Einige meiner ersten Radreisen - so ca. vor einigen Jahrzehnten - führten mich nach England, und dort machte ich die Erfahrung, daß wenn ich oder wir am Wegesrand standen, um Reparaturen zu erledigen, jeder, aber auch wirklich jeder Radfahrer, der vorüberkam und uns dort sah, kurz anhielt und fragte, ob wir Hilfe benötigten. Da wir Flickzeug dabei hatten, konnten wir immer dankend ablehnen. Bis auf einmal, als wir im strömenden Regen keine Chance hatten, einen Flicken zu applizieren und zu naiv waren, einen Ersatzschlauch mitzuführen (später hatte ich dann natürlich einen dabei). Da hielt dann ein Autofahrer, der das betroffene Laufrad und mich in sein Haus fuhr, wo ich es gemütlich flicken konnte, bevor er mich wieder zu meinem Freund und den Rädern brachte.
Diese Hilfsbereitschaft hat für mich Maßstäbe gesetzt, und ich neige dazu, Radfahrer anzusprechen, wenn ich sehe, daß sie am Schieben sind, und ich gerade Flickzeug dabeihabe. Insgesamt habe ich aber sicherlich mehr Hilfe erfahren als geleistet. Vor einiger Zeit war ich mit dem Rennrad in landwirschaftlichem Ambiente unterwegs, als mich ein Platter ereilte. Ich hatte nichts dabei! Gerade hatte ich mich damit abgefunden, mich entweder abholen zu lassen oder zu Fuß zur nächtgelegenen Bahnstation durchzuschlagen, da begegnete mir ein radfahrendes Pärchen, das sich nach meinem Problem erkundigte. Sie hatten auch nichts dabei. Jedoch schickte der Mann seine Frau nach Hause, fuhr zum nächsten Fahrradladen, kaufte dort einen Schlauch (wenigstens Geld hatte ich mit), lieh sich Pumpe und Reifenheber und half mir dann, den zu großen Schlauch einzuziehen.
Nennt ihn einen Trottel mit Helfersyndrom, der mich verwöhnte, statt mich meinem wohlverdienten Schicksal zu überlassen. Ich beurteile ihn ganz anders: ein guter Mann. Einer der besten.
Zusammenfassend möchte ich sagen, daß ich hoffe, nie zu denjenigen zu gehören, die das Bedürfnis haben, andere dafür zu bestrafen, daß sie anders sind als ich.