die Ausschilderung des Campingplatzes ist katastrophal, wird man quasi an der Nase herumgeführt und auf einen langen Umweg geschickt. Das hat damit zu tun, dass diese Straße und Piste die gültige Autozufahrt ist. Man kommt aber unmittelbar von der bekannten Brücke aus über eine geschotterte Steilrampe dorthin, wenn auch evtl. ein Stück schiebend. Ausgewiesen ist dort aber nicht der Camping, sondern nur eine Pilgerherberge. Dieser ist der Camping auch zugehörig, wobei auffällig wenige Camper zu sehen waren (nur ein Jakobsweg-Radler), während die Herberge brechend und kinderlaut voll war. Durch die vielen Nischen mit teils platzeigenen, überdachten Picknickecken ist der Camping sogar empfehlenswert für Zelter.

Zum Pyrenäenrand hin erstreckt sich eine Zwischenlandschaft mit gleichwohl unterschiedlichen Facetten. Die weiten, offenen Weizenfelder erhalten unweit von Puente la Reina aufbrechende Elemente der Weinstraße Navarras. Auf dem Wege zum Perdón allerdings weniger ausgeprägt die Rebenhänge als die Beschilderung erwarten ließe. Zur Gegenseite des Perdón zwischen Campanas und Urroz Villa evozieren leuchtende Sonnenblumenfelder berauschende Farbsinfonien zwischen dem Weizengold.



Der Perdón, Name von Pass und Berg zugleich, ist ein Höhenzug mit zahlreichen Windrädern, der markant zwei Ebenen voneinander trennt, nach Norden das Plateau um Pamplona, nach Süden die erweiterte Ebro-Region. Der eigentliche Perdón-Pass liegt abseits der Transversale nach Pamplona, was auf den vielen Karten falsch verzeichnet ist. Am richtigen Pass entspringt unterhalb eine Quelle, ein Arrangement aus flachen Stahlfiguren illustriert die Pilgerzüge, die die Region so stark prägen. Man kann weiter zum Perdón-Berg auffahren, eine wenig markante Kuppe des gesamten Bergzugs, immerzu an Windrädern vorbei. Zur Rückseite geht es noch auf Asphalt weiter, an einer von Pilgerunrat umlagerten Kapelle, weiter hinunter in eine Mulde, aus der heraus auf Asphalt noch weitere Windräder erreichbar sind. Hier findet sich ein Schotterwegabzweig, auf dem man in die Feldebene bei Subiza gelangen kann. Der Weg ist grundsätzlich einigermaßen radelbar, war aber doch teils arg gelitten mit Auswaschungen durch die starken Regenfälle. Man fährt u.a. an ockerfarbenen Lehmwänden vorbei, durchaus eine ansprechende Flora und Felsenwelt, wenngleich selten schattig.

Nach den leicht hügeligen Fahrten bis Aoiz erreicht man eine Stauseeregion, die aber nicht alle straßenbegleitend zu erschließen sind, sondern auf gleichwohl hügeligen, auch mal steileren Passagen durch hinterliegende Täler oder Bergkuppen verbunden sind. An den Seen erheben sich mal schroffe Felsen, werden aber gleichwohl von lieblichen Seespiegeln gekontert. In Aoiz, mit Römerbrücke unterhalb des Ortes geschmückt, vereitelte ein Gewitter die naheliegende Erkundung des dortigen Stauseeufers. War in Nagore die angesteuerte Gaststätte am milden See geschlossen, endete der Tag doch noch versöhnlich im gastfreundlichen Oroz-Betelu, einem besonderen Schlag von Menschen in bewegender Natur – wohl nicht zufällig Anbeginn des funkelnden Silberglanzes von Irati.



Oroz-Betelu, diese Geschichte mit der herzlichen Gastfreundlichkeit, muss noch erzählt sein. Zwar bevölkerten zahlreiche Dorfgäste die Terrasse, aber ich sollte der einzige bleiben, der eine Mahlzeit in Anspruch nehmen wollte. Das sorgte für ziemliche Unruhe. Die Küchengeräte mussten erst angeworfen werden, für einen seltenen Gast, zumindest unter der Woche, Exklusivbedienung für mich, jede Gabelbewegung wurde beäugt. Die Dame war verdammt hübsch – Irati hat nicht nur schöne Buchen.
„Was können wir anbieten?“ die Frage – Zum Beispiel Fleisch? Der Jungwirt kam mit einem Gefriersack von Fleischstücken.
„Ist das okay?“ – Ich sagte ja, glaubte, ich bekomme etwas davon. Nichts da! Ich bekam den ganzen Sack aufgetischt! Fleisch für 2 Personen, nein eher für 3-4 große Mäuler. Der Magen grummelte die ganze Nacht – Schwerstarbeit. Am nächsten Morgen spendierte der Altwirt einen Kaffee – der Jungwirt schlief noch. Ich war Gast in Irati – wirklich, Gast! Der sympathische Laden heißt übrigens Zaldu, kann nicht verfehlt werden, weil ein kleines, heimeliges Dorf an der Irati-Straße am nördlichen Ende des Stauseeschlauches.



Also ja, Silberglitzer, die Bergflüsse. Darin Seltsames, ein verwildertes Kuriosum und hatten wir als Variante schon in Olaberri (Eugi) im Arga-Tal, Collado Urkiaga (vgl. EUS-2). Eine verfallene Eisengießerei, besser gesagt Waffenfabrik für Kanonenkugeln: Fábrica de Orbaitzeta, zurzeit weitgehend abgesperrt, aber Infotafeln vorhanden. Man übertunnelte den Fluss, heute sind die Steinbögen nur noch Ruinen. Kommt man hin, wenn man den Irati-Fluss oberhalb Orbaitzeta verlässt und einem Nebenfluss folgt. Einer der unbekanntesten Übergänge der Region zwischen Spanien und Frankreich über Azpegi bzw. den Orgambide-Pass, auf dem Plateau zahlreich Megalithen verbreitet – dann schattig und steil ins Nive-Tal und den französischen Iraty-Wald führend.

Man denke sich nun den Sprung zurück zum Vormittag im Mühlenort Garralda nahe der Irati-Strecke, nur einen Steinwurf entfernt zum Urrobi-Camping südlich des Ibañeta-Passes und Roncesvalles, mit dem Fluss Erro und Ähnlichkeiten zum Irati-Fluss, aber eher gegen Anfang der Reise beradelt.

Mi 20.6. Urrobi Camping – Acre – Lusaretta – Túmulo San Pau (915 m) – Esnotz – Erro – Urricelqui – via Piste – Finca Zaldaitz (750 m) – Urricelqui – via Piste – Otakatzeta (Sackgasse) – via Piste – Errea (800 m) – Urdániz – Zubiri – Leranotz – Inbulutzketa – Larrasoaña – Arleta – Azotz – Camping Ezkaba – Sorauren
74 km | 12,3 km/h | 1070 Hm
Ü: C frei
AE: Posada Sorauren: Hirschgulasch, Pommes; Crème Caramel; Rotwein, Café 19,50 €

Do 21.6. Sorauren – Olague – Alto de Ekozgue (894 m) – Eugi – Zubiri – Puerto de Erro (801 m) – Erro – Puerto de Aurizberri/P. de Espinal/Mezkiritz Lepoa (922 m) – Aurizberri – Sorgain – Sorgain Lepoa/Collado Aztakarri/Atztakarriko Lepoa (962 m) – Urepel – Aldudes – Banca
82 km | 12,4 km/h | 1400 Hm
Ü: C frei
AE: H/R Erreguina: Kintoa-Schinkenplatte; Forelle, Kart., Gem., Limonensauce; Schokomousse; Rotwein, Café 33,80 €



Die silbern glitzernden Bergflüsse von Urrobi, Erro und Irati ähneln sich auf gewisse Weise. Es ist ein Leuchten und Blitzen, Gedichte der Iris, Poesie des Betrachtens. Die Buchenwälder reichen von Ost bis West, mal heißen sie Irati, mal Kintoa. Alles gleich? – Mitnichten. Es ist eine Region der stillen Momente, der Blicke – einjeder ein Schatz, ein Kosmos für sich. Jeder Baum hat seinen Charakter, knorrige Altbäume und Totholz bevölkern einen stets neu bewundernswerten Skulpturenpark – Urwald ganz im Gegensatz zu den modernen umsatzorientierten Nutzwäldern mitteleuropäischer Prägung. Wohl kein Zufall, dass auch Ernest Hemingway die Irati-Region zum Forellenangeln schätzte, während er in Burguete weilte. Er äußerte sogar, dass Angeln am Irati-Fluss der Vorstellung, dem Himmel nahe zu kommen, am besten entsprechen würde.

Der Urrobi beschreibt nach Süden hier ein erfrischend wildes Tal, mit Felswänden immer mal wieder durchscheinend im Schleier des leuchtenden Buchengrüns der Morgensonne. Doch schon bald wähle ich ein Querformat zur Flusslinie. In der Ost-Westachse südlich des Pyrenäenhauptkamms liegen zwischen den erfrischenden Tälern eine Reihe von Pässen, teils auch Schotter, derer ich längst nicht alle denkbaren Alternativen ausgetestet habe. Dadurch sind Rundschleifen trotz der Nord-Süd-Talfurchen möglich. Die Pilger halten sich weitgehend eng an die N-135, die wenig Schatten hat und auch landschaftlich weniger überzeugt. Südlich leuchtete besonders der Übergang Lusaretta – Esnotz hervor mit schieferigem Flysch oder Mergel, gelben Blumenschmuck und Schmetterlingsvielfalt, einem historischen Kornspeicher im fast verlassenen Lusaretta. Schon die Römer waren in der Urrobi-Region unterwegs.



Während ich auf Urricelqi – Errea für den richtigen, auch gefurteten Weg mehrere Anläufe benötigte, kam die Verbindung Zubiri – Etsain, wie eingangs schon erwähnt, gar nicht zustande. Der verkehrsreiche Umweg an den Rand von Pamplona ist dann wegen der Bergbarriere unvermeidlich. Das Restaurant des weit stadtauswärts liegenden Pamplona-Campings hatte für spanische Verhältnisse ungewohnt früh schon die Küche geschlossen, der Camping zudem übervoll, sodass ich weit schöner an einem Terrassenrestaurant am Flussufer etwas weiter oben in Sorauren strandete. Der Morgen präsentierte den Alto de Ekozgue als ebenso einsamen wie reizvollen Pass mit sehr unterschiedlichen Seiten – liebliche Bergweiden unter aufsteigenden Nebelschwaden, dichter Gipfelwald und panoramareiche Abfahrt mit Felsschlucht – einer der zahlreichen Höhepunkte dieses Kapitels. Hier traf ich auch das Reiseradlerpaar Chantal und Jean Paul aus dem Elsass auf ihrer etwa zweimonatigen Reise mit Spanienschwerpunkt – auch im Radreiseforum zumindest lesend unterwegs.

Nicht vergessen werden sollte der vielleicht schönste Grenzübergang dieser Ecke – Sorgain, bereits in der Kintoa-Region gelegen. Das ist an der südlichen Basis ein Bergweiler, Herberge, sah geschlossen aus – vielleicht aber nur fehlende Gäste wegen der düsteren Nebelwolken. Zur spanischen Seite unten verwunschener Buchenwald, flyschige Rippen der Bachläufe – man kann die Eindrücke sowohl vom Buchenwald als auch von Hochweiden noch vermehren, wenn man die von mir gefahrene zusätzliche und lohnende Schleife über Aurizberri fährt. Ab Sorgain steigt man in einer offenen Almweidelandschaft auf, nur noch kleine Haine, Bergblumen. Durch die Wolke erscheinen die Kühe wie Nebelgeister, die Härchen der Arme wie von Silberfolie überzogen, eine Stille erschallt in Kuhglocken (auch jedes Pottok hat eine). Geheimnisvoll, wundersam – und müsste noch herrlicher sein, wenn die Sonne scheint, denke ich. Von Süden radlerisch keine große Sache, von Frankreich aus extrem steil (für Urepel – Banca vgl. EUS-2).

Bildergalerie EUS-3 (130 Fotos, bitte Bild anklicken):



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#1380159 - 24.03.19 21:43 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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EUS-4 Standhafte Leuchttürme, schmackhafte Pintxos, kuriose Steinlöcher, millionenalte Flyschkrusten, goldene Muschelstrände, farbige Fachwerkkulissen: Die Costa Vasca von Gipuzkoa zwischen Irún und Mutriku mit seinem Küstengeopark

Ein kurzer Sprung zurück zum Ende des Kapitels EUS-2: Im Grenzfluss Bidasoa zwischen Béhobie (Hendaye) und Behobia (Irún) findet sich eine staatspolitische Kuriosität. Die winzige und unbewohnte Isla de los Faisanes (Fasaneninsel), im Französischen auch als Île de la Conférence tituliert, stellt das kleinste Kondominium der Welt dar (von verschiedenen Herrschaften/Ländern gemeinsam verwaltete Gebiete, in diesem Fall wechselweise ein halbes Jahr von der französischen Grenzstadt, ein halbes Jahr von der spanischen kontrolliert). Die Insel hatte historisch eine gehobene Bedeutung etwa für den Austausch von Gefangenen, insbesondere aber durch die Unterzeichnung des Pyrenäenfriedens 1659 zwischen Frankreich und Spanien auf neutralem Boden. Heute ist die Insel weder zugänglich, noch gibt man sich Mühe, die Besonderheit touristisch hervorzuheben – ganz im Gegenteil verhindern aktuell Bauzäune für die städtische Verlängerung des Bidasoa-Radweges schon fast gänzlich einen genaueren Blick vom Ufer aus. (Hatte ich auch bereits als Bilderrätsel im Forum thematisiert.) Nur wenig weiter beginnt das neue Kapitel am traumhaften am Leuchtturm des Cabo Higer gelegenen Camping mit einem der doch selten erlebten Sonnenuntergänge.



Mo 25.6. Faro de Higuer – via Cala del Molino – Mirador Guadeloupe – Labetxu/Wanderung Meer/perforierte Steine (insges. ca. 5 h) – Alto de Jaizkibel (450) – Pasai Donibane – Errenteria – Oiartzun/Elizalde (+)
38 km | 9,0 km/h | 880 Hm
Ü: C frei
AE (Oiartzun): Tapas, Bier 10 € + SV

Mo 2.7. Zarautz – Getaria – Zumaia/Acantilado Flysch – Alto de Itziar (225 m) – Deba – Mutriku – Camping Galdona (175 m)
51 km | 11,2 km/h | 705 Hm
Ü: C Galdona 9,60 €
AE (dito): Salat m. Thunfisch; pan. Schnitzel, Pommes; Milchreis; Rotwein, Café 12,60 €
ME (Getaria): Taberna Geva: Tapas, Bier 17 €

Wenn ich hier die Costa Vasca in zwei (bzw. drei) Kapiteln auf die jeweiligen Provinzen aufgeteilt vorstelle, ist das ein wenig willkürlich bzw. mehr dem Reiseablauf geschuldet als den charakteristischen Elementen. An beiden Küstenabschnitten finden sich industrielle Hafenagglomerationen wie in Irún und Donostia/Errenteria einerseits und Bilbo/Portugalete andererseits. Beide Küstenabschnitte sind in Teilen aufgrund der Steilküste auf dem Landwege nahezu unzugänglich, weswegen die Küstenstraßen immer wieder vom Meer wegführen, keine Aussicht möglich ist. Allenfalls ein paar Stichstraßen ermöglichen dann vereinzelte Zugänge. Andererseits ergeben sich auch immer wieder gut zugängliche Strände an auf Meeresniveau verlaufender Küstenstraße, ermöglichen weite Buchten die Ausbreitung mal kleiner Fischerdörfer, mal größerer Städte.



Die meisten Sandstrände leuchten intensiv golden, nicht zuletzt wird die ausladende Doppelbucht von San Sebastián mit der Bucht von Rio de Janeiro verglichen. Wenngleich es auch mal volle Strände im Bereich der großen Städte und einiger weniger touristischer Strandzentren wie etwa Zarautz gibt, überwiegen doch Strände, die eher sparsam bevölkert und deutlich weniger belagert werden als die Topstrände Spaniens am Mittelmeer. Strandurlaub im Baskenland ist daher sicherlich ein Geheimtipp, wenn man mit den Wetterlaunen zurechtkommt.

Dabei erzeugen nicht nur die Wetterphänomene der Biskaya besondere Strandstimmungen, sondern auch die Flussmündungen mit zuweilen eigentümlichen Sumpfdeltas oder bis ans Meer aufgerückten Bergtälern, die den Hafenorten nur wenig Entfaltungsraum erlauben – eindrücklich etwa in Orio und Deba, wobei man binnenwärts gleich in eine Flussidylle hineinfährt. Zarautz erlaubt eine so breite Ausdehnung, dass nebst der langen Strandpromenade auch noch Raum für ein naturgeschütztes Delta mit Flussmäandern da ist, welches sich am besten im Osten von dem Küstenberg mit dem Campingplatz überblicken lässt.



Andere Küstenorte schmiegen sich auch ohne hervorgehobenes Flussdelta in die Küstenberge hinein, im schnuckeligen Mutriku extrem steil und eng am Berg gestaffelt. Solcher, aber doch anderer Art kann man in Donostia den Blick vom exponierten Monte Igeldo genießen, was sich einige was kosten lassen mit einem Luxushotel (gleich mehrere am Berg verteilt, was den Berg zum einem lohnenden Geschäftsmodell für Taxifahrer macht). Leider musste ich einen abendlichen Abstecher angesichts regentiefen Wetters dorthin auslassen und war froh überhaupt ein Zelt auf dem Igeldo-Camping aufstellen zu können, der sich bereits weit abseits des Aussichtsbergs befindet. Am nächsten Morgen war noch weniger Aussicht.

Gleich zwei besondere geologische Erscheinungen machen die Costa Vasca in Gipuzkoa besonders wertvoll und einmalig – nicht umsonst als Euskal Kostaldeko Geoparkea und UNESCO-Kriterien geschützt. Da ist zunächst die Aussichtsberg Jaizkibel, kontrastreich ein Grün zum Meeresazur, von zahlreichen Wehrtürmen durchsetzt. Versteckter hingegen sind besondere Auswaschungen von Sandstein, der sich in Löchern, Bögen, konkaven Wänden, Küstenhöhlen, myzelartigen Strukturen oder Felsstempeln präsentieren – in unterschiedlichsten Farbschattierungen von Beige- über Ocker- und Rot-Tönen bis zu Schwarz. Die schönsten dieser Ausformungen lassen sich nur per Küstenwanderweg samt abseitigen Klettereinheiten erkunden, der von Hondarribia am Cabo Higuer bis nach Pasai Donibane führt. Da ich wenigstens einen Ausschnitt dieser Steinskulpturen anschauen wollte, hatte ich von einem rechten hohen Straßenpunkt in der Nähe des Jaizkibel-Berges eine Exkursion zum Meer gemacht. Das war sicherlich ein schöner Platz, aber eben auch nicht mehr als nur zwei oder drei Farben und Formtypen.



Es wäre hier in der Tat ratsamer, mindestens einen ganzen Ruhetag auf dem Camping am Faro de Higuer und eine Küstenwanderung per pedes einzulegen. Da die Wanderung einen Tag Zeit kostet, muss man eine Rückfahrt mit Bus ins Auge fassen oder eine Halbtour machen. Die meisten Wanderer, die ich gesehen haben, waren viel zu schnell unterwegs um die Besonderheiten zu erkunden und die Tour zu genießen. Auch sind wohl die auffälligsten Steine näher an Pasai Donibane, sodass von dort aus eine zweite Exkursion Sinn machen würde. Meine Fußtour in der Mitte hinunter zur Küste war sehr mühselig, das Rad muss weit entfernt oben vertrauensvoll abgestellt werden, wobei Schattenplätze rar sind. Auch wenn Pisten noch weiter runterführen, sind diese kaum fahrbar, speziell nicht retour nach oben. Das Schieben eines Reiserades mit vollem Gepäck wäre gleichwohl Harakiri.



Die zweite Felserscheinung an diesem Küstenabschnitt ist Flysch, markant gefaltetes Gestein, nicht selten von Ammoniten und anderen Fossilen durchsetzt. Während das Flysch meist die Steilküsten strukturiert, tritt er hier auch als horizontale Fläche auf, die bei Ebbe riffige Felsstrände offenlegt, während bei Flut nur wenige Grate aus dem Wasser ragen. Weil auch schwierig zu begehen, sind solche Strände nicht ungefährlich, bemerkt man die Flut zu spät und hat dann ggf. Probleme ans gesicherte Ufer zu gelangen. Besonders eindrucksvolle Beispiele für Flysch findet man bei Zumaia (hier gibt es auch geführte Touren, teils mit Boot, aber auch per pedes; ein Flysch-Strand im Westen vom Ort) und bei Deba, aber auch bei Lekeitio (vgl. EUS-8).



Bleiben noch die besonderen Orte der Küste zu nennen. Donostia weist eine Reihe von Radwegen sowohl in die Stadt hinein als auch in der Stadt aus. Nicht alles davon ist erste Sahne. Für die Einfahrt aus dem Urumea-Tal kommend wäre eine bessere Ausschilderung von Nöten, den startenden Radweg bei Astirraga muss man suchen. Im Bereich der großflächigen Neustadt mit breiten Einfallstraßen hat man Radwege mitten zwischen die Autospuren gelegt, manchmal nebst Baumreihen, manchmal auch ganz nackt. Währenddessen sind die eher breiten Fußgängerstreifen am Fluss entlang für Radfahrer verboten, was zumindest einigen Einheimischen wichtig ist, die sich gleich beschwert haben, als ich dort fuhr. Von den Radstreifen kann man aber weder mal eben schnell ein Foto auf der Flussseite machen, noch kann man mal eben in die City-/Fußgängerzone abzweigen – man ist quasi gefangen auf dem Streifen und darf langsame Ampelschaltungen aussitzen, wenn man wechseln will. Dabei wird man von ambitionierten Stadtradlern auch noch umgefegt. Aus Sicht des Reiseradlers, der ja mitunter städtische Erkundung im Auge hat, sind diese innerstädtischen Radstreifen komplett ungeeignet. Selbst die Radwegstreifen auf der weniger belebten Promenade zwischen den beiden Buchten ist eher eine Rennmarkierung für Jogger – Basken joggen aber weniger, sondern rennen mit Vollgas – das so nebenbei bemerkt. Dort ist allerdings die Flaniermeile der Fußgänger noch breiter und Konflikte kaum denkbar.



Wer Donostia besichtigen möchte samt diverser Museen, Freiluftkunst, Aussichtspunkten, speziellen Locations und einem gewissen Spektrum an Kulinarik, braucht mehrere Tage Aufenthalt in der Stadt. Für wenige Stunden bleibt eher nur ein Gang durch ein paar Straßen und Gassen, bei besserem Wetter ein Strandsprung ins Meer. Diesen ersetzte ich quasi durch den Besuch eines kleinen Fotomuseums mit Kameramodellen verschiedener Generationen und einer Fotoausstellung, die man auch bewerten durfte. Das eintrittsfreie Museum befindet sich genau dort, wo die bebaute Zone aufhört und die felsbegleitete Promenade (Paseo Nuevo) mit Radweg von der Zurriola- zur Concha-Bucht beginnt.



Ein weiteres Fotomuseum erspähte ich in Zarautz, konnte es aber da nicht besuchen. Am Paseo Nuevo finden sich weiters freie Kunstobjekte, etwa von Jorge Oteiza, der vielleicht bedeutendste baskische Vertreter abstrakter Kunst mit seinen offen interpretierbaren Stahlkonstruktionen. Vom Paseo Nuevo und den Panoramawegen zur Festungsanlage gelangt man zur Hafenebene mit Altstadtanschluss und Concha-Strand mittels eines kostenfreien Fahrstuhls.



Hondarribia (nur wenig angeschaut) glänzt mit dekorativen und bunten Holzbalkonen an den Häusern, zu unterscheiden vom baskischen Fachwerk, das die gesamte Hauskonstruktion trägt. Derlei buntes Gebälk ziert auf eindrucksvolle auch den Fischerort Pasai Donibane, der sich ganz eng an den Felsen schmiegen muss, für die schmale, gepflasterte Unterstadtverbindung durch überbaute Gassen ein ampelgeregelter Einbahnverkehr besteht. Zum gegenüberliegenden Stadtteil San Pedro verkehren ständig Personenfähren, an den Kais tummeln sich die heimischen Kinder beim Wasserspringen, der Marktplatz ist zugleich Badeplatz. Für etwas ruhigere Badenischen führt ein Weg in Richtung Kap, nach dem hippen Kneipentreffpunkt am Ende des befestigten Weges nur noch ein Trampelpfad durch Gebüsch (offiziell wegen Steinschlaggefahr Begehung untersagt, was aber offenbar nicht beachtet wird). Und wäre nicht ohnehin schon Victor Hugo hier wohnhaft gewesen (Museum vorhanden), so muss man dieses Städtchen als Ort der Poesie bezeichnen, in dem auch zahlreiche Fischrestaurants und gehobene Küche den Gast erwarten – mal wieder hatte ich den falschen Etappenrhythmus, strandete abends in genau gegensätzlicher Provinz, die schlagartig jenseits von Errenteria beginnt.



Ach ja, die Pintxos. In San Sebastián sollen es die besten geben. Gleich an einer Ecke zur Altstadt von der Concha-Promenade kommend fand ich eine solch ausgezeichnete Pintxo-Bar, auch Restaurant. Darf man tatsächlich kein Menü klassischen Zuschnitts bestellen, das war nur durchschnittlich. Die Pintxos an der Theke machten da weit mehr Eindruck. Das Prozedere ist leider immer wieder etwas anders, meistens zahlt man direkt an der Theke, wenn man auswählt. Manche haben Pauschalpreise für eine gewisse Anzahl von Pintxos, aber es gibt Standard-Pintxos und Spezial-Pintxos, die dann mehr kosten, evtl. nicht im Portfolio drin sind. Einige warme Pintxos sind nicht ausgestellt, muss man bestellen, reguläre Speisekarten gibt es nicht. Manchmal bekommt man einen größeren Teller für mehrere Pintxos, manchmal muss man mehrere Teller von der Theke wegschleppen, weil jedes Pintxo mit Teller und Besteck ausgehändigt wird. (Auch Croissants werden mit Besteck gereicht und gegessen!) Das ist nicht unbedingt immer übersichtlich und praktisch.



Den vollendeten Pintxo-Genuss leistete ich mir in Getaria, das Meer setze sich dort in mich hinein. Der Ort ist Müßiggang pur, schon wieder Poesie – alte Ausgrabungen, Flaniermeile des guten Geschmacks, von auffällig vielen internationalen Gästen besucht, künstlerische Shops und Galerien, Fischereihafen und ein entschleunigter, schattiger, kaum besuchter Küsteninselberg San Anton, den man zumindest teils mit Rad auffahren kann. Strände sind Nebensache, hingegen führt ein langer, mit edlem Geländer dekorierter Promenadenweg neben der Straße von Zarautz am Meer entlang. Ich fand einen Fotografen, Kommunikator, auch mal gelegentlich Poet, Surfer, Globetrotter und Verkäufer, der regionale Meereskonserven, aber auch Souvenirs oder holländische Schokolade in seinem Laden „Cetaria“ anbietet. Offensichtlich hat der Australoamerikaner zwischen Sydney, Hawaii und Nepal in Getaria seine geliebte Wahlheimat gefunden und promotet gerne die Vorzüge des Baskenlandes. Jonathan musste natürlich auch den deutschen Globetrotter schon wegen der farblichen Akzente – nicht unähnlich den baskischen Nationalfarben – porträtieren und der Facebook-Gemeinde vorstellen. Ich will nicht nachstehen, das Licht des Ortes in seine gemäße Stimmung zu dichten:


Getaria

Wohlgeruch die Gassen füllt – menu del día,
wilder Fels umrankt so steil, so grün – Getaria,
segeln Möwen leicht am Horizont gemein,
Fisch gefangen schuppig rau und fein.

Lachen meinst du, aber mehr Gekreische,
wehend‘ Haar die Lippen süß erreiche,
glüht mein Liebesflug ins ferne Blaue,
feucht geleckt im Speichelgaumen.

Weit der Ferne betört deines Auges Blinzeln,
Gichtfontänen schmeicheln deine Brandungsinseln,
mich so prickelnd heiß und leicht verführt,
dein Gesang vom Meeresgrund Sirenen kürt.



Bildergalerie EUS-4 (152 Fotos, bitte Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
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#1380309 - 25.03.19 19:45 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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EUS-5 Flussrouten auf Vias Verdes und einsamen Straßen an rauschenden Wassern: Die atlantischen Regenwälder mit Bidasoa, Urumea, Leitzaran und den Naturparks Pagoeta und Aiako Harria

Nach dem zweiten Küstenkapitel geht es nochmal in die Pyrenäen, hier der westlichst definierbare Teil, ausgeklammert davon der Naturpark Pagoeta, der selbst diese Westgrenze überschreitet, hier aber in die Schleife eingebunden ist.

Di 26.6. Oiartzun (+) – Pikoketa – Col d'Elurretxe/Erlaitz (490/501 m) – Irún – Bera – Vía Verde del Bidasoa – Donestebe – Urrotz – Saldias (~600 m)
78 km | 11,5 km/h | 1085 Hm
Ü: C frei
AE: Ostatua Saldias: Kalbschnitzel, Pommes, Spiegelei; Crème Caramel; Rotwein, Café 12,50 €

Mi 27.6. Saldias – Ezkurru – Puerto de Usateguieta (695 m) – Valle de Rio Urumea – Goizueta – Pagoaga – Hernani – San Sebastián/Donostia – Igeldo (230 m)
82 km | 12,4 km/h | 985 Hm
Ü: C Igeldo 11,80 €
AE (Donostia): Mesón Portaletas: 3 warme Taps; Lammkotelett, Lauchgem., Kart.pürée; Joghurtmousse m. Beeren; Rotwein, Café 26,15 €

Do 28.6. Igeldo – Orio – Puerto de Zudugarai (90 m) – Aia – Puerto de Andazarrate/Arteasu (435 m) – Villabona – Andoain – Via del Trentxiki de Plazaola/Rio Leitzaran – Erreka – Puerto de Urto/(San Antón)/Artaleko (494 m) – Berastegi – Tolosa (+)
94 km | 11,0 km/h | 1330 Hm
Ü: C frei
AE: R Botarri: Schwarze Bonensuppe Tolosa-Art m. Wurst; Ragout, Zwiebelgem.; Rotwein, Café 17,80 €

Wir springen gedanklich zurück ans Meer nach Pasai Donibane am Ende der Jaizkibel-Route und schlagen uns durch ein verkehrsintensives Wirtschaftszentrum wie Errenteria. Radwege sind vorhanden, aber eine schlechte Orientierung. Die Einheimischen kennen Elizalde nicht, auch wenn die Karte einen großen Siedlungsfleck so nennt. Es muss Oiartzun heißen. Oiartzun ist mehr Pendlerort, hat kaum ein Eigenleben, Notration mit ein paar Pintxos in einer der beiden geöffneten Bars (das einzige Restaurant hatte geschlossen). Zur Nacht hin entwickelt sich die Route ungünstig. Ziemlich steile Hanglagen, dichte Waldabschnitte, Weidezäune. Sogar nachts arbeitet ein Straßendienst.

Die Faszination des Naturparks Aiako Harria erschließt sich erst weiter oben, freie Hochweiden geben alpin anmutende Gipfel frei, nach Norden auch mal einen Meerblick. Bekannt sind die Hochwiesen auch für Menhire. Wenige Gehöfte verteilen sich auf das Gebiet, morgens entleeren sich diese, wenn die Kinder zur Schule gefahren werden und Einkäufe erledigt werden. Für den Müßiggänger warten Picknickplätze. Am Parkplatz des höchsten Punktes scheint sogar reger Betrieb, Wanderer packen aus und machen sich auf in die einsamen Wälder und Bergwelten. Eine Hütte mit Informationszentrum liegt zur östlichen Seite, wo die Grenze zwischen abgleitenden dichten Buchenwald und den Hochweiden verläuft – ist aber nicht besetzt.



Die untersten Bereiche des Bahntrassenradwegs Bidasoa sind noch im Bau befindlich – ein europäisch finanziertes Interreg-Projekt (transnationale Projekte zur Förderung ländlicher Räume, habe ich bereits einmal in meinem Karantanien-Bericht erläutert). So sieht man entsprechende Banderolen, wenn man das hässliche Gebiet der Grenzgeschäfte mit ihrem Ramsch-Sortiment hinter sich lässt. Einen Teil des unteren Bidasoa-Tals bis Bera bin ich auf der Straße gefahren, weil mir der Schotter teils zu rumpelig war. Da muss man sich dran gewöhnen, fahrbar ist er aber schon ganz gut. Die ersten Kilometer sind auch wenig besonders, bald aber kommen Felseinschläge und Tunnels, die sich besser vom Radweg erleben lassen. Oberhalb Beras wird die Trasse deutlich schattiger, zur Seite bricht überall Wasser durch, auch kleinere Wasserfälle liefern schöne Motive. Picknickplätze sind eher selten. Für einige Orte sollte man die Spur des Radweges verlassen – allen voran das schon erwähnte Bera, aber auch Sunbilla, dass man zwar scheinbar durchfährt, aber nicht mit Ortskern und dem schönen Ortsbild am Fluss. Wer es noch nicht kennt, möge auch etwas bergig einen Abstecher nach Lesaka einbauen. Auch wenn die Strecke rumpelig ist, ist diese Via Verde relativ alternativlos, weil nur in Teilen eine Straßenalternative zur extrem stark befahrenen N-121A vorhanden ist. Dort macht das Fahren auf längerer Strecke wenig Spaß.



Mit Doneztebe/Santesteban endet hier meine Bidasoa-Strecke, wenngleich der Radweg noch nahe an den Bertiz-Park heranführt und bis Elizondo erweitert werden soll. Bereits mit der Bidasoa-Route zeigt sich eine extreme wasserreiche, teils urwaldartige Waldlandschaft, die hier nahe an den Weg heranrückt. Mit den beiden nächsten Nord-Süd-Flussachsen von Urumea und Leitzaran wird die wilde Vegetation nochmal übertroffen, steigt auch die Einsamkeit an der Strecke. Während das Urumea-Tal sich auf einer normalen Asphaltstraße abgleiten lässt, bildet die Leitzaran eine weitere, weitgehend schottrige Via Verde. Im Gegensatz zur Bidasoa-Route ist die Leitzaran-Route allerdings wesentlich anspruchsvoller, fährt sich deutlich zäher und bildet bei starken Regenfällen weit mehr matschige und klitschige Stellen, auch in Tunnels. Die gesamte Via Verde ab/bis Lekunberri ist besser bekannt als „El Plazaola“, wobei sich meine Route aber auf die Leitzaran-Passage beschränkte, die grob gesehen von Norden gesehen bis Leitza reicht. Im Gegensatz zum Urumea-Tal verläuft die Bahntrasse häufig quer zum Fluss über Brücken, verschwindet in Tunnels. Letztlich scheint mir nicht nur deswegen das Urumea-Tal das wildeste und schönste dieser drei Flussrouten und lässt sich auch noch am leichtesten fahren.



Als Unterkunft und Verpflegung konnte ich den Camping etwa in der Mitte des Urumea-Tals nicht nutzen, blieb zuvor auf der Verbindungsstrecke in dem Bergdorf Saldias stecken. Es sei auch erwähnt, dass unweit von Saldias, die bessere Verpflegung (und Unterkunft) in Ezkurru zu erwarten ist, allerdings liegt dazwischen eine tiefe Talmulde, bevor man wieder neu auf der NA-170 aufsteigt. Diese Verbindung zwischen Doneztebe und Leitza (einst auf der Vuelta Verde gefahren) ist leichter zu nehmen als die Bergdorfroute über Saldias, die sich mehrfach auf und ab bewegt, daher auch abwechslungsreicher zwischen wilden Bergbächen, Wäldern und offenen Weiden pendelt.

Die Flussromantik Urumea mit Mühlen, Stauwehren und Wildgärten im unteren Teil endet recht schlagartig mit Hernani als industrieller Vorposten der Agglomeration San Sebastián. Hingegen ist der Übergang zur Plazaola in Andoain weniger abrupt, zeigt sich die Stadt zwar als größeres Siedlungszentrum, aber weit weniger laut und industriell. Ebenso wie ich unter dunklen Atlantikwolken nach Donostia einfuhr, so läuterte auch der Himmel, als ich die Küste erneut in Orio verließ. Umso mehr wirkte der wenig bekannte Parque Natural de Pagoeta als Regenwald, nach einem Abzweig von einem kleinen Küstenpass kaum befahren, wenngleich sich einige Rennradler auch in die Wetterküche trauten. Die Waldlandschaft ist hier unscheinbarer, weniger spektakulär die Wasserläufe, weniger Urwald. Umso mehr strahlt sie eine oasenhafte Ruhe aus. Mit dem Bergdorf Aia verlässt man bereits den Naturpark wieder und tritt in eine offene Hügellandschaft, die nicht weniger Ruhe verströmt, gebrochen nur von einem großen Schulfest im Talort Arteasu, dessen fröhliches Treiben den tristen Wolken heftig trotzte.

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#1380485 - 26.03.19 23:03 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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EUS-6 Enge Bergtäler & moderne Städte, gefleckte Kühe & nüchterne Fabriken, traditionelle Feste & prähistorische Höhlenkunde: Das gut besiedelte Bergland von Gipuzkoa und der östlichen Bizkaia-Provinz zwischen Tolosa und Urkiola-Naturpark

Fr 29.6. Tolosa (+) – Santutxo – Puerto de Bidania (510 m) – Bidania – Puerto de Irurburu (550 m) – Errezil – Azpeitia – Nuarbe – Embalse de Urtegia – Puerto de Manubia (532 m) – Ormalztegi – via GI-3540 – Alto de Atagoiti (513 m) – Motxorro – Puerto de Udana (515 m) – Oñati – Zubillaga
87 km | 11,5 km/h | 1435 Hm
Ü: C frei
AE: Taberna Zotz: Schnitzel, Pommes, Spiegelei; Flan; Rotwein, Café 16,30 €

Sa 30.6. Zubillaga – via Piste – Embalse de Urkulu (333 m) – Aretxabaleta – Eskuriatza – via GI-627 – Puerto de Arlaban (617/598 m) – Landa – Legutio/Embalse de Urrúnaga – Embalse de Albiña – Puerto de Cruceta (710 m) – Aramaio-Ibarra – Arrasate/Mondragón – Puerto de Kanpazar (457 m) – Elorrio – Nekazalturismo Berriolope
74 km | 11,0 km/h | 1325 Hm
Ü: H Nekazalturismo Berriolope 40 € oFr
AE (dito): verschiedene Kroketten; frittierter Fisch; Milchreis; Rotwein 29,20 €

So 1.7. Nekazalturismo Berriolope – Puerto de Pagatza/Elgueta (475 m) – Elgeta – Bergara – Puerto de Elosua (681 m) – Elosua – Azkoitia – Azpeitia – Zestoa – Ekainberri/Cueva Ekain (Besichtigung >1 h) – Zestoa – Iratea – Alto Meaga (142 m) – Zarautz
73 km | 11,9 km/h | 1130 Hm
B: Cueva Ekainberri 6 €
Ü: Grand C Zarautz 6 €
AE (dito): Muscheln im Zwiebel-Gemüsesud; geb. Fisch, Kart.; Käsekuchen; Cidré, Café 20,30 €

Di 3.7. Camping Galdona – Saturrarán – Mutriku – Kalbarioa (233 m) – N-634/3230/Astigarribia – Mendaro – N-634/GI-3292 – Alto de Elkorritea (188 m) – Lastur – Alto de Azurki/Collado de Madariaga (675/672 m) – Alto de Azkarate (396/410 m) – Elgoibar – 6 – Puerto de San Miguel/Urkaregi (360/367/347 m) – Etxebarria – Alto de Ixua (545 m)
63 km | 10,0 km/h | 1780 Hm
Ü: C frei
AE: H/R Ixua: gefüllte Kroketten; Fischfilets im Sud; Erdbeeren; Roséwein, Café 29,50 €

Mi 4.7. Alto de Ixua – Eibar – Ermua – Mallabia – Osma – Puerto de Trabakua (440 m) – Markina-Xemein – Ondarroa – Lekeitio – via BI-3238 – Ea – Ibarrangelu – Playa de Laga
80 km | 12,9 km/h | 1045 Hm

Rauchende wie nicht rauchende Fabriken und Gewerbeanlagen lassen vermuten, dass wir in einer ernüchternden Region sind, wo starker Verkehr das Radfahren erschwert. Das wäre eine falsche Schlussfolgerung, denn dichte Besiedlung und Industrialisierungserscheinungen sind relativ zur Enge der Bergtäler. Von der vergleichsweise gefällarmen Flusstrecke Leitzaran kommend, sause ich deutlich steiler hinunter nach Tolosa durch ein rauschendes Bergtal, wild sprudelnde Flusskaskaden, engst angelegte Höfe und Gebäude. Das Wassergefälle diente dann Papierfabriken als Betriebsgrundlage, wohl nicht alle sind mehr in Betrieb. Bewegt man sich aus den Städten raus, weicht das Urbane unglaublich schnell der ländlichen Kuhweide oder einem stillen Wald. Eher überrascht es immer wieder aus der Einsamkeit kommend, wie man auf einmal in einem quirligen, zuweilen sehr modernen Zentrum steht, etwa in Elgoibar, Azpeitia oder Arrasate, am auffälligsten in Eibar.



Die urbanen Zonen ziehen sich zuweilen entlang der flacheren Flusszonen. Fährt man quer dazu die Bergrouten, entkommt man recht schnell irgendwelchen Städtebändern und ihren Verkehrsachsen. So liegen etwa Elgoibar und Eibar fast aneinander, doch suchte ich eine Bergstraße nach Etxebarria und eine weitere zurück nach Eibar, sodass ich über zwei Pässe und einsamste Täler zwei urbane Zentren verbinden konnte, der Ixua-Pass dabei sogar einer der Höhepunkte des Kapitels, mit dem Restaurant und Hotel auf der aussichtsreicher Lage wäre es vielleicht eine Krönung gewesen – aber die Aussicht verschlang mal wieder der Wolkennebel.

Um den Anfang der ersten Etappe aus dem nächsten Kapitel hier inhaltlich vor- und einzubeziehen: Der Trabakua-Pass erwies sich trotz Schönheitsmarkierung auf der Karte als einer der langweiligsten Pässe – zu breit ausgebaut, wenig ansprechende Landschaft greifbar am Rande oder im Panorama. Eibar und Ermua bilden fast eine Städteband, das in zwei Provinzen hineinreicht. Es war aber im kleineren Ermua, dass ich in einem recht eher spärlich bestückten Radladen (Agirre Kirulak, überwiegend Rennrad mit Marke Orbea) einen passenden Radschuh fand. Der Ratschenschuh der baskische Marke Spiuk (auch als Radsportsponsor im Land gesehen) überzeugte spontan mit gutem Sitz für schmalen Fuß – nur musste ich auf Größe 42 erhöhen, weil die Spanier wie die Italiener auf kleineren Füßen leben – was sie für mich recht sympathisch macht, die nordischen Hünen mögen mir diese einseitige Südempathie nachsehen.



Springe ich wieder etwas östlicher, sind gleich mehrere Höhepunkte zu finden. Etwa die Fahrt von der Küste weg ab Mutriku, zunächst mit dem kleinen, recht anspruchsvollen Pilgerpass Kalbarioa ob seiner eigenwilligen Felsen vor einer Eselsweide oder den Blick auf den mäandernden Deba. Seit 1850 produziert Saint-Gerons in Mendaro feinste Schokolade im Familienbetrieb, man muss klingeln – kleiner Laden, dekoratives Sortiment – Schokolade als Fisch, lustige Lollis für Kinder, kleine Pralinen-Auswahl. Übrigens dürfen in Spanien keine direkten Einkäufe von Kakaobauern getätigt werden, sodass es anders als in Frankreich oder Deutschland keine länderspezifische Schokolade gibt. Es besteht ein Abnahmegebot von nationalen Schokoladenimporteuren, deren Herkunftsbezug nicht in der Hand der Chocolatiers liegt und nicht nach Herkunftsländern aufgeschlüsselt wird. Das Gesetz ist eher jüngeren Datums, wie mir der Chocolatier erklärte, früher hat man auch in diesem Betrieb durchaus länderspezifische Schokolade verwendet.

Der Chocolatier erzählte mir von einem Rennradprofi aus der Nähe, der sich regelmäßig bei ihm mit Schokolade versorgt, um sich die Kraft für die Beine zu holen. – Na, da war ich ja richtig! Folgt doch eine ebenso schöne wie harte Bergfahrt über Lastur und ein recht großes Picknickplateau – Ausgangspunkt für Wanderungen –, hinüber zum Azkarate-Pass und runter nach Elgoibar, wobei die letzten Teile landschaftlich etwas abfallen gegenüber der Aufstiegsseite.



Das vom Azkarate-Pass liegende Azkoita erreicht man über den herrlich erfrischenden und gewundenen Elosua-Pass, vom dergleichen naheliegenden Azpeitia zweigt eine Stauseeroute mit steilem Waldpass ab (Puerto de Manubia, auf dessen Passhöhe ein nach Süden aussichtsreiches und beliebtes Ausflugslokal liegt). Nicht minder reizvoll, mehr an Alpenlandschaften erinnernd, mit einigen einladenden Bergdörfern, verläuft die Bidania-Passroute von Tolosa nach Azpeitia.

Nehmen wir einmal die beiden Passübergänge zwischen Omaiztegi und Oñati als recht durchschnittlich, so beschreibt meine Route zum Embalse de Urkulu eine recht aufreibende Schotterauffahrt, die lange Zeit harmlos erschien, aber durch eine undurchsichtige Verzweigung vor dem geschlossen Tor des Kraftwerks vom Stausee endete. Ein geöffnetes Tor hätte die Tour erquicklich gemacht, so musste ich eine Verbindung zur weiter oben liegenden matschigen Trailpiste suchen und kostete mich einiges an unnötiger Kraft, wenn der Kraftwerksbetreiber nicht so eigen wären, die Radroute hier zu blocken. Für die Tortur entschädigt das Panorama des Stausees, einer der schönsten in Euskadi. Man kann recht mühelos den See umrunden, zu einer Seite mit einem etwas uferabseitig gelegenen Dorf, das auf der von mir gefahrenen Seite Teil der dekorativen Kulisse vor den Bergen bildet.



Sonntags wird gefeiert, finden Feste statt. Manchmal schon samstags. Welche Feste, blieb mir etwas verborgen. In Eskuriatza war der Auftakt zu einem Musikevent zu sehen, zumindest probte eine offensichtlich professionelle, bläserlastige Mariachi-Gruppe, aus einem anderen Ortswinkel hörte ich Mandinko-Afropop mit Harfenklängen, während Musiker in alltäglichen Zivilklamotten mit Pfeifen und Trommeln durch den Ort zogen. Solche Bläser und Trommler zogen gleich in mehreren Gruppen, dort schon teils uniformiert, in Bergara auf, bildeten schließlich einen Zug, in dessen Zentrum dem ein Ochsenpaar ein Weinfass zog. Weitere Menschen eilten zu einem bestimmten Platz außerhalb des Ortes, meist mit Verpflegungsbehältern in den Händen, andere schienen Teil eines organisierten Sportlaufes zu sein. Während auch Pressefotografen und Teile der Bevölkerung dem Festzug Beachtung schenkten, wirkten wieder andere Bevölkerungsteile recht teilnahmslos und ließen sich von ihrem Gang zum Minimarkt oder einem schlichten Umtrunk in der Cafébar nicht abbringen.

Nach Bergara kommt man übrigens über gleichwohl herrlichen Elgeta-Pass von Elorrio aus. Noch im Blick das manchmal dolomitenähnliche Urkiola-Massiv, eine ebenso reizvolle Kulisse auf der Cruceta-Passroute, auf der man die Provinz Araba mit der Gipuskoa verbindet. Zur nördlichen Seite malen sich mehrere Bergdörfer der Gemeinde Aramaio ein – eine der alpinen Almlandschaft vergleichbarer Flecken mit dezentem touristischem Angebot. Während Arrasate eine her hässliche Stadt verkörpert, in der ich aber mein interessantestes Gespräch mit einheimischer Frau führen konnte, glänzt wenig weiter Elorrio als städtisches Schmuckstück mit historisch bedeutender Architektur aus verschiedenen Epochen, gleichwohl zu erreichen vor der Urkiola-Bergkulisse.



Kehren wir zurück zum Urola-Fluss zwischen Azkoitia und Azpeitia, treffen wir auf mehrere eindrucksvolle sakrale Bauten, allen voran die Santuario de Loyola, eine mächtige Basilica mit Kuppel im Stile des Petersdoms, eingebunden in eine große Parkanlage, anbei mit Pilgerherberge und Devotionalienverkauf. Dem protzigen Glaubensbekenntnis kann man eine äußerlich bescheidene Einrichtung gegenüberstellen, die allerdings weit länger in die Geschichte zurückreicht, nämlich in die prähistorische Menschheitsphase vor 10 000 bis 40 000 Jahren. Bei Zestoa, zu erreichen ab Azpeitia teils auch über einen neuen Radweg, zweigt man kurz in ein Nebental ab. Die Cueva de la Ekain gehört zu den herausragenden Höhlen mit gemalten Tiermotiven, auf dieser Reise ergänzt gegen Ende der Reise durch die Höhle in Isturitz. Die originale Ekain-Höhle kann zwar zum Eingang hin erwandert werden, besichtigen kann man aber nur die Replik in Ekainberri, quasi der originalen Höhle vorgelagert. Dort befindet sich auch ein Museum zur prähistorischen Lebensweise. Die besondere Erkenntnis sind die hochentwickelten Maltechniken mit bereits ausgebufften Farbvarianten, in der Detailtreue von großer Beobachtungsgabe der Künstler geprägt und vergleichbar mit Linienstrichen großer Meister der Neuzeit, etwa Parallelen zu Franz Marc. Exklusivführung für mich als letzter internationaler Gast in englischer Sprache – ein Mix von Kommentaren des Führers und einem Audio-Guide. Wie in Isturitz leider keine Fotos erlaubt (nur im Museum).

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#1380632 - 27.03.19 20:10 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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EUS-7 Südseeinseltraum, verschlungenes Delta, bemalte Bäume, Krieg & Frieden: Die Costa de Vizcaya (Teil 1) zwischen Ondarroa und Mundaka mit dem Parque Natural de Urdaibai

Mi 4.7. Alto de Ixua – Eibar – Ermua – Mallabia – Osma – Puerto de Trabakua (440 m) – Markina-Xemein – Ondarroa – Lekeitio – via BI-3238 – Ea – Ibarrangelu – Playa de Laga
80 km | 12,9 km/h | 1045 Hm
Ü: C frei
AE: R Toki-Alai: Muscheln im Sud, Pommes; Cuajada-Crème m. Walnüssen & Honig; Roséwein 32,80 €

Do 5.7. Playa de Laga – Laida – Camping Arketa – Isla – Zelaieta – Kortezubi – Basondo/Cueva de Santimanine – Oma – Wanderung Bosque Pintado de Oma (ca. 1 h) – Barrio Elejalde/Bi-3242 (~ 205 m) – Gernika-Lumo (Besichtigung Museo de la Paz, ca. 1 h) – Mundaka
43 km | 12,0 km/h | 665 Hm
Ü: C Portuondo 16,35 €
AE (dito, self service R): Hähnchen, Pommes, Pimentos; Cocktail Valecino m. Eis & Orangensaft/-likör; Roséwein 32,60 €

Der Etappenfolge geschuldet, führe ich erst hier die Costa Vasca fort, allerdings bereits in der Provinz Bizkaia, entsprechend daher auch spezieller als Costa de Vizcaya bezeichnet. Nicht gerade gering sind auch hier die besonderen Orte. Das zwang mich sogar dazu, diesen Abschnitt nochmals in zwei Abschnitte aufzuteilen – wäre sonst die Bildergalerie zu umfangreich geworden. Immerhin bietet hier die Ria de Gernika eine recht markante natürliche Grenze für zwei in etwa gleich große Teile. Teil 1 schließt demnach die gesamte Brackwasserbucht mit ein – gleichwohl geschlossen zu beiden Seiten auch Naturpark, Teil 2 beginnt entsprechend wieder an der offenen See in Bermeo.

Schon zu Anfang setzt Ondarroa an der Mündung des Rio Artibai mit einer lang gestreckten Altstadt architektonische und detailverliebte Akzente. Lekeitio verblüfft mit einer weiten Inselbucht, die sich immer wieder aus anderen Perspektiven betrachten lässt und einen an die Südsee denken lässt – nur: Gibt es dort so häufig dunkle Wolken? Die Stichstraße zum Leuchtturm führt zu einem Ausflugslokal mit Meerausblicken, die nicht weniger traumhaft sind. Ea scheint sich eng an ein Bergtal anzuschmiegen, ein schnuckelig kleiner Brückenort – und doch auch ein Hafenort, wenngleich die Bucht nur eine Messerspitze schmal ist. Ohne Ortschaft, aber mit Strandrestaurant, lässt sich an der Playa de Laga der Sonnenuntergang genießen – ein der schönsten Sandstrände, mit angedeuteten Zuckerhutfelsen.



Weitere goldene Sandstrände mit kleinen Fischerhäfen umlagern Ria de Gernika – ganz ohne den Wellengang des offenen Meeres. So findet sich hier kindergerechte Urlaubskultur, mit nicht immer schönen Ferienwohnungen in den Hanglagen, mit je einem Campingplatz zu jeder Seite der Bucht. Das kann den Charme der Natur dieser Bucht aber kaum beeinträchtigen, die sich alsbald in ein vieladriges Flussdelta mit kleinen, sumpfigen Grasinseln verwandelt – nur in der Vogelperspektive als silbrig-grünes Schleifenidyll zu entziffern. Zwar mit großer Aussicht eher nahe der Meerseite, möchte ich den Mundaka-Camping weniger empfehlen, zu eng gepackt fühlt man sich im recht steilen Gelände, nicht unbedingt immer gerade Flächen für den Zelter. Direkt neben dem überteuerten Bedienrestaurant findet sich noch ein Selbstbedienungsrestaurant, auch überteuert, welches einzig die Sättigungsfunktion erfüllt und wenig Appetit auf einen wiederholten Besuch macht.

Schon Ende – nicht mehr? – Oh, doch! – Die Ria de Gernika wird recht großräumig vom Parque Natural de Urdaibai umschlossen. Zwei Attraktionen warten dort in und bei Basondo. Die Cueva Santimamiñe mit prähistorischen Höhlenmalereien war aus diversen technischen Gründen nicht zugänglich, obwohl der Ticketverkäufer noch Rede und Antwort stand. Eine kleine illustrierte Geschichte der prähistorischen Lebensweise lässt sich auf Steintafeln außerhalb im Park anschauen.

Ganz anders braucht es für den Bosque de Oma „El Bosque Pintado“ keine Eintrittsbeschränkungen, ist es doch zunächst einmal nur ein schlichter Kiefernwald. Aus schlicht wird bald bunt. Der Künstler Agustín Ibarrola bemalte bereits in den 1980er Jahren zahlreiche Bäume, Farbe erneuert 1998. Es handelt sich aber nicht um einfach aufgetragene Farbe, sondern um eine Vielzahl von Mustern, die unterschiedlich große Baumgruppen bilden, und die man nur erkennt, wenn man an bestimmten Sichtpunkten in eine eigens dazu markierte Richtung schaut. Die Bedeutung der in recht steilem Gelände zu erwandernden und nummerierten Elementgruppen entnimmt man einer Übersicht, die man bei dem Höhlenticketkiosk erhält. Leider gestaltete sich die Besichtigung mit Fotoapparat etwas schwierig, rieselte doch andauernd die atlantische Wolkensuppe hernieder.



Als Radler hat man hier einen großen Vorteil, weil man nicht nur vom Parkplatz bis zum recht weit entfernten Eingang zum Oma-Wald über sonst für den Allgemeinverkehr gesperrte Straße gelangt, sondern auch die schmale, teils steil ansteigende Fahrbahn noch weiter als Durchgangsverbindung zur BI-3242 fahren kann, auf der man z.B. runter nach Gernika-Lumo gelangt oder weiter die Südecken des Naturparks mit dem Balcon de Bizkaia erkunden kann. (Forumskollege Moarg schwärmte noch nahebei vom Aussichtsberg Oiz – das empfahl sich heute nicht wirklich.) Witterung und Zeitfenster drängten mich zur Abkürzung direkt nach Gernika-Lumo.

Schon der Wald von Oma ist auch eine Begegnung mit Gewalt – Gewalt, die das Maß verloren hat, auch wenn ihr Impuls einmal von Motiven von Gerechtigkeit und dem Kampf gegen Unterdrückung geleitet war. Stellte sich Ibarrola in der Zeit der politischen Neuordnung Europas in den 1950er und 60er Jahren an die Seite der antifrankistischen Kommunisten, wanderte für den baskischen Standpunkt in die Kerker des spanischen Nationalstaates, und wurde gleichwohl von den ETA-Separatisten als Verräter an der baskischen Identität bekämpft, nachdem er sich 1999 unter ¡Basta Ya! zu einem der Wortführer gegen den Terrorkampf der ETA machte. Selbst sein Regenbogenwald – die Farben des friedlichen Miteinanders – wurde Opfer von Borkensabotage und der immer heimatverbunden gebliebene Vaterlandsbaske bekam zwei Leibwächter von der spanischen Zentralmacht zur Seite gestellt. Die Zeitung El País nannte ihn dann auch einmal „den Einzigen, der stehen bleibt“ – das ist eben was Haltung von Rattenfängern unterscheidet, die überall und immer wieder den Planeten verseuchen und stets die werten Werte verraten.





Stehenbleiben, Abscheu des Verbrechens, Atem holen, Haltung zeigen – das durchfährt mich gleichwohl auf der nächsten Ortsbegegnung. Das historische Schicksal der Stadt Gernika scheint in gewisser Weise auch ihr Kapital zu sein, präsentiert doch die Peripherie intakte Gewerbebetriebe und einen modernen Krankenhausbau, wuselt in der Innenstadt eine große Einkaufszone neben vielen historischen Besichtigungspunkten und verzierten Fassaden, die auch Maler anlocken. In der Geschichte der Basken wurde Gernika zum Zentrum der wichtigen Entscheidungen des Volkes, ihrer Freiheit und den Sonderrechten, den Fueros (Foralrecht) – in symbolischer Weise unter einer Eiche getroffen, die nach Ableben stets durch eine neue Eiche ersetzt wurde, die aus den Eicheln der alten erwachsen ist. Einige Eichen überlebten Jahrhunderte, andere verendeten recht schnell. Tragisch für die Geschichte der dritten Eiche, die das faschistische Infernal auf Gernika überlebte, aber später an schlichtem Pilzbefall verendete.



Es war mir ein Anliegen, das dortige Friedensmuseum (Museo de la Paz) zu besuchen. Zwischen den zwei Etagen schweigt eine Kopie des berühmten Gernika-Bildes von Pablo Picasso, das Mahnmal gegen den modernen Krieg. Die spanischen Nationalisten unter Francisco Franco drohten im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39) den beabsichtigen Sturz der demokratischen Rebublikaner zu verwirken. Sie suchten daher die Kollaboration mit den faschistischen Kräften aus Italien und Deutschland. Für die Legion Condor der deutschen Wehrmacht stellte das Bombardement jedoch mehr einen Probelauf für Taktik und Kriegsgerät für den 2. Weltkrieg dar als eine echte „Bruderhilfe“ unter Faschisten. Letztlich wurden Hitler und Franco nie rechte Freunde, ließ Franco sogar Nazi-Verfolgte über Spanien in die Welt ausreisen. Die neu erdachte Kriegsführung der deutschen Faschisten bestand in der Demoralisierung der Menschen durch Bombardierung der Zivilbevölkerung, nicht von strategischen Zielen. Erstmals wurde ein komplett wehrlose Stadt angegriffen. Brücke, Waffenfabrik und sogar die Eiche wurden nicht bombardiert, wohl aber der volle Marktplatz, der gesellige Mittelpunkt des zivilen Lebens. Der Zynismus griff noch weiter, soll doch eine Begründung für den Angriff gewesen sein, dass General Wolfram von Richthofen Hitler ein Geburtstagsgeschenk machen wollte. Ähnliches, fast vergessen, trug sich bereits kurze Zeit zuvor in Durango zu, wurde aber wohl wegen Picassos Gernika-Bild weit weniger bekannt.

Neben der menschenverachtenden Taktik des deutschen Bombenangriffs am 26. April 1937 auf das wehrlose Gernika gehört es zu den neuen Formen des Krieges, systematisch und politisch-strategisch Lügen zu streuen, wie etwa den eigenen Angriff zu leugnen und als inszenierte Brandkatastrophe der antifaschistischen Rebellen zu verkaufen. Doch wer heute schaut, frägt sich, wie das Zurechtbiegen von vermeintlichen Wahrheiten in die freiesten, wohlhabendsten und friedlichsten Gesellschaften ungebremst Einzug halten kann, um genau wieder jenen hasserfüllten Unfrieden zu nähren, der die Welt schon einmal an den Abgrund – die Stunde Null – brachte. Obacht, der spricht von Lüge und es selber tut und Wahrheit leugnet! Achtet die Sprache, die aufrichtige! Und wir sehen uns wieder dort, im Wald der vielen Bäume, auf der Suche, was Haltung bedeutet – bei der Sehnsucht, dass die fragile Borke der Regenbogenfarben halten möge.



Ins Gästebuch trug ich ein paar spontane Worte ein, obwohl innerliche Sprachlosigkeit mich bis in die zittrige Schreibfeder hinein quälte:

Die Stille bringt alles zurück –
das Rauschen des Meeres
das Schreien der Toten
die Scham der Schuld
Wohl doch schön, dass
Gernika lebt und rauscht
– ich gäbe dazu gerne eure Seelen zurück
lasse sie weinen, im Regen der Biskaya
und doch – es wäre so schön
jeden Tag Sonnenschein und laute Lieder
die Geschichte ist Schrei und Gesang
Regen und Sonne – immerzu alles.
Biskaya, auch Du!




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#1380781 - 28.03.19 22:20 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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EUS-8 Steile Klippen, Bergbaulöcher, Ölraffinerien, Belle-Époque-Villen & Jazz-Groove: Ein schwebender Brückenschlag an der Costa de Vizcaya (Teil 2) zwischen Bermeo und Balmaseda mit der Bilbo-Agglomeration

Fr 6.7. Mundaka – Bermeo – Cabo Matxitxako – Alto de San Pelaio (302 m) – Bakio – Alto de Goitosolo (282 m) – Armintza – Elexalde – Plentzia – Barrika – Sopelana – Getxo – via Paseo de la Galea – Azkorri (playa/parking)
69 km | 11,9 km/h | 1245 Hm
Ü: C frei
AE (Getxo): 2 verschiedene Tapas-Bars: Tapas, Bier ~20 €
B: Getxo Jazz (Bilderband, Billy Hart Quartet feat. Joshua Redman) 15 €

Weniger touristisch als die Orte in der Ria de Gernika zeigt sich Bermeo mit geschäftigem Fischereihafen und als historisch bedeutende Stadt am Meer. Zahlreiche Bars und Restaurants laden zum schmackhaften Verweilen ein, Sehenswertes wie ein Kunstgarten, eine Galeere, ein Kreuzgang aus dem 14. Jahrhundert, kühn schmale Treppengänge und Häuser am alten Hafen, die Wellenskulptur an der Hafenmole machen Lust auf viele Entdeckungen. Aufstieg und Fahrt zum Cabo Matxitxako verlaufen teils durch Eukalyptus-Küstenwald. Die Stichstraße zum Kap wird gerade erneuert. Der Leuchtturm eher unspektakulär, aber Meer weit. Mit Mountainbike könnte man Abkürzen, es gibt einen Weg direkt zum Aussichtspunkt Merendero an der Küstenstraße.



Eine Kuriosität besonders für Pilger ist die auf einer Felseninsel isolierte Klosteranlage San Juan de Gaztelugatxe, die gut sichtbar immer wieder von der Küstenstraße zu sehen ist. Man kann hier auch eine Stichstraße abfahren und über die Dammbrücke zum Kloster gelangen, was ich aber ausgelassen habe, derweil nach Teleblick zu urteilen dort auch recht massierte Besuchergruppen zu sehen waren, wie auch Busse am oberen Parkplatz nahelegten. Eher viel Platz findet sich an den immer von diversen Felsblöcken aufgelockerten Strandabschnitten des recht funktionalen Ortes Bakio, da eher nur von Einheimischen besucht.

Nach Westen folgt eine häufig auf und ab führende, verwinkelte Nebenstrecke immer wieder durch Wald, zu Aussichtspunkten oder kleine Stranddörfern, so etwa Armintza mit moosgrünem Flysch- und Geröllstrand. Kurz zuvor quert man die Küstenpassage an einem Gelände wie aus einer anderen Welt vorbei, totes Betongestein und zahlreiche Leitungen. Das Nuklearzentrum war jedoch nie in Betrieb gegangen, die ETA sorgte mit drei Terroranschlägen auf das Gebäude – darunter mit Todesfolge auf den leitenden Ingenieur – für eine solch politisch prekäre wie auch wirtschaftlich desaströse Lage, dass 1984 der Bau endgültig eingestellt wurde. Warum das Werk nicht gänzlich abgetragen wurde und die Bucht nicht für Besiedlung und Strand genutzt wird, entzieht sich meiner Kenntnis.



Mit Armintza beginnt eine weniger küstengebirgige, mehr gedämpfte Hügellandschaft, die auch vermehrt flächige Besiedlung erlaubt und schon im Sog des Großraums Bilbao steht. Das bedeutet jedoch nicht unschöne Verbauung oder fehlende Natur. Bei Plentzia erstreckt sich ebenso eine geschützte Flussdeltalandschaft wie auch der quirlige Ort moderne Architektur mit lebenswerter, auch touristischer Infrastruktur gelungen verbindet. Weil ich schnellstmöglich nach Getxo gelangen wollte, gestaltete sich die geradlinige Route durch Sopelana und Berango eher reizlos, lediglich Barrika überzeugte noch. Diverse Baumaßnahmen machten die Einfahrt nach Getxo etwas schwierig, die Autoorientierung der Straßen beherrscht den Verkehr, auch wenn sich an den Rändern und einigen Cityteilen sichtbare Radinfrastruktur findet.

Diese Radinfrastruktur entfällt insbesondere auf eine Meerroute, die teils als asphaltierter Radweg neben der Straße die letzten Siedlungsabschnitte hin zum Leuchtturm erschließt, später meist als betonierter Küstenwanderweg über den Klippen Spaziergängern, Joggern und Radlern mindestens bis Sopelana einen Weg durch naturgeschützte Küstenvegetation ermöglicht. Diesen Weg bin ich sowohl nachts als auch morgens bis und retour zu einem Parkplatz bei Azkorri gefahren, wo ein erster außerstädtischer Strand zugänglich wird.



Getxo sollte schließlich Etappenziel werden, weil ich dort ein Konzert des Jazzfestivals besuchen wollte, dass gemäß Routenverlauf das einzige der drei großen Jazzfestivals im Baskenland war, welches in meinen Zeitplan passte – San Sebastián und Vitoria-Gasteiz folgen später im Juli. Mit geradezu schweizerischer Uhrenpräzision erreichte ich genau 20 Minuten vor Konzertbeginn den Ticketkiosk, anbei einem Hallenzelt, also nicht Open Air, sondern nur zu einer Seite offen. Die Festivalbühne ist zentral gelegen inmitten der Treffpunktmeile mit zahlreichen Pintxo-Bars umher, sodass ich sowohl noch vor dem Konzert, als auch gegen Mitternacht zu ein paar Genusshäppchen kam.

Gemessen an einigen Locations vergangener Konzertevents, die ich auf Radreisen besucht habe, ist das Ambiente weniger romantisch angelegt, aber gut organisiert und weniger trubelig als etwa das vorjährige Nizza-Jazzfestival mit dem Desaster überambitionierter Ordner. Das Fotografieren war also diesmal kein Problem, wenn man mal von Eigenheiten der Musiker absieht wie der emotionslos dreinblickende Pianist Ethan Iverson und der in den Ansagen durchaus humorige Bandleader Billy Hart, der sich aber beim Spiel recht tief hinter den Becken und Trommeln verschanzte. Ungeachtet fotogener Details war die Performance erste Sahne. Was Iverson, Hart und Bassist Ben Street an spielierischen und rhyhtmischen Delikatessen darreichten, vermochte der gefeaturte Tenorist Joshua Redman zu einem erdigen Jazzgericht weiter anzurühren, dass die Membranen der Hörmuscheln ebenso zischen und pulsieren ließ, energetisch in alle Ecken hineinimprovierte, nicht ohne feinsinnige Harmonie- und Melodiebögen zu spannen, die ausgetüftelt dynamischen offbeat spirits folgten – Bauch und Intellekt mitreißend verbinden konnten. Ein nicht unerheblicher Teil des Konzerts ist online, leider in eher magerer Soundqualität: Billy Hart Quartet feat. Joshua Redman at Getxo Jazz Festival (36:22 min.).



Etwas zu wenig frische Ideen für einen mitreißenden dirty sound brachte die Vorgruppe Bilderband aus Mannheim, die an dem recht renommierten Nachwuchswettbewerb des Festivals teilnahm. Manche Free-Einlagen wirkten zu abgegriffen und berechnet. Sie spielten schöne Themen mit gelungenem Interplay, sehr hörenswert, aber dürfte da und dort etwas mehr modernen Pfiff haben, eine Spur zu konservativ – Potenzial ist vorhanden. Wie im Nachhinein erfahren, konnte sich Bilderband nicht unter den drei Siegerbands platzieren, vielleicht sahen es die Juroren ähnlich wie ich. Der Auftritt ist sogar komplett online: Bilderband at Getxo Jazz Festival (49:13 min.).

Sa 7.7. Azkorri (playa/parking) – via Paseo de la Galea – Getxo – Las Arenas || Puente de Vizcaya || Portugalete – Trapagaran – Alto de la Reineta (403 m) – La Arboleda/Zugaztieta – Ortuella – Muskiz – Sopuerta – Alto de Avellaneda (261 m) – Balmaseda
63 km | 10,2 km/h | 1130 Hm
Ü: C frei
AE: R Los Gelemos: Entreôte, Pommes, Pimentos; Crèmekuchen; Lambrusco, Café 19,30 €

Getxo selbst hat zwei Stadtstrände, der nördliche, ziemlich von der höher liegenden Stadt abgetrennte ist dabei weniger belagert. Mehrere Stadtteile verteilen sich auf Ober- und Unterstadt, die auch durch einen (kostenpflichtigen) Fahrstuhl verbunden sind. Die oberhalb der Promenade verlaufenden Höhensäume bilden die Kulisse mit vornehmen Bürgervillen, von denen einige im Stadtteil Las Arenas schlossartige Türmchen tragen. Ebenso Höhepunkt wie Abschluss der baskischen Küstenfahrten bildet die Puente Colgante/Puente de Vizcaya, jene eifelturmähnliche Stahlkonstruktion der Schwebefähre zwischen Getxo/Las Arenas und Portugalete, die längst zum UNESCO-Kulturerbe erhoben wurde. 2008 hatte ich bereits zur Gegenseite gestanden, diesmal bin auch übergefahren, dort gleich ein traditioneller Festaufmarsch stattfand wie auch einige Adrenalinsüchtige mit Bungee-Jumping den Fährbetrieb etwas aufhielten.



Noch lange das Panorama auf die Bilbo-Agglomeration im Blick, steigt man nicht ohne Wadenbeißerqualitäten nach La Arboleda auf, eine alte Bergbauregion, deren Erdeinbrüche eine Reihe von Seen gebildet haben und heute als Erholungsgelände mit Freiluftkunstwerken dient. Passend zum Picknickplatz gibt es dann auch eine überdimensionierte Gabel aus Stahl. Zusammen mit schroffen Felszapfen hat sich eine sehr attraktive Landschaft entwickelt. In La Arboleda wurde gleich noch die Vorbereitung für ein Radrennen getroffen. Fährt man nach Muskiz ab, muss man eine teils sehr hässliche und rauchige Industrielandschaft ertragen, eine alternative höher liegende Route war weder ausgewiesen noch ließ sich diese erfragen, existiert aber laut GoogleMaps.

Mit Muskiz endet die direkte Anbindung an die Costa de Vizcaya und die Kette der Raffinerieanlagen am Meer, wie es dann nur noch wenige Kilometer bis nach Kantabrien wären. Noch bis Artziniega beherrschen dicht wuchernde Flusstäler das Küstenhinterland, hier in der letzten Etappe nach Balmaseda ab Muskiz anfangs auch über einen Bahntrassenradweg radelbar, der allerdings stark bremsende, wechselnde Beläge aufweist – da helfen die Investitionen in dekorative Holzbrücken wenig (daher nicht gefahren). Nach mehreren Hügeln wartet als kleinstädtische Perle Balmaseda mit einer alten Steinbogenbrücke, deren Torturm einst als Zollgrenze diente – ich kam heuer frei rüber. Mit der unmittelbar am Fluss liegenden Häuserfront schält sich ein märchenhaftes Ortsbild heraus, nochmal in gemalter Form auf einer Mauer abgebildet und somit ein gelungener Brückenschlag zum nächsten Kapitel.

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#1380927 - 29.03.19 21:25 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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EUS-9 Im Zeichen von Eiche und Fels – Schluchten, Tafelberge und Wasserfälle: Der Südwesten mit Blick über die Grenzen zwischen Balmaseda und Ebro mit Parque Natural de Gorbeia und Parque Natural Valderejo

Die Grenze zwischen den Provinzen Bizkaia und Araba verläuft mitten durch den Naturpark Gorbeia (Gorbea) über die gleichnamige höchste Erhebung mit 1481 m, zugleich einer der höchsten Berge des gesamten Euskadi. Als einer der Signalberge diente er einst zur Übermittlung von Entscheidungen der Volksräte durch Feuer- und Hornsignale. Weiterhin grenzt Bizkaia im Westen nicht nur an die Region Kantabrien an, sondern auch bereits an Kastilien-León. Während ich den „kantabrischen“ Zipfel samt einer kantabrischen Exklave komplett ausgelassen habe, reichen die Etappen in diesem Kapitel immer wieder mal in die Nachbarregion, genauer in die recht große Provinz Burgos, insbesondere mit der beeindruckenden Purón-Schlucht als Teil des grenzüberschreitenden Naturparks Valderejo. Sodann erreicht das Kapitel den Südrand von Euskadi in der Provinz Araba am Ebro, der dort auf einer längeren Strecke die Grenze des Baskenlandes bildet.

So 8.7. Balmaseda – Puerto de los Heros (372 m) – Artziniega – Alto de la Horquilla (~565 m) – Encima-Angulo – Cozuela – Martijana/Cascada de Peñaladros – Añes – ? (~660 m) – Salmantón – Embalse de Maroño – Izoria – Amurrio – Berganza Auzoa – Zubiaur/Orozko – Ibarra – Urigoiti (440 m) – Ibarra
82 km | 11,1 km/h | 1640 Hm
Ü: C frei
AE: SV

Mo 9.7. Ibarra – Alto de Bikotx Gane (565 m) – Elejabietia/Artea – Igorre – Ugarana – Alto de Lamindao (378/380m) – Areatza – Plaza – Undurraga – Ipiñaburu – Hvmedal Saldropo (~635 m) – Puerto de Barazar (604 m) – Ubide – N-240/A-3608 – Etxaguen – Gopegui – A-3608/N-622 – Zaitegui – Puerto de Ayurdín/Airdin (680m) – Murguia – Sarria – Centro del Parque Natural de Gorbeia
82 km | 11,1 km/h | 1615 Hm
Ü: C frei
AE (Murguia, H/R): Iberisches Schwein gebacken, Kart.mousse, Saucenvar., Kart. extra; bask. Toast; Rotwein, Café m. Eis 31 €

Di 10.7. Centro del Parque Natural de Gorbeia – exc. Pista Forestal Kalea – Centro del Parque Natural de Gorbeia – Sarria – Murguia – Cascada de Gujuli/Rio Altube – Alto de la Barrerilla (645 m) – Orduña – Puerto de Orduña (900 m) – Monte Santiago/Mirador Canon del Nervion
49 km | 10,8 km/h | 940 Hm
Ü: C frei
AE: SV

Die entsprechenden Landschaftsveränderungen wachsen mit der Küstenferne, markant bereits auf der Strecke von Artziniega nach Cozuela, wo ein eindrucksvoller, allerdings schwer zugänglicher Wasserfall zu finden ist. Zuvor steigt man in eine Felsorgellandschaft auf, die einen in Richtung Burgos noch länger begleiten würde, während der Weg zum Wasserfall in einer scharfen Schleife hinunter in den Gebirgskessel abtaucht und zurück nach Euskadi führt. Auf dem weiteren Weg zum Marono-Stausee und Amurrio kann man über eine Piste den Weg deutlich geradliniger und kürzer gestalten, muss dabei aber eine unsäglich steile Rampe überbrücken – der Pistenzustand sonst ordentlich.



Dass die Eiche als Symbol der baskischen Identität und Unabhängigkeit gilt, mag aufgrund der großen Buchenwälder im Osten, insbesondere in Navarra, zunächst nicht einleuchten. Die Eiche aber ist der beherrschende Baum der östlichen bzw. südöstlichen Gebirge – Arcena (Valderejo) und Gorbeia – wenngleich auch dort die Buche jeweils einen Platz hat. Die ausgedehntesten Eichenwälder mit den archaischsten Baumskulpturen finden sich aber in Gorbeia, gleichwohl die Eiche Symbol dieses Naturparks ist. Die Schönheit des Parks ist eher eine schlichte, eher eine, die per Wanderstiefel entdeckt werden sollte. Gewiss schiebt sich auch ein leicht dolomitenähnliches Gebirgsmassiv besonders im Norden bei Ibarra bzw. Urigoiti ins Auge, jedoch ist die Bergwelt seltener im Auge des Radlers, wenn man den Park auf den Straßen umrundet.



Auch die Versorgung will bei einem Besuch des Gorbeia-Parks gut durchdacht sein, etwa bieten Ibarra und der exponierte Bergweiler Urigoiti bis auf ein reservierungspflichtiges Ferienhaus weder Laden noch Gastbetriebe. Murguia hingegen – auch als Pilgerort durchlaufen – konnte zumindest mit einer kulinarischen Kreation des Restaurants überzeugen – im Ofen gegartes Iberisches Schwein mit Kartoffelmousse, zarte Gaumenverführung, gelungen zubereitet.

Die schönsten Impressionen ab Straße hat man dabei auf der Nordrandroute zwischen Orozko und dem Pass Bikotx Gane, während die Südtangente schon abseits durch eher trockene Feldhügel verläuft und die beiden Nord-Süd-Radrouten durch die dichte Bewaldung die Perspektiven recht stark einschränken. Die N-240 mit einer hässlichen Passhöhe sollte man aufwärts meiden, weil von Schwerlastverkehr geprägt. Dazu gibt es eine Alternative über Udurraga (Stausee) und dann teils recht steilem Aufstieg über einige Bergweiler und schließlich über eine Waldpiste mit Schotter- und Asphaltteilen zum Puerto de Barazar, wo man entweder über die N-240 sanft abgleitet oder zuvor bereits noch weiter auf Schotterradpiste ins hübsche Kleinod Ubide gelangen kann (ebenso an der N-240). Die einsame, weitgehend schwere Alternative ist allerdings nicht sehr aussichtsreich. Noch andere Alternative wäre zu finden über das Induse-Tal ab Igorre, wo ich den unteren Teil angefahren bin. Dieses Tal entwickelt sich als eindrucksvolles Gebirgstal, dessen alpine Berge allerdings bereits zum Urkiola-Massiv gehören.



Schließlich lässt sich der erfrischende Eichenwald Gorbeia mit mehreren auch als Badestellen nutzbaren Kaskadenbecken am besten aus Süden erleben, indem man die Stichstraße zum Naturparkzentrum ab Murguia bzw. Sarria einfährt. Dort ist zwar kein Campingplatz, aber Wohnmobilisten übernachten ebenso auf dem groß angelegten Parkplatz wie die umliegende Wiese nebst Kinderspielplatz gut zum Zelten geeignet ist. Öffentliche, sauber gehaltene Toiletten werden über Nacht zwar abgeriegelt, aber morgens bereits vor offizieller Öffnung des Infozentrums aufgeschlossen. Die für Autos gesperrte weiterführende Forstpiste darf beradelt werden, wobei ich es bei einer Weidewiese mit Badestelle am Fuße des steilen Anstiegs belassen habe, wo eine Fortsetzung mit gewöhnlichem Reiserad nicht zu empfehlen ist – weniger geübte junge MTBer ohne Gepäck gaben noch schneller auf als ich.

Nach dem berauschenden wie erholsamen Aufenthalt in Gumpe und Eichenwald und nach Querung der Verkehrskreuze wird der Blick noch einmal zurück auf den Gorbea-Park gelenkt. Der Wasserfall Gujuli/Goiuri an einem der beiden Quellflüsse des Altube, bildet seinen Schweif vor dem Hintergrund einer breiten Abbruchkante, die sich von einem gegenüberliegenden schön eingerichteten Aussichtspunkt einsehen lässt. Ähnlich wie später die Cascade del Nervión droht der Strahl schnell auszutrocknen, hier noch dünn rieselnd, am Nervión ganz ohne Wasser. Dort ist allerdings der Talschluss der Schlucht, in dem sich der Wasserfall befindet, nochmal dramatischer, die Aussichtsplattform schwindelerregend kühn über dem Abgrund. Zum Nervión-Aussichtspunkt gelangt man abseits der Straße über eine Stichpiste, das Schutzgebiet hier überwiegend von Weidetieren bevölkert. An der Strecke liegen bei einem Informationszentrum eine Karstquelle wie auch die Ruinen eines alten Klosters.



Zwischen den beiden Wasserfall-Canyons liegt die recht ansprechende Kleinstadt Orduña mit Arkadengängen, historischen Gemäuern und Störchen als urbane Dachbewohner. Mit dem Puerto Orduña hat man schließlich noch einen ziemlich anspruchsvollen Pass zu bewältigen, der immer wieder eindrucksvolle Panoramablicke auf die Felspalisaden in der Ferne erlaubt, darunter auch der Nervión-Canyon.

Mi 11.7. Mirador Canon del Nervión – Berberana – Villanañe – Villanueva de Villanañe – San Zadornil – Villafria de San Zadornil (~915 m) – Puerta de Valderejo – via Piste – Ribera – via Piste/Trail – Desfiladero del Rio Purón – Herrán – Barcina del Barco – Sobrón – A-2122/A-2625 – Espejo – Gesaltza Añana
83 km | 12,0 km/h | 880 Hm
Ü: C frei
AE: Kart.tortilla, Bier, Café 7,30 € + SV

Man durchschneidet jetzt eine Hochebene mit gleißend goldenen, schattenlosen Weizenfeldern, am Horizont aufziehend Tafelberge oder langgestreckte Felsflossen. Mal eine verfallene Burg, im sonst recht bescheidenen Villanaña besteht sogar die Möglichkeit, einen historisch bedeutsamen und gut erhaltenen Palast zu besichtigen, der indes von quakenden Fröschen im Burggraben bewacht wird.



Für den nächsten Naturpark Valderejo gibt es zwar einige ausgewiesene Montainbikerouten, doch ist der attraktivste Kern, die Schlucht Purón, nicht mit Fahrrad passierbar. Dass ich diese Schlucht mit Reiserad gequert habe, möchte ich ausdrücklich als waghalsig bezeichnen und sei nicht zur Nachahmung empfohlen! Nicht zuletzt habe ich mich einmal etwas verhoben und über eine Woche Rückenproblem verdaut. Bei weniger geübten Hebebewegungen kann man sich hier auch Wirbel ausrenken oder beim Balancieren über Felsen abrutschen. Selbst abmontierte Taschen sind nur eine bedingte Alternative. Grundsätzlich ist die Passage der Purón-Schlucht auch nicht für MTBer vorgesehen und nach Rückfrage der Touristinfo in Villanueva de Villanaña mit dem Infozentrum in Lalastra sind wohl auch Teile, etwa für die Strecke Lalastra zu dem verlassenen Ruinendorf Ribeira (gleichzeitig nördlicher Ausgangspunkt der Purón-Schlucht) nicht für Radgruppen erlaubt, Einzelradler werden geduldet. Grundsätzlich besteht allerdings Verwirrung nicht nur über die Nutzung der Wege, sondern über das Wegenetz selbst, weil es offenbar keine Karten gibt, auf denen alle Fahr- und Wanderwege eingetragen sind. Es macht also Sinn, mit kundigen Leuten vor Ort Rücksprache zu nehmen.

Die Dame vom „Grünen Zentrum“ in San Zadornil – eine sehr nette und gesprächige Mitarbeiterin im Naturinfozentrum des Parks zu kastilischer Seite (auch Leihräder inkl. E-Bike verfügbar) – hatte mich ermutigt, es zu versuchen, ist doch der Weg durch die Purón-Schlucht eine erhebliche Abkürzung und einzige Möglichkeit das Arcena-Massiv in Richtung Ebro zu queren, ohne große Umwege durch die Provinz Burgos einzubauen. Die Dame hatte allerdings nicht mein Reiserad gesehen. Letztendlich bin ich froh, die Passage genommen zu haben, ist die Purón-Schlucht doch ein eindrucksvolles Erlebnis. Andererseits würde ich den Trip nicht ein zweites Mal machen.



Wer in der Gegend MTB-Touren möglichst ohne Gepäck machen möchte, findet als Basis auch einen Camping bei Villanaña, gleichwohl über Bike-Kompetenz und -Verleih verfügend (habe ich allerdings nicht besucht). Wanderungen sind am besten von Lalastra aus zu führen, weil dort auch Unterkunft und Verpflegung zu finden sein sollen, von anderen Orten aus braucht man das Rad zumindest noch zur Anfahrt an die Basispunkte. Meiner Ansicht nach ist ggf. sogar eine Anfahrt von Süden (Herrán) für die Wanderoption die beste Lösung. Dass man nicht unbedingt eine umfassende, einheitliche Auskunft und Übersicht bekommt, hat auch damit zu tun, dass mitten durch die Purón-Schlucht die Grenze von Euskadi verläuft, nur Lalastra und Villanueva de Villanaña sind baskisch, San Zadornil und Herrán gehören hingegen zu Kastilien-León.

Hat man den Ebro erreicht, entwickelt sich an einem langestreckten Stausee eine immer dramatischer werdende Schlucht. Baskisch ist hier nur das Nordufer der Ebro-Schlucht, also auch die Straße ab Barcina del Barco. Einzig an der ersten großen Staumauer in Sobron gibt es Hotel und Gasthof, welchen ich sträflich ausgeschlagen hatte, deutete sich allerdings auch ein Moskitobiotop an, dem ich in der Nacht nicht ausgesetzt sein wollte.

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#1381032 - 30.03.19 20:44 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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EUS-10 Salinenterrassen, Hauptstadteleganz, Weingutland und Regenbogen: Von Gesaltza-Añana über Vitoria-Gasteiz durch Rioja Alavesa und den Izki-Naturpark nach Salvatierra

Do 12.7. Gesaltza Añana – Alto de Montevedado/La Tejera (744 m) – Pobes – via Nebenpiste zur A-1/A-3302 – A-4102/4164/4163 (Nebenstraße zur N-102) – Vitoria-Gasteiz – Puerto de Vitoria (758/778 m) – Armentia – Urizaharra – Puerto de Herrera (1104 m) – Laguardia – Elvillar (+)
100 km | 11,8 km/h | 1710 Hm
Ü: C frei
AE (Laguardia): Bodegas Mayor de Migueloa: Kart./Wurst-Auflauf à la Rojana; Lammkotelett, Pommes, Paprikagem.; Cuajada; Rotwein, Café 29,60 €

Fr 13.7. Elvillar (+) – Kripan – Meano – Puerto de Bernedo/Alto de la Aldea (992/990/1000 m) – Bernedo – Quintana – Corres – Arraia-Maeztu – Puerto de Azáceta/Azazeta (887 m) – Eguileta – Adana – Salvatierra-Agurain
78 km | 10,9 km/h | 1240 Hm
Ü: C frei
AE: Cannelloni; Hähnchenschenkel, Pommes, Salat; Cuajada; Rotwein, Café 12,25 €

Selbst in der Salzstadt Gesaltza-Añana – immerhin tagsüber ein Spa-Bereich zu besuchen wie auch Führungen durch die eindrucksvoll am Berg liegenden terrassenartig gestapelten Salzstöcke – waren nicht mehr als ein paar fade Kartoffeltortillas als Snackzugabe zum Bier zu bekommen. Irgendwie erscheinen die ländlichen Flächen zwischen Hauptstadt und Rioja-Land wie ein verarmtes Nirvana zwischen zwei Wohlstandszonen. Ein wenig verzerrt ist diese Ansicht, denn kleinbürgerliche Besiedlung ist zu finden und der Pendlergürtel von Vitoria-Gasteiz offenbar hier weit gezogen, ohne dass es optisch ins Auge fällt.



Ich war ob meiner leicht wackelnden Kurbel etwas verunsichert. Schon meine Exkursion nach Igorre, mit der ich meine Gorbea-Runde unterbrach, sollte Abhilfe schaffen. Ein Minimarktbetreiber in Artea meinte eine Radwerkstatt in Igorre zu kennen. Der Laden erwies sich aber als Werkstatt für Sägemaschinen und Rasenmäher und ehrlicherweise weigerte sich der Monteur, am edlen Rad Hand anzulegen. Noch am selben Tag hätte ich gleichwohl Vitoria ansteuern können, wenn ich die nun hinterliegende Südwestschleife verschoben hätte. Dafür war mir der Defekt aber nicht ernst genug. Dennoch wollte ich nun die ausgesuchte Zaldiaran-Passroute nach Vitoria auslassen, um den schnellsten Weg zu fahren, um den eventuell längeren Werkstattaufenthalt auszugleichen. Die trübe Witterung erleichterte diese Entscheidung. Aber die angeblich schnellste Route ward doch mühseliger, die Anfahrt nach Vitoria nerviger, der Werkstattbesuch kurzweiliger als gedacht, sodass die Zaldiaran-Route vielleicht klüger gewesen wäre zu fahren, auch kaum mehr Zeit beansprucht haben dürfte.

Die zur Einfahrt nach Vitoria offenstehende Straße und in Teilen Piste schleicht meist parallel zur radfahrverbotenen Schnellstraße bzw. Autobahn, ist jedoch nicht ausgeschildert. Begleitet wird die Fahrt über die Hochebene von sich weit ausbreitenden Gewerbeparks neben horizontsprengenden Weizenfeldern – nicht gerade ein Schaufenster der Schönheit, mehr ein Zeugnis autogerechter Gewerbekultur. Das beißt sich ein wenig mit Vitoria-City, einer durchaus fahrradfreundlichen und lebenswerten Stadt, besonders in den modernen und sehr aufgeräumt wirkenden Wohngebieten, derweil in der City auch mal eine Luftpumpe kostenlos zur Verfügung steht.



Nach einem ersten Fehlversuch in einem Rennradladen (wollte mich auf eine Reparatur am nächsten Tag vertrösten), löste der zweite Radhändler mein Kurbelproblem mit wenigen Schraubgriffen und gleich kostenlos. Der freundliche und kompetente Mechaniker von Green City Cycles verwies darauf, dass Vitoria eine typische Stadt für Alltagsradler wäre, weniger für Rennradler. So wäre jede Stadt im Baskenland auch im Profil der Radläden etwas anders, so auch sein Sortiment mehr an City- und Tourenradlern orientiert sei, Schwerpunkt sei die Marke Kalkhoff, auch velotraum war ihm ein Begriff von einem Händler in Pamplona. Kinderräder- und -hänger gehören ebenso zum Sortiment wie E-Bikes, beim Zubehör liegt u.a. Vaude und Ortlieb vor. Der Radhändler gestand dann auch noch, dass ihn eine Radreise in Deutschland, im Besonderen im Schwarzwald reizen würde.

Vitoria zeigte sich als edle Einkaufsmetropole und lebenswerte Business-City, nicht aber ohne zahlreiche Sehenswürdigkeiten, Museen und viel Kultur. Breite Fußgängerzonen, farbige Fassaden, weiträumige Parks und geben hier viel Raum für Freizeit und Genuss im Spiegel einer geschäftigen Wohlhabenheit. Viele Lokalitäten laden zum Schlemmen beim Plausch oder zum Schauen ein. Dem Jazz Festival zollt ein Denkmal und ein Hotel Tribut, wird auch vom Tourismusbüro sichtbar als Aushängeschild angekündigt, deutlicher als in Getxo. Einen Abend in der Stadt zu erleben wäre sicherlich reizvoll, wenngleich an der verkehrsträchtigen Einfallstraße liegender Camping mir eher eine ungünstige Basis zu sein scheint.



Hat man nach Süden die Randgebiete Vitorias hinter sich, könnte der Kontrast kaum größer sein. Rar gestreut finden sich kleinste Dörfer mit ärmlicher Infrastruktur, es scheint kein urbanes Umland zu geben. Insofern sind die südlichen Ein- und Ausfahrten über die Montes Vitoria die beste Wahl. Die Pässe hier sind eigentlich selten schwer, durch zahlreiche Auf und Abs kommen dennoch mehr Höhenmeter zusammen als zu vermuten sein mag. Die Pässe Herrera und Bernedo setzen eine landschaftlich ebenso reizvolle wie markante Grenze zur Region Rioja Alavesa, mit weitreichendem Panorama über die Rebenhänge, die in der Ferne in die nur leicht hügelige Ebro-Ebene auslaufen. Rioja – kleine, aber durch seinen Wein weltberühmte südliche Anschlussregion an Euskadi, ist als Weinbaugebiet auch noch Teil der Provinz Álava, einem weitgehend kastilisch geprägten Landstrich, und doch eine weitere, wenig bekannte Facette des Baskenlandes.

Hier ändert sich gleich die Mentalität und das Essen in Restaurants mit festem Tisch und Menü wird zur Regel, Stehkneipen mit Pintxos sind seltener. Zwischen den Rebenhängen fügen sich luxuriöse Bodegas mit Hotel- und Restaurantbetrieb. Ein städtisches Schmuckstück auf einer Hügelerhebung bildet Laguardia mit engen Pflastergassen und zahlreichen Lokalitäten. Eine typische Festungsstadt kastilischer Prägung – lange Zankapfel zwischen Kastilien und Navarra, bevor sie Teil von Euskadi wurde.



Unmittelbar jenseits der Stadtmauern und Wachtürme herrscht wieder tiefe Einsamkeit, kleinste Dörfer, wo allenfalls mal ein Bäckerwagen zur Versorgung hält. Nördlich von Bernedo taucht man wieder mehr in Wald ein und erreicht den Naturpark Izki, dessen Informationszentrum sich erst in Corres befindet. Dort ließe sich mit Rad eine Piste weiter durch den Park nach Antonaña (nahebei ein Wasserfall) fahren, konnte ich aber nicht mehr einbauen, weil ich die Info hier zu spät erhielt. Eine gesicherte, wenngleich nicht üppige Versorgung gibt es jenseits von Laguardia erst wieder in Arraia-Maeztu, quasi die dezente touristische Basis des eher wenig bekannten Izki-Parks.

Die extrem schwüle Luft des Tages ballte sich immer mehr in Gewitterwolken zusammen, die sich zunächst nur leicht entluden, zur Nacht dann aber in Salvatierra in einem lang anhaltenden Wolkenbruch endeten. Auf seltsame Weise reihen sich in Salvatierra zwar zahllose Pintxo-Bars aneinander, die schon wegen eines Musikfestes in den Straßen gut besucht waren, jedoch konnte ich in dieser eigentlich größeren Stadt – quasi im Einzugsbereich von Vitoria – keinerlei Hotel finden, zumindest nicht, nachdem die ausgeschilderte Pilgerherberge nicht öffnete und unter den besonderen Umständen des Wolkenbruchs ich mich nicht mehr durchfragen konnte. So endete meine Nacht(un)ruhe auf etwas skurrile Art unter einem antiken Brückenbogen.

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#1381113 - 31.03.19 21:08 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
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EUS-11 Schau, die Buche, sagt die Eiche – Weidehaine, Hinkelsteine, Geierfelsen, Dorfjuwelen, Blau-azur, Käse-bleich: Durch die Bergwelten Urbasa, Andía, Aizkorri-Aratz, Aralar und das Valle de Ollo nach Puenta la Reina

Dieses letzte Gebietskapitel umfasst eigentlich vier markant unterscheidbare und besuchenswerte Gebirgsregionen, die ich jedoch etwas schneller als erwartet beradelt habe. Während die südlichen Gebirge Urbasa und Andía bereits Teil der Provinz Navarra sind, führen Aizkorri-Aratz und Teile von Aralar noch einmal zurück nach Gipuzkoa. Diese „externe“ Schleife umfasste aber nur einen Tag.

In der Sierra de Urbasa sah ich eine weitere Querung der aparten Fels-, Weide- und Buchenhain-Hochebene zwischen Lizarraga-Pass und dem Urbasa-Camping beim Infozentrum des Parks als redundant an, sodass ich bereits einen Tag früher die Sierra Aizkorri-Aratz erreichte. Das soll nicht heißen, dass man im Urbasa-Park auch einen entspannten Urlaub über eine Woche verbringen kann – die entschleunigte Naturwelt ist gleichwohl vielseitig wie weitläufig. Aizkorri-Aratz sollten entsprechend besohlte Bergfreunde ggf. auch noch zur anderen Seite von Oñati bzw. dem Wallfahrtsort Arantzazu ansteuern, weil die Fahrt über den Basisort Zegama nur wenige Blicke auf das Bergmassiv freigibt und der Zugang hier schwieriger ist.

Eine weitere Kürzung betraf die Aralar-Route über das Kloster San Miguel. Diese als raue Betonpiste unten eröffnende Strecke ist seltsamerweise für Fahrräder gesperrt, nicht aber für Autos. Eine Begründung ist mir nicht bekannt, radelnde „Gesetzesbrecher“ sind bereits im Web belegt, auch Forumskollege Moarg war oben. Mir selbst war diese Sperrung aber einerlei geworden, hatte ich diesen geplanten Exkurs ohnehin aus zeitlichen Gründen von meiner Liste gestrichen, hinzu kam noch eine aufziehende Gewitterfront. Sicherlich wäre hier noch eine sehr felsige Landschaft bei der Auffahrt zu erleben, wie die untere Ansicht des Berges vermuten lässt.



Sa 14.7. Salvatierra-Agurain – Puerto de Opacua/Opakua (1020 m) – Legaire (Parkplatz) – Puerto de Andoin (1010 m) – Barrera de Arrasate – Puerto de Urbasa (927 m) – Mirador del Balcón de Pilatos o de Ubaba – Puerto de Urbasa – Zudaire – Baquedano – Wanderung Nacedero del Urederra (ca. 2 h) – Gollano – Camping Artaza
54 km | 11,7 km/h | 1100 Hm
Ü: C Artaza 11 €
AE (dito): Salat m. Ziegenkäse & Sardellen; Entrecôte, Pommes, Pimentos; Eiscrème; Rotwein, Café 23,10 €

So 15.7. Camping Artaza – Larrión – Estella-Lizarra – Puerto de Lizarraga (1031 m) – Etxarri-Aranatz – Urdiain – Altsasu – Puerto de Ortsaurte/Otzaurte (652 m)
81 km | 12,8 km/h | 1100 Hm
Ü: C frei
AE: Jatetxea Otzaurteko Bénta: Spargel; Lamm vom Rost, Salat; Crème Caramel m. Eis; Rotwein, Café 44,90 €

Urbasa – das sind auf dem Hochplateau meist aufgebrochene Buchenwälder und Bergweiden, angereichert von Eichenbeständen, Kiefern, Dorngewächsen, archaischen Totholzskulpturen, bergblumenreich die Ränder der Haine und Almwiesen verziert und großzügig verteilt Zeugnisse altmenschlicher Besiedlung in Form von Megalithen. Manchmal fühlt man sich an Heidelandschaften aus Gäu oder Schwäbischer Alb erinnert. Andere Teile sind stark von Steinmauern geprägt, mehr felsiger Untergrund, auch Geröll, dann mehr Eichen. Beim Urbasa-Pass hat sich eine riesige Abbruchkante (Balcón de Pilatos) gebildet, die Geiern, Adlern, Falken, Raben und anderen Felsvögeln eine großartige Nistplatzkulisse bietet. Man kann hier die Schotterpistenwege noch weiter ausfahren als ich das getan habe und weitere Aussichtspunkte des Felskessels ansteuern.



Zu beliebten Saison- bzw. Wochenendzeiten herrscht in Teilen größerer Wanderandrang, so etwa zu den Megalithen Legaire, die über den Puerto de Opakua und eine für Autos eingeschränkt nutzbare Hochweidepiste – weitgehend asphaltiert, nur ein kleiner Teil schottrig – zumindest näherungsweise erreichbar ist. Dort finden sich auch ebenso Menhire als einzelne Hinkelsteine wie auch Cromleche (Steinkreise), die sich weit verteilen und der unorthodox dahingetupften Landschaft geometrische Muster verleihen. An dem Fahrweg werden aber auch beliebige Plätze als Ausgangspunkt von Wanderungen genutzt. Hingegen ist zur Gegenseite die Straße vom Urbasa-Pass nur für motorisierte Fahrzeuge mit Genehmigung erlaubt, ein Verstoß mit drakonischen Strafen angekündigt. Die Straße ist unweit des Abzweigs zu den Megalithen mit einer Barriere aus Steinblöcken zudem verstellt, sodass auch das Rad recht mühsam übergehoben werden muss, ohne Taschen abzumontieren geht es nicht. Es ist jedoch mehr als eine Durchfahrtssperre, denn gleichwohl verläuft hier die Grenze zwischen Euskadi und Navarra. Es fehlt zudem an einer durchgehenden Ausschilderung, obwohl das Radfahren erlaubt ist. Verwirrend daher auch eine Verzweigung beim Menhir de Itaida, soweit aber hier die südliche Pistenvarianten ebenso zum Ziel nach Osten geführt hätte – möglicherweise dort auch keine Sperre vorhanden. Der besser besuchte und schönere, westliche alavesische Teil wird auch separat als Sierra de Entzia bezeichnet, alles was westlich der Naturparkgrenze Urbasa liegt, zudem auch als Limitaciones de Améscoa. Alles gehört jedoch geologisch zum Urbasa-Massiv.



Launig wirbelt man die kehrenreiche Südrampe des Urbasa-Passes hinunter (Gefälle trotzdem mäßig) – ähnlich, aber doch anders die Felsorgelkulisse zur Nordseite am Lizarraga-Pass. Die markante Felswand mit dem Balcón de Pilatos zur Südseite des Urbasa-Passes bildet einen tief eingeschnittenen Talschluss mit der Karstquelle des Urederra-Flusses – ein romantischer Wasserfall mit türkis-blauem Naturbecken, allerdings nicht zum Baden erlaubt und recht rigoros abgezäunt, gleichwohl Pilgerort für verliebte Seelen – eher selten einsam, da beliebtes Wanderziel, auch mal für ganze Busladungen. Der nicht ganz kurze Wurzelweg zum blauen Quellbecken ist nur zu Fuß erlaubt, letzte Abstellmöglichkeit für das Rad an einem Picknickplatz unweit des Eingangs mit Drehkreuz und jenseits des Ausgangsortes Baquedano, zuvor auch ein erlaubter Badeplatz unterhalb des Ortes. Uyarra und Urederra bilden gemeinsam das Valle de Améscoa zwischen Puerto Opakua und Estella als südliche Grenze zum Urbasa-Massiv. Weiter nach Süden fällt die Straße recht flach nach Estella ab.

Historisch als Pilgerzentrum zur königlichen Residenzstadt und als mittelalterliches Handelszentrum gewachsen, wirkt die Lizarra auf mich etwas protzig und überbaut, stellen sich die Blicke sehr steil auf zu den Dachkanten in der Altstadt, die modernen Bauten suchen Flucht in steil ansteigenden Seitenhügeln. Andere schätzen die Stadt als architektonische Perle, was wohl auch dem Postkartenblick mit der Römerbrücke geschuldet ist, die ich verfehlte. Auch in der jüngeren Geschichte spielte Estella eine gewichtige Rolle als Versammlungsort (Plaza de los Fueros) und später mit der tragischen Liquidation der Republikaner, mit der die Putschisten ihren schnellen Siegeszug in Navarra zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs einleiteten. Das historische Bewusstsein wird an dem Ort auch durch Fest und Forschung zum Mittelalter aufrecht erhalten, aus den modernen Zeiten ist Radsport ein fester Anker geworden (und zufällig komme ich jenseits der Stadt an den Rand eines offensichtlichen Radsportevents).



Ziemlich verschieden von der Route ab Urbasa-Pass ist die langatmige Auffahrt mit Zwischenhöhen zum Lizarraga-Pass. Dabei ist die Urederra-Route nicht nur schattiger, sondern auch abwechslungsreicher als die offenere und eher flussferne Lizarraga-Route, die erst mit Erreichen des Hochplateaus besondere, aparte Landschaftselemente mit Steinblumen und Flechten entfaltet, die sich nach Osten zum Andía-Massiv hin weiter fortsetzt. Das Andía-Massiv bildet mit Urbasa einen einheitlichen Bergstock, den ich erneut am übernächsten Tag von der Osteite her erreiche. Zur Gegenseite nach Norden besticht am Lizarraga-Pass (zwei Einkehrmöglichkeiten, Schotterpiste auf der Höhe nach Westen denkbar, aber recht rau) nach einem kleinen Tunnel eine weite Aussicht von der Felsabbruchkante des Urbasa-Massivs über das plane Arakil-Tal hinüber zum Aralar-Gebirge, eine Bergwand der Sierra de Andía schiebt sich dabei markant in den Vordergrund.



Hat man bereits jenseits der Urbasa-Runde die verkehrsreiche Talebene (meist auf Nebenstraßen verkehrsarm, neben der Autobahn) durchquert, eröffnet sich jenseits von Altasu (dort schlecht ausgeschildert) eine neue Waldlandschaft – manchmal gar parkartig hinauf zu einem leichten Pass. Die Freude ward heuer eingetrübt vom Aufzug eines komplett durch die Nacht tobenden Hagelgewitters, dem ich aber gerade noch rechtzeitig durch unerwartetes, gutes und beliebtes, aber auch überteuertes Restaurant auf der Passhöhe Otzaurte entkommen konnte. Obwohl nur eine handvoll Häuser, findet sich eine Kapelle mit ausreichend großem überdachten Steinbogenvorhof für eine geschützte Nachtruhe. Indes blieben die Flüsse der Region für zwei Tage braune Sedimentfluten und mancher Baum fand ein geknicktes Ende.

Mo 16.7. Puerto de Ortsaurte/Otzaurte – Zegama – Segura – Idiazabal – Iurre – Olaberria – Lazkao – Ataun-St. Martin – Puerto de Lizarrusti (620 m) – Arbizu – Lakuntza – Uharte-Arakil – Satrustegi – Irurtzun – Errotz – Anoz – Arteta (Salinas)
90 km | 12,8 km/h | 1070 Hm
Ü: C frei
AE: SV

Ganz im Unterschied zur Südostseite entwickelt sich auf der Nordseite des Otzaurte-Passes ein rauschendes, wildes Bergtal, ähnlich enger Schwarzwaldtäler, gegen Zegama mit einer alpinen Bergkulisse aufgewertet, die aber von den Wolken nicht ganz frei gegeben wurde. Das Aizkorri-Massiv, auch Ziel eines bekannten Berglaufs, beherrscht sodann bei guter Sicht den einladenden Bergort. Teils über eine explizite Radroute erreichbar (fortführend bis an die Industrie- und Siedlungsagglomeration Beasin/Idiazabal), hebt sich Segura als mittelalterliche (von der Stadtmauer sind nur noch Tore erhalten) wie pittoreske Perle hervor, mit zahlreichen Infotafeln zu den Gebäuden aus verschiedenen Epochen, zum System der Wasserversorgung und Kanalisation bis hin zu millionenalten Spurenfunden der einstigen Fauna. Einst kaum weniger bedeutend als Estella, versprüht das heute eher verschwiegene Bergörtchen einen besonderen und stillen Charme. Eine Empfehlung.



Die idyllische Berglandschaft wird allmählich durch Industrie, Gewerbe und Verkehrsachsen aufgebrochen, auch hier nur wenig Platz für die Ausdehnung der menschlichen Urbanisation. Idiazabal ist bekannt für seinen Käse, soll auch ein Käsemuseum haben, dass ich aber nicht finden konnte. Die städtische Agglomeration von Beasin kann man recht gut südlich über einen kleinen Querhügel umfahren, in Lazkao mündend – eine dicht gepackte Wohnstadt am Fuße des Aguantza-Tales. Erneut sind es nur wenige Kilometer, die die urbane Übersiedlung von den idyllischen, kaum besiedelten Bergtälern trennt. Ataun und San Gregorio sind noch zwei Bergdorfperlen, bevor sich eine einsame Buchenwaldstrecke durch die Sierra Aralar mit zahlreichen Kurven windet. So ist denn der faszinierende Teil auf den unteren Talabschnitt beschränkt, bleibt doch weiter oben und zur Südseite der recht flache Lizarrusti-Pass eher arm an Aussicht und Abwechslung.



Meidet man die Schnellstraße zwischen Arbizu und Irurtzun (die ich wohl 2008 gefahren bin), ist die Strecke nicht ganz flach, quert man schon mal die Schnellstraße und erklimmt einige abseits liegende Dörfer. Die Fahrt nach Irurtzun mündete schließlich in einem Wettrennen mit einer aus Westen angreifenden Gewitterfront. Dabei verbuchte ich den einzigen sportlichen Erfolg der Reise, blieb ich bei diesem Wettrennen doch unerwartet Sieger! Wahrscheinlich stoppte die Wetterfront noch vor Irurtzun, dass mir aber keine einladenden Avancen machen wollte.

Quasi beginnt damit ein weiterer landschaftlicher Einschnitt, in diesem Fall auch eine Wettergrenze. Obwohl immer noch dem Arakil folgend, schneidet eine Kluse bei Errotz die Talbereiche komplett voneinander ab. Dieser ersten kleinen eindrucksvollen Schlucht folgt noch eine weitere jenseits von Anoz, nunmehr schon im Valle de Ollo, welches zunächst die waldreiche Bindung an einen Bergfluss beschreibt, dann aber über weithin leuchtende Weizenfelder auf ein größeres Felsmassiv, die Ostseite der Sierra de Andía zustrebt. Dort frisst sich auf einer langen Passanfahrt die Straße panoramareich in den Fels und über die Felder.

Di 17.7. Arteta (Salinas) – via Piste – Ulzurrun – Manatial/Nacedero de Arteta – Ulzurrun – Arteta – Puerto de Arteta (820 m) – Goni – Aizpún – Urdánoz – Alto de Guembe (920 m) – Muez – Arizala – Alloz – Lerate/Embalse de Alloz – Irurre – Puerto de Arradia (628 m) – Garisoain – Alto de Guirguillano (725 m) – Artazu – Puente la Reina
92 km | 12,3 km/h | 1645 Hm
Ü: C La Reina 10 €
AE: La Conrada: Schnitzel, Pommes, Spiegelei, Kroketten; Schokotorte m. Eis; Rotwein, Café 21,10 €
ME (Muez): warme Artischocken m. Schinken; Hähnchenfilet, Pommes; Cuajada; Rotwein, Café 12 €

Arteta, zugleich Pass-, Orts- und Flussname, hält zusammen mit der Ulzurrun ein paar Besonderheiten bereit – etwa die frei zugängliche Saline in der Flussaue, über eine Piste ab Arteta erreichbar. Zur anderen Seite ist ab Ulzurrun die Karstquelle des Arteta-Flusses zu finden, ein gewaltiger Wasserschwall entsteht urplötzlich aus einem zuvor dahinplätschernden Bach, der sich zuletzt nur noch fast halsbrecherisch zu Fuß zwischen Felsspalten und auf glitschigem Stein mit weiteren Kaskaden erkunden lässt.



Am Arteta-Pass darf man kaum Verkehr erwarten, umso überraschender, dass 3-4 Busse auffuhren. Die luden in Goni eine Schülergruppe aus, die eine Herberge bezogen, die zu dem einzigen Hotel/Restaurant dort gehört, dass aber für den Normalbürger geschlossen hielt, wie es in dieser Gegend ohnehin kaum etwas Beißbares gibt. So musste ich letztlich unterhalb von Muez die fast einzige Einkehrmöglichkeiten mit einem Mittagsmenü nutzen, weil ich weder Abendessen noch einen Einkaufsladen auf der Strecke jenseits von Irurtzun finden konnte. Verzweifelt versuchte die Dorfjugend von Arteta meinen Missstand freundlich abzumildern, indem sie meine Schokoladenvorräte aufstockte. Ich bedanke mich, wurde aber auch nicht satt davon.

Der Alloz-Stausee setzt sich bereits am Guembe-Pass als blaue Lagune ins Bild. Die Landschaft hier passt schon eher in die Folgeetappe mit seinen zahlreichen Stauseen (vgl. EUS-3). Der See besteht aus einem Unter- und Obersee mit Staumauer dazwischen, Badestellen zu beiden Teilen zu finden, der eigentliche Seetourismus konzentriert sich jedoch am weit größeren Obersee und insbesondere um den Ort Lerate mit einer überschaubaren Zahl von Ferienhäusern und einem Campingplatz. Nicht unwesentlich scheint der Anteil von Tagesgästen zu sein, die zum Baden oder Bootsfahren kommen. Anders ist kaum zu erklären, dass sich keine breitere Ferieninfrastruktur ausgebreitet hat. Das bereits abseitige, herrlich aussichtsreich postierte Irure ist trotz einem Kunstmuseum schon nahezu ein toter Ort, dessen Jugendliche im See die einzige Attraktion vorfinden. Ist der landschaftliche Eindruck zum Guirguillano-Pass hin eher nur durchschnittlich, darf man den Wechsel zu einem dichten Kiefernwald im unteren Teil zur Gegenseite im Arga-Tal als sehr geglückt begrüßen. Alsbald verströmt dann die Brücke von Puente la Reina ein Gefühl von Ankunft und Heimsuchung.

Bildergalerie EUS-11 (146 Fotos, bitte Bild anklicken):



Fortsetzung folgt
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#1381116 - 31.03.19 21:49 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
veloträumer
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EUS-12 Der Kreis des Pirineosaurus – Schluss ohne Ende, aber mit Gedicht

Dass der Bericht ausgerechnet in einem Pilgerort etwas überraschend endet, war eigentlich nicht beabsichtigt. (Wer das Gefühl hat, dass er das faktische Ende der Reise noch nicht gelesen hat, sollte nochmal in EUS-3 und EUS-1 zurückblättern… zwinker) Und doch hat es seinen Sinn, vielleicht nicht einen religiösen. Pirineosaurus – soweit wir ihn hier wieder als Spurenleger für die Reise vermuten möchten – dürfte noch eine ungöttliche Prähistorie erlebt haben. Der Pyrenäenrand und die Biskaya sind in Puente la Reina wieder greifbar, die Demut steigt, die Freude wächst und Tränen trauern gleichwohl dem Abschied entgegen. Anfang und Ende schließen einen Kreis und lösen sich damit auf – Anfang und Ende existieren nicht. Selten enden meine Reisen an dem Ort des Reiseanfangs. Selten war der Kreis so geschlossen, könnte jeder Ort das Ende gewesen sein – oder ein neuer Anfang. Und doch hatte selten ein Ort wie Bayonne so viel symbolische Kraft für den Anfang und das Ende einer Reise – das schokoladenverliebte Kraftzentrum des Radschwungs. Der Kreis ist die geometrisch begrenzte Form, in der der Mensch die einzige Unendlichkeit erfahren kann, die nicht seine Vorstellung sprengt – ungeachtet, dass es unfassbare Endlosigkeit als göttliche Himmelszelte oder n-dimensionale astronomische Räume im galaktischen Universum geben könnte. So zieht daher der Kreis des Rades, den einst Pirineosaurus legte – eine ewige Pilgerreise, das Fahrrad sein schlichter Spiegel.

Es bleibt mehr als eine offene Frage, es warten ewig neue Antworten. Der Weg des Hirten endet nie, auch wenn er sein ganzes Leben am gleichen Fleck zu stehen scheint. Die Schafe auf den Pyrenäenhügeln erscheinen wie eingestopfte Schneeflockensteine auf gewölbten Grünteppichen und doch wandern die Muster in der ihr eigenen zeitvergessenen Langsamkeit. Die wichtigtuerischen Geschwindigkeiten der smarten Kommunikations- und Technikneurosen erscheinen da wie lächerliche Eitelkeiten einer fehlgeeichten Welt, die den Erdencharakter immer mehr in Frage stellt und verachtet. Der Pilger wandert unaufhörlich und doch bleibt der Weg zur Erkenntnis eine stete offene Frage – „The unanswered question“… Alles erscheint als Traum, als nebulöse Wolke, wenn man der Wahrheit näherkommen möchte. So wie der Horizont, der oft zum Greifen nahe und doch nie greifbar ist, weil stets ein neuer Horizont in der Ferne erscheint.

So der Bericht – war er denn nun echt oder erträumt? – hier sein Ende nimmt, facettenreiche Perspektivwechsel eines besonderen Kultur- und Landschaftsraumes sich entblätterten – aber immer auch ein Stück unnahbar und geheimnisvoll sein Charakter, wie die Wolken der Biskaya das Land gerne umnebeln, und wie der Geist von Pirineosaurus selbst zu sein scheint.

Als ich im Herbst durch die heimischen Hügel des Strohgäus streifte, weilte ich auf einer Bank unter milder Sonne, fern von Bäumen, schaute ins Land. Da fiel ein braunes Buchenblatt auf mein Knie, noch gerade konnte ich die Flügel eines großen, unbekannten Vogels entschwinden sehen. Die Blattadern schienen sich auf seltsame Weise zu einer Hieroglyphensprache zu verknäulen. Ich suchte in meinen zerfledderten saurischen Wörterbüchern nach Ähnlichkeiten, die es nicht mal im elkar in Bayonne gibt, und fand doch überrascht den Schlüssel zu den neuen Worten, die vielleicht von Pirineosaurus stammen könnten, so ihr Inhalt zu deuten und die da lauten:





- S C H L U S S -
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Geändert von veloträumer (02.04.19 10:15)
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#1381154 - 01.04.19 07:56 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
Keine Ahnung
Moderator
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Auf diesen Schluss habe ich gewartet - nun werde ich mich in einer ruhigen Stunde (Minuten dürften nicht ausreichen) einmal an die Gesamtlektüre machen zwinker .

Schon einmal jetzt danke für die Mühe!
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1381156 - 01.04.19 08:15 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
Juergen
Moderator
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Lieber Matthias,
es gefällt mir, dass Du ein paar Bilder mehr in deinen Bericht eingeflochten hast. bravo bravo
Allein die Enten auf dem Güterzug in EUS-1 und die Madonna in Biarritz hätte ich noch gezeigt. Zu ihren Füßen verbrachte ich eine windige Nacht im KuFa-Sack 1974 auf meiner ersten Frankreich Tour mit der Dyane.
Weiter bin ich in deinem Bericht noch nicht gekommen. Doch als Amuse-Gueule verspricht alleine der erste Teil ein appetitliches 12-Gang Dinner.

Vielen lieben Dank für diese großartige Speisekarte und einen herzlichen Gruß
Jürgen, der den Track noch nicht ganz kapiert weinend
° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °
Reisen +
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#1381186 - 01.04.19 11:08 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: Juergen]
veloträumer
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In Antwort auf: Juergen

Jürgen, der den Track noch nicht ganz kapiert weinend

Einfach immer Zickzack und gelegentlich im Kreis rum. schmunzel

Die Enten "sitzen" auf einem Tieflader - genau genommen standen zwei Tieflader mit Enten hintereinander. Ich hatte das Bild auch als Vorschlag für den Forumskalender im Auge, fiel aber dann knapp raus. Bei der Madonna wärest du wohl nass geworden, so es zu meiner Zeit gewindet hatte. Ich habe da das "Quartier" auf dem nicht weit entfernten Golfplatz vorgezogen, da war weich und windgeschützt. Die Möwen waren in der Nähe und mir wichtiger als die Madonna. zwinker
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#1383540 - 20.04.19 21:11 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
max saikels
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In Antwort auf: veloträumer
Was Iverson, Hart und Bassist Ben Street an spielierischen und rhyhtmischen Delikatessen darreichten, vermochte der gefeaturte Tenorist Joshua Redman zu einem erdigen Jazzgericht weiter anzurühren, dass die Membranen der Hörmuscheln ebenso zischen und pulsieren ließ, energetisch in alle Ecken hineinimprovierte, nicht ohne feinsinnige Harmonie- und Melodiebögen zu spannen, die ausgetüftelt dynamischen offbeat spirits folgten – Bauch und Intellekt mitreißend verbinden konnten.

Warum muss ich hier bloß an Ernst-Ludwig Petrowsky denken? Achja, der packte auf der Bühne immer gerne Zeitungsartikel (West-Zeitungen, damals gabs die DDR noch) aus und machte sich über die Journalisten lustig, die über seine Konzerte schrieben.
Aber für 15 Oios zu nem Konzert mit Joshua Redman, da wäre ich sofort mitgekommen. Wenn ichs gewusst hätte und wir nicht zwei Monate vorher in der Gegend gewesen wären.
Das Museo de la Paz in Guernica hat mich auch sehr beeindruckt.
Grüße, Stephan
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#1383936 - 24.04.19 18:42 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: max saikels]
veloträumer
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In Antwort auf: max saikels
Aber für 15 Oios zu nem Konzert mit Joshua Redman, da wäre ich sofort mitgekommen. Wenn ichs gewusst hätte und wir nicht zwei Monate vorher in der Gegend gewesen wären.

Wenn man die Reisekosten hinzurechnet, ist es natürlich nicht mehr so günstig wie Stuttgart oder Palatia Jazz etc. zwinker Ich glaube, Heineken Festival in San Sebastián ist deutlich teurer. Getxo hat so einen Insider-Nimbus und gilt eben als Nachwuchsfestival. Die großen Namen haben sich eher "von hinten" angeschlichen, also eher umgedreht zu sonstigen Festivals. Eigentlich hätte ich noch Michel Camilo bevorzugt, der spielte aber am falschen Abend. Joshua Redman war zudem noch aktuelles Titelbild in der Zeitschrift, die für mich nunmehr Geschichte ist. Also auch ein wenig schmerzhaft oder traurig die Geschichte drumrum für mich.
In Antwort auf: max saikels
Das Museo de la Paz in Guernica hat mich auch sehr beeindruckt.

Leider war ich da etwas spät dran, ging quasi mit Türschluss hinaus. Ich hätte sonst noch mit der Kassendame gerne geredet, die schien mir aufgeschlossen für ein Gespräch zu sein. Verpasst habe ich leztlich die originale Eiche in Guernica, weil ich dachte, die hätte da gestanden, wo der Platz mit den vielen Tafeln nebst dem Mahnmal aus Stahl (Agonie des Feuers) war, und es gäbe sie gar nicht mehr. Nach dem Museumsbesuch war ich auch wieder in Eile für den Mundaka-Camping noch zu erreichen und hatte die weiteren Sehenswürdigkeiten gemäß Infotafeln nicht mehr studiert (aber noch Pralinen gekauft).
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#1384189 - 27.04.19 08:28 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
max saikels
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In Antwort auf: veloträumer
Joshua Redman war zudem noch aktuelles Titelbild in der Zeitschrift, die für mich nunmehr Geschichte ist. Also auch ein wenig schmerzhaft oder traurig die Geschichte drumrum für mich.

Achja, ich werd alt. Beim nochmaligen lesen fiel mir ein, dass meine Assoziation auf Dewey Redman ging; liegt vielleicht auch daran, das ich in den letzten Jahrzehnten kaum noch in Jazzkonzerten war. Unabhängig davon wäre ich trotzdem in Getxo gerne dabei gewesen.

In Antwort auf: veloträumer
Leider war ich da etwas spät dran, ging quasi mit Türschluss hinaus. Ich hätte sonst noch mit der Kassendame gerne geredet, die schien mir aufgeschlossen für ein Gespräch zu sein. Verpasst habe ich leztlich die originale Eiche in Guernica, weil ich dachte, die hätte da gestanden, wo der Platz mit den vielen Tafeln nebst dem Mahnmal aus Stahl (Agonie des Feuers) war, und es gäbe sie gar nicht mehr. Nach dem Museumsbesuch war ich auch wieder in Eile für den Mundaka-Camping noch zu erreichen und hatte die weiteren Sehenswürdigkeiten gemäß Infotafeln nicht mehr studiert

Das Personal ist wirklich sehr bemüht darum, dass die Besucher auch was mitnehmen von dem Besuch; ich musste zweimal sagen, dass mein spanisch ausreicht, um die Ausstellungen ohne Infomappe zu besuchen.
Welchen Platz meinst du? Da hab ich wohl was verpasst. Am ersten Tag, als ich allein und per Zug da und im Museum war, bin ich nicht so viel in der Stadt rumgelaufen, weil es wieder zu regnen anfing und ich deshalb nach dem Museumsbesuch noch nach Bermeo rausgefahren bin. Den Park und den Árbol de Guernica hab ich deshalb auch erst am nächsten Tag gefunden, als ich mit meinen Wanderkumpels (einer davon ein Autobesessener) nochmal per Mietwagen dort war.
Grüße, Stephan
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#1384241 - 27.04.19 18:12 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: max saikels]
veloträumer
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In Antwort auf: max saikels
In Antwort auf: veloträumer
Joshua Redman war zudem noch aktuelles Titelbild in der Zeitschrift, die für mich nunmehr Geschichte ist. Also auch ein wenig schmerzhaft oder traurig die Geschichte drumrum für mich.

Achja, ich werd alt. Beim nochmaligen lesen fiel mir ein, dass meine Assoziation auf Dewey Redman ging;..

Das ging mir auch lange so, weil ich mehr mit Dewey Redman und den Projekten mit Don Cherry, Pat Metheny, Keith Jarrett etc. sehr verbunden war. Da ich aber nahe am Jazz war, erlebte ich natürlich auch, wie der Sohnemann zunehmend Bedeutung bekam, wenngleich deutlicher im Mainstream verankert. Ich würde Joshua Redman stilistisch und in Bedeutung heute nahe bei Branford Marsalis einordnen, der bekanntlich auch mal schnell mit seinen Clan-Mitgliedern verwechselt werden könnte.

In Antwort auf: max saikels
In Antwort auf: veloträumer
... Verpasst habe ich leztlich die originale Eiche in Guernica, weil ich dachte, die hätte da gestanden, wo der Platz mit den vielen Tafeln nebst dem Mahnmal aus Stahl (Agonie des Feuers) war, und es gäbe sie gar nicht mehr...

...
Welchen Platz meinst du? Da hab ich wohl was verpasst...

Der kleine Platz (nicht im Altstadtbereich, Kinder spielten Fußball) scheint namenlos, die Straßenadresse ist die "Don Tello Kalea". Am Straßenknick nahe dem Fluss ist das Monument "Agonie des Feuers" und nur wenig weiter die Büste von José de Labauria Porturas, der zur Zeit des Luftangriffs 1937 der Major war. Gemäß GoogleStreetView 2016 sind die restlichen Infosäulen recht neu, denn sie sind da noch nicht zu sehen. Agonie des Feuers habe ich bereits direkt im Beitrag abgebildet, hier noch die drei Bilder des Platzes, die auch in der Galerie sind:







Es sind insgesamt sechs Infosäulen, alle viersprachig, hier in Nahaufnahme die mit allgemeinen Infos zu dem Luftangriff. Die anderen 5 Säulen sind insgesamt 6 Persönlichkeiten gewidmet, die im Rahmen dieser Geschichte ein bedeutetende Rolle gespielt haben. Ich habe auch alle in Nahaufnahme abfotografiert (mit der engl./frz. Seite, die erste Tafel habe ich auch in bask./span.) und die entsprechende Infos also vorliegen. Den Platz kannst du auch gut finden, wenn du die folgende Übersicht verwendest: Gernika-Lumo POIs & Monuments. Dort sind alle Monumente der Stadt mit Kartenlink zu finden, in dem Fall "Agony of Fire" und "Bust of Jose Labauria Porturas".
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#1384248 - 27.04.19 20:28 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
max saikels
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In Antwort auf: veloträumer
Der kleine Platz (nicht im Altstadtbereich, Kinder spielten Fußball) scheint namenlos, die Straßenadresse ist die "Don Tello Kalea". Am Straßenknick nahe dem Fluss ist das Monument "Agonie des Feuers" und nur wenig weiter die Büste von José de Labauria Porturas, der zur Zeit des Luftangriffs 1937 der Major war. Gemäß GoogleStreetView 2016 sind die restlichen Infosäulen recht neu, denn sie sind da noch nicht zu sehen. Agonie des Feuers habe ich bereits direkt im Beitrag abgebildet, hier noch die drei Bilder des Platzes, die auch in der Galerie sind:

Es sind insgesamt sechs Infosäulen, alle viersprachig, hier in Nahaufnahme die mit allgemeinen Infos zu dem Luftangriff. Die anderen 5 Säulen sind insgesamt 6 Persönlichkeiten gewidmet, die im Rahmen dieser Geschichte ein bedeutetende Rolle gespielt haben. Ich habe auch alle in Nahaufnahme abfotografiert (mit der engl./frz. Seite, die erste Tafel habe ich auch in bask./span.) und die entsprechende Infos also vorliegen. Den Platz kannst du auch gut finden, wenn du die folgende Übersicht verwendest: Gernika-Lumo POIs & Monuments. Dort sind alle Monumente der Stadt mit Kartenlink zu finden, in dem Fall "Agony of Fire" und "Bust of Jose Labauria Porturas".


Da hab ich wirklich was verpasst. Danke für die Hinweise und die Bilder; das hier auf der Seite hab ich beim lesen wohl nicht so richtig wahrgenommen. Ich hatte schon danach gegoogelt (in der spanischen wikipedia nichts gefunden), aber mich irgendwie dumm angestellt. Jetzt, beim nachsehen, wo ich letztes jahr rumgelaufen bin, hab ichs dank deines Hinweises auch in OSM gefunden; leider war ich nicht bis da hin gekommen, sondern von der Altstadt aus nur bis kurz davor. Das ist halt der Unterschied, ob man mit dem Rad oder per Zug und zu Fuß in die Stadt kommt und wie gut man sich vorher informiert. Bei mir war nur das Museum gesetzt, alles andere hab ich mehr oder weniger dem Zufall überlassen. Guernica ist jedenfalls nochmal eine Reise wert, vielleicht schaffe ich es dann ja endlich mal mit dem Rad.
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#1384354 - 28.04.19 19:22 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: max saikels]
veloträumer
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In Antwort auf: max saikels
Das ist halt der Unterschied, ob man mit dem Rad oder per Zug und zu Fuß in die Stadt kommt und wie gut man sich vorher informiert. Bei mir war nur das Museum gesetzt, alles andere hab ich mehr oder weniger dem Zufall überlassen.

Bei mir war das auch so. Ich arbeite mich aber gerne mal unorthodox durch die Orte, die ich besichtige, also nicht immer stur zentrale Plaza, sondern auch mal "unattraktive" Winkel drumrum. Ich habe dann oft Motive, die sonst keiner hat, aber meist fehlt dann auch irgendein "must have".

Man kann an Gernika auch mit Rad ganz gut vorbeifahren, ohne es zu merken. Ich bin diesmal eine West-Nord-Knick gefahren und ohne den Willen, in die Stadt hineinzufahren hätte ich auch gleich Richtung Bermeo einschwenken können. 2008 war das auch so ähnlich. Da bin ich Bilbao kommend und weiter Richtung Durango einen West-Nord-Knick gefahren und habe die Stadt gar nicht gesehen. War damals quasi ganz ungebildet diesbezüglich. Aber wie man sieht, kehre ich an solche Plätze gelegentlich zurück, weil das "Unerledigte" irgendwie bei mir doch immer wieder innen anklopft.
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