Eigentlich hat mein Velo keinen Namen, weil es hier aber nicht unüblich ist, einen zu vergeben, nenne ich es kurzerhand Maschineli (Schweizerdeutsch für Maschinchen).
Die Geschichte des Maschineli beginnt mit dem Wunsch nach einer gefederten Sattelstütze.
Während den nächsten Monaten machte ich mir viele Gedanken, strampelte deutlich über 1000 Testkilometer mit unterschiedlichsten Velos ab und wartete anschliessend noch fünf Wochen bis ich es in den Händen hielt: KLICK!
Das war letzten Frühling. Seither hat mich das Maschineli beinahe täglich vorwärtsgebracht. Von den aktuell 24'000 km spulte es 15'000 während zwei je zweimonatigen Reisen durch 36 Länder ab: Schweiz->Nordkapp->Schweiz und Dubai->Schweiz. Die längste Tagestour (21h) war gut 400km, die längste Reiseetappe 230 km / 2500 Hm und die Maximalgeschwindigkeit (mit Gepäck) wird bei etwa 90 km/h liegen. Da die Aussicht auf diesem “hohen Lieger” hervorragend ist und mir bisher auch bei mehreren aufeinanderfolgenden “gegen-200-km”-Etappen nie etwas (wirklich) weh getan hat, sagt mir, dass das Maschineli ein für mich sehr gut passendes Reisevelo ist - die vielen Testfahrten haben sich also gelohnt!
Die “Besonderheiten” von Vorne nach Hinten:
Modell: Streetmachine GTe
Klickpedalen, ein Muss. Die Wahl für solche “mit Rand/Bügel” war unnötig, keine Ahnung was ich mir dabei überlegt habe.
155mm Kurbellänge: seither keine Knieprobleme mehr
Licht: Auf dem Arbeitsweg in Wintermonaten unverzichtbar. Auch auf Reisen bin ich schon ein paar Mal nachts gefahren und in (z.B. norwegischen) Tunnel ist es auch ganz praktisch. Es geht auch ohne, wie auf der letzten Reise mit 40-50 Tunnel (siehe Dynamo). Mich stört am Rücklicht beim Wildcampen, dass man es nicht wie vorne “sofort” abschalten kann (Workaround: abdecken).
Neben dem 46er-Kettenblatt (Auslieferungszustand) habe ich mir schon bei der Bestellung ein 33er* montieren lassen, was der Händler eigenartig fand (“das brauchst du sowieso nie”). Die mit dem kleinen Blatt resultierende Entfaltung von 1.2 bis 6.2 Meter erlaubt mir angenehmes Treten von 5 bis 45 km/h - reisetauglich. Das Grosse(=Originale) habe ich nach 8000 km ohne nennenswerte Verwendung demontiert (ist mitsamt zwei passenden Kettenschutzringen zu verschenken)…
Im dicken Auslegerrohr lassen sich hervorragend Passkopie und Notgroschen unterbringen. Die “Beinlänge” einzustellen ist am Up deutlich einfacher, weil man einem Sattel die Geradeausposition besser ansieht als dem Ausleger die Horizontalposition.
Reifen: Folgende Reifen waren schon montiert und ausser dem Erstgenannten halte ich alle für tauglich: MRacer 40-406 (Draht), MRacer 40-559 (Draht), Marathon 40-406, M+ 40-559, MRacer 40-406 (Falt), MRacer 40-559 (Falt), Durano 28-406 (Falt), Durano 28-559 (Falt) (Letzterer nur 50km). Erwähnenswert ist eigentlich nur, dass der auf der letzten Reise sehr rasch zum Einsatz gekommene Ersatzreifen “Durano 28-406” während 7500 Km gerade einmal einen Platten hatte und noch so gut aussieht, dass ich ihn voraussichtlich auch auf der nächsten Reise wieder als Ersatz mitnehme.
Scheibenbremse im 20”-Vorderrad: Die Bremsleistung ist hervorragend. Beim Vollbremsversuch ohne Gepäck konnte ich das Velo allerdings trotz der satten Strassenlage auf den Kettenschutzring stellen - wie ich mit dem Up eine solche Verzögerung hinbekommen könnte weiss ich nicht. Die Bremsen selbst habe ich vor der letzten Tour mit denen vom ebenfalls reiseerprobten Up quergetauscht.
Dynamo: Nach dem Flug nach Dubai kam kein Strom mehr aus dem Dynamo. Auf der letzten Reise war er nur Ballast und aktuell ist er beim Hersteller (ich kann also noch nicht sagen, was das Problem ist/war): Vom SON bin ich enttäuscht.
Federgabel: Die Erste tauschte ich nach 15'000 km, weil ich sie nicht/zu wenig gepflegt habe. Die Zweite wechselte ich nach 23’500 km (also vor Kurzem) durch "das teurere Modell". Der Grund war ebenfalls Vernachlässigung (das Öl ist mir aus dem “Radreisebehälter” ausgelaufen und das Kettenöl hat die Gabel etwa so gut vertragen wie kein Öl). Ob mein Gabelverschleiss mit dem “besseren”(?) Modell zurückgeht wird die Zeit zeigen. Gemäss Anleitung soll das explizit als Reiserad angepriesene Velo nur auf Strassen und befestigten Wegen benutzt werden. Gerade in Bezug auf die Federung ist sich der Hersteller IMHO zu wenig bewusst, was in anderen Ländern als “Strasse” gilt (oder einfach Realist: Nur ein paar Prozent aller Exemplare werden so geschunden wie Meins).
"Cockpit" mit Km-Zähler und GPS: auf dem Rahmenrohr vor dem nach hinten gerichteten "Vor"bau. Der Km-Zähler ist um 90° verdreht montiert, was zwei Vorteile hat: Das Kabel ist nicht abgeknickt und die der Vorbau verdeckt den weniger relevanten Teil vom Display. Ich habe mich daran gewöhnt...
Rückspiegel: unverzichtbar, wie ich merkte, als er mir inmitten der iranischen Pampa abbrach (anklebbar, nicht so schlimm) und zersplitterte (wurde durch später im Graben gefundenen und zurechtgeklopften Autorückspiegel ersetzt). (aktuell)
Sitz: Da ich auf Testfahrten auf "belüfteten” Sitzmatten auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt einen nassen Rücken hatte: Dank mir haltbarer erscheinender Isomatte ist der Rücken jetzt garantiert immer nass. Die Isomatte weist ein paar durch Dornen/Gestrüpp verursachte “Unregelmässigkeiten” auf und die Klettbänder auf der Rückseite halten nicht wie ich mir das vorgestellt habe. Am Sitz lässt sich das Maschineli auf flachen Stücken (Fussgängerzone) angenehm schieben.
Die Umlenkrolle war im Auslieferungszustand nicht an die Kettenlinie der Nabe angepasst. Bei einem Velo dieser Preisklasse habe ich das eigentlich nicht erwartet
Lowrider: Besonders praktisch ist, dass ich während dem Fahren bequem bis 2/3 in die Taschen hineingreifen kann: Während der Fahrt Chips essen macht das Sofagefühl perfekt. Allerdings ist er so weit unten, dass man mit angehängten Lowridertaschen nicht anständig in Kurven liegen kann und die Taschen fallen ständig ab wenn es durchs Gestrüpp geht. Ich habe ihn auf der letzten Tour nicht mehr dabeigehabt und an der Stelle wenn für nötig befunden bis zu vier Wasserflaschen à 1.5 bis 2 Liter direkt ans Rahmenrohr gebunden.
Den am Lowrider befestigten Ständer vermisse ich seit der Lowriderdemontage.
Hinterbaufederung: die "billige Feder" spricht mit Gepäck auf dem Gepäckträger sehr gut an. Ohne Gepäck ist es ein deutlicher Unterschied zum Luftfederelement. Auf Naturbelag meinte ein hinter mir Fahrender “Sänfte”.
Gepäckträger: Mit viel Gepäck hinter dem Sitz wird einerseits das Fahrgefühl "schwammig" und andererseits ist es nur so möglich die Hinterradbremse einzusetzen. Wie der Lowrider hat der Gepäckträger einen Nicht-Standard-Durchmesser. Mittels Schlauchresten, Gartenverlegerohr und Kabelbinder habe ich an den betreffenden Stellen den Durchmesser vergrössert oder die Taschenauflage gepolstert. Von hinten an das Gepäck greifend lässt sich das Maschineli bergauf (zu steil zum Fahren) angenehm (jedenfalls angenehmer als ein Up ) schieben.
*warum gerade ein 33er-Kettenblatt? 32 ist das Minimum, was auf die Kurbel geht (schon für das 33er musste die Feile angesetzt werden). Es ist das Minimum, was für die Schaltung erlaubt ist (Rechung: Herstellerangabe * Kurbellänge_Maschineli / Kurbellänge_normal_max = 38 * 155 / 180 = ~33
Um zum Anfang zurückzukehren: Ich besitze immer noch keine gefederte Sattelstütze.